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Dreharbeiten zu »Pappa ante Portas«

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»Jerichow« mit Benno Fürmann, Nina Hoss und Hilmi Sözer (v. l.)

STILLES LAND
UND GROSSES KINO

Filme, Drehorte und Stars
in Mecklenburg-Vorpommern entdecken

Marco Voss (Herausgeber)

Unter Mitarbeit von:
Juliane Voigt | Frank Burkhard Habel
Frank Schlösser | Christa Eichbaum | Heiko Kreft

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Gojko Mitić am Set von »Das Herz des Piraten«

Inhalt

Übersichtskarte

Einleitung

 

Landkreis Nordwestmecklenburg

Hansestadt Wismar

Die Schaalseeregion

 

Landeshauptstadt Schwerin

 

Landkreis Ludwigslust–Parchim

 

Landkreis Rostock

Bad Doberan

Seebad Heiligendamm

Güstrow

 

Hansestadt Rostock

 

Landkreis Vorpommern–Rügen

Halbinsel Fischland–Darß-Zingst

Hansestadt Stralsund

Insel Rügen

Insel Hiddensee

 

Landkreis Mecklenburgische Seenplatte

Neustrelitz

 

Landkreis Vorpommern–Greifswald

Insel Usedom

Hansestadt Greifswald

Anmerkungen

Register der vorgestellten Filme

Bildnachweis

Die Autoren

Danksagung

Übersichtskarte mit vorgestellten Filmen (Auswahl)

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Juliane Köhler und Hannelore Elsner in »Das Blaue vom Himmel«

Einleitung

»Was wird denn hier gedreht?«

Wo eine Filmkamera steht, wo Menschen mit dunklen Sonnenbrillen Scheinwerferstative in die Luft kurbeln, wo sich ein endloser Fuhrpark aus Wohnmobilen und LKWs aufreiht, da drängeln sich Neugierige in die erste Reihe vor der Absperrung und suchen das Set nach bekannten Schauspielern ab. Die Fragen sind meist die gleichen: »Was wird denn hier gedreht? Wer spielt dort mit? Wann kann man das sehen?«

Mit Kino und Fernsehen aufgewachsen, umgeben uns täglich bewegte Bilder. Via Internet steht jederzeit eine unendliche Filmauswahl zur Verfügung und dank Smartphones oder Tabletts spielt es keine Rolle mehr, ob wir unterwegs sind oder zu Hause auf dem Sofa sitzen – kein anderes Medium verschafft so einfach Unterhaltung, Bildung und Vergnügen. Und: Alle reden über Filme! Je nach Vorliebe ist es ein lockerer Gesprächs- und Diskussionsstoff. Erstaunlich ist, wie viele Menschen sich noch Jahre später genau an den Ort des Geschehens erinnern, wenn sie Dreharbeiten miterlebt haben. »Ich war dabei!«, dieses Gefühl hat eine bemerkenswerte Faszination. Man war mittendrin in der großen Filmgeschichte. Ob das Abgedrehte dann wirklich für das große Kino taugte, ist egal, Hauptsache, die Szene war später im Film zu erkennen. Vielleicht erklärt das die Neugier und Aufregung, die einem Filmteam bei der Arbeit im Zusammentreffen mit Publikum vor Ort immer wieder begegnen.

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Dreharbeiten zu »Das weiße Band«

Im vorliegenden Buch haben sich sechs Autorinnen und Autoren aufgemacht, Mecklenburg-Vorpommern als Filmland zu entdecken. Dabei stießen sie wie Schatzsucher auf unbekannte Geschichten und auf eine überraschend lange Tradition als Drehort. Der Blick über das offene Meer und die dünn besiedelte weite Landschaft mit ausgedehnten Wald- und Seengebieten inspirierten schon Ende des 19., Anfang des 20. Jahrhunderts zahlreiche Maler und Schriftsteller, sich hier niederzulassen und Künstlerkolonien wie die in Ahrenshoop oder auf Hiddensee zu gründen. Schauspieler und Regisseure folgten den kreativen Vorreitern, verbrachten ihren Urlaub hier oder schufen sich Feriendomizile. Es ist bekannt, dass Stummfilmstar Asta Nielsen ein Haus auf Hiddensee hatte, vielleicht auch, dass Schauspieler wie Heinrich George und der spätere Hollywoodregisseur Billy Wilder Anfang der 30er-Jahre gern auf dieser Insel weilten. Das Gefühl der Freizügigkeit und Leichtigkeit, in Nachbarschaft zu den nach ihren Traditionen lebenden Bewohnern der Küste, übte auf Filmemacher und Mimen eine besondere Anziehung aus. In Drehbüchern wird das Meer bis heute oft als Synonym für Freiheit, Romantik, Fernweh und Stadtflucht genutzt.

Der Himmel über Mecklenburg-Vorpommern bringt ebenfalls Gutes für die Filmwelt, die immer nach schönen Lichtverhältnissen sucht. Durch klimatische Einflüsse der Ostsee ist das Bundesland, vor allem Vorpommern, die sonnenreichste Region in Deutschland mit durchschnittlich mehr als 2 000 Sonnenstunden im Jahr. Und noch ein Rekord: Nirgendwo gibt es in Deutschland so viel Küste – eine bei Filmlocation-Scouts ja sehr beliebte Landschaftsform.

Dass Mecklenburg-Vorpommern sich als reizvoller Drehort für Film- und Fernsehen anbietet, ist ein erfreulicher Trend, dem in den letzten Jahren immer mehr Aufmerksamkeit geschenkt wird. Zwischen den großen Medienmetropolen Berlin und Hamburg gelegen, galt die Region in filmischer Hinsicht lange als STILLES LAND. Diesen treffenden Titel erhielt das Spielfilmdebüt von einem der bekanntesten Regisseure Deutschlands – Andreas Dresen –, der in Anklam spielt und die Ereignisse der Wendezeit an einem Provinztheater erzählt.

Die Dreharbeiten zu STILLES LAND im Februar 1991 waren nicht nur thematisch aufregend, sie begründeten auch eine neue Herangehensweise an die Art, Filme zu machen. Die Ära der DEFA, des staatlichen Filmbetriebes der DDR, ging zu Ende und der Aufbruch in das Filmsystem des Westens, in dem unabhängige Produzenten frei waren, ihre Ideen umzusetzen, hatte begonnen.

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Dreharbeiten zu »Krauses Kur« in Ahlbeck auf der Insel Usedom

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Dreharbeiten zu »Stilles Land« in Anklam

Kaum eine gesellschaftliche Entwicklung, die in den vergangenen 25 Jahren nicht filmisch verarbeitet worden wäre. Ging es Anfang der 90er-Jahre um Geschichten der Wiedervereinigung, um neue Ost-West-Beziehungen und zwischenmenschliche Befindlichkeiten – wie es beispielsweise die schräge Komödie WIR KÖNNEN AUCH ANDERS zeigt –, kamen später bedrückende Filme über Arbeitslosigkeit, Rechtsradikalismus und sozialen Abstieg dazu. Dem entgegen bauten Vorabendserien wie EIN BAYER AUF RÜGEN oder HALLO ROBBIE! ein neues Image auf: Die Filmkulisse dieser beiden Langzeit-Projekte weckte bei den Fernsehzuschauern das touristische Interesse an der Insel Rügen und dem Osten.

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ZDF-Erfolgsserie »Hallo Robbie!«

Einen kleinen Boom bescherte dem Land zwischen 2008 und 2012 das Programm der »Wirtschaftlichen Filmförderung«. In diesem Zeitraum drehten Hollywoodgrößen wie Roman Polanski und Pierce Brosnan an der Ostseeküste und mehrere aufwendige historische Kinoproduktionen wie 12 METER OHNE KOPF, DAS BLAUE VOM HIMMEL, BLACK DEATH oder DAS WEISSE BAND entstanden. Heute sind es besonders die öffentlich-rechtlichen Sender, die Mecklenburg-Vorpommern als Drehort nutzen. Sie haben die alten Hansestädte als Garant für gute Einschaltquoten ihrer Krimi-Serien SOKO WISMAR, STRALSUND oder POLIZEIRUF 110 (aus Rostock) entdeckt. Gerade neu im Programm ist der USEDOM-KRIMI.

Man könnte meinen, Krimis würden dem Image eines Landes eher schädigen, weil Gewalt und Verbrechen gezeigt werden. Doch die Erfahrungen, die mit skandinavischen Krimireihen gemacht wurden, sind andere. Ihr Mix aus moderner Großstadtpolizeiarbeit und archaischer, küstennaher Kulisse kommt so gut an, dass sie den Ort »veredeln«, an dem gedreht wurde. Der Zuschauer unterscheidet genau zwischen dem zu lösenden Fall und der »Verpackung der Story« und erfährt nebenbei von der hohen Lebensqualität der am Meer Lebenden.

Drehort zu sein ist folglich ein Glücksfall in unserer medialen Welt, ein attraktives Etikett im globalen Wettbewerb um Aufmerksamkeit.

Dieses Buch nähert sich Filmen aus einer geografischen Perspektive. Wer Mecklenburg-Vorpommern mag, wer hier wohnt oder Urlaub macht, kann mit Hilfe des vorliegenden Bandes Drehorte entdecken. 250 Filme haben die Autoren nach Regionen geordnet ausgewählt, wichtige Werke herausgehoben und intensiver besprochen. Die unterhaltsame Komponente steht dabei im Vordergrund, ohne filmgeschichtlich Bedeutsames zu vergessen.

Manchmal sind es nur wenige Filmminuten, in der die Kulisse erkennbar wird. Spielfilme für Kino oder Fernsehen standen im Mittelpunkt der Recherche. Ausnahmen bilden deutschlandweit bekannte Dokumentarfilme, die einen besonderen Bezug zu Mecklenburg-Vorpommern haben oder von Regisseuren gedreht wurden, die hier leben oder gelebt haben.

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Alexander Scheer, Devid Striesow und Milan Peschel (v. l.) in »12 Meter ohne Kopf«

Es gibt zahlreiche Schauspieler zu entdecken. Die Abbildungen zeigen bekannte Gesichter in Kostüm und Maske in unterschiedlicher Umgebung. So ist dieses Buch auch ein Ausflug in die Mode der Zeit, kann zudem ein Nachdenken über die Vergänglichkeit, die an den Gesichtern der Stars ablesbar ist, hervorrufen.

Aktuelle Fotos zeigen Filmkulissen, wie sie heute existieren – markante Bauwerke, manchmal aber auch scheinbar banale Orte, die für Filmtouristen jedoch Sehenswürdigkeiten sind, weil sie deren besondere Rolle in Filmen zu schätzen wissen und Szenen dazu im Kopf haben.

Natürlich kommen auch Insider aus der Filmbranche zu Wort. Sie reden über ihre Arbeit, erzählen Anekdoten zu den Dreharbeiten, über das Filmteam, die Schauspieler und die Menschen vor Ort, wo kurzzeitig eine Art Ausnahmezustand herrschte, »weil man dabei sein durfte«.

Das Buch kann keine vollständige Gesamtdarstellung aller im Bundesland gedrehten Spielfilme leisten. Viele Filmspuren müssen einfach aus Platzgründen unerwähnt bleiben. Am Ende des Buches finden Sie ein Register mit den ausgewählten Filmtiteln, sortiert in alphabetischer Reihenfolge.

Die Drehorte lückenlos aufzulisten, wäre zu umfangreich. Drehteams stellen manchmal innerhalb eines Tages an mehreren Orten die Kamera auf. Die Buchautoren betonen in der Regel den Hauptspielort der Handlung und gehen auf Drehorte in anderen Bundesländern nicht ein.

Der Filmtourismus steckt hierzulande noch in den Kinderschuhen, doch das Buch inspiriert vielleicht, neue Reiserouten zusammenzustellen, um abseits der üblichen Touristenpfade auf Entdeckungstour zu gehen. Die Suche allein kann interessant sein, schließlich ist ja meistens nichts ausgeschildert. Sprechen Sie Einheimische vor Ort ruhig auf die Dreharbeiten an, Sie werden überrascht sein, wie gern Auskunft gegeben wird: Film ist einfach ein beliebtes Medium und ein guter Einstieg für ein Gespräch. Lassen Sie sich nicht abschrecken, weil Ihnen einige Filmtitel nichts sagen, deren Drehort sie besuchen. Vielleicht sehen Sie diese Filme später einmal, dann ist es so, als würden Sie Urlaubsbilder anschauen.

Zugegeben, in Mecklenburg-Vorpommern liegen die Drehorte weiter verteilt als anderswo, doch das bringt dem Land auch Vorteile für das Filmgeschäft: Unverbrauchte, ruhige Motive, aufgeschlossene Bewohner und eine moderne Infrastruktur bieten gute Voraussetzungen, dass auch zukünftig bekannte Schauspieler hierher kommen und wir neugierig und fasziniert stehenbleiben, weil ein Aufnahmeleiter ruft: »Ruhe bitte, wir wollen drehen!«

Ein Blick zurück

Schon im Stummfilm war das Land zwischen Ostsee und Seenplatte auf der Leinwand zu sehen. Dokumentarische Aufnahmen aus der maritimen Welt gehörten Anfang des 20. Jahrhunderts zu den aufregenden Attraktionen der Kinematographie. Der deutsche Kaiser Wilhelm II. auf einem Dampfer, Großsegler in voller Fahrt oder Kriegsschiffe im Gefecht begeisterten die Massen.

Die ersten Aufnahmen von der Ostsee drehten die Berliner Brüder Skladanowsky bereits 1897 am Bollwerk von Stettin im benachbarten, damals deutschen Westpommern.

Ein Großteil der Bevölkerung in den industriellen Ballungszentren Deutschlands konnte sich keine Reisen leisten und sah in Schaubuden und Varietés erstmals bewegte Bilder von Meer und Strand.

Filmemacher und Schauspieler waren anfangs noch stark von der darstellenden Kunst der Theaterbühne geprägt. Mit pathetischen Gesten und überzogener Mimik entstanden Dramen und Komödien der Weltliteratur auf Zelluloid. Texteinblendungen und live eingespielte Musik vermittelten Handlung und Atmosphäre des Geschehens. Der Reiz am neuen Medium kam richtig in Fahrt, als Actionstreifen, exotische Monumentalwerke und sogenannte »Aufklärungsfilme« den Kintopp eroberten.

Die Filmateliers baute man anfangs auf Dachböden, um möglichst viel Sonnenlicht zu gewinnen. Später entstanden regelrechte Glashäuser. Technische Neuerungen in der Kamera- und Lichttechnik machten die kreativen Filmpioniere Stück für Stück flexibler für Außendreharbeiten an Originaldrehorten. Das beflügelte auch in Mecklenburg den Traum von einer Filmmetropole.

Die Landesregierung in Schwerin war schon 1920 so überzeugt vom neuen Medium, dass sie Millionen in eine staatliche Produktionsgesellschaft namens OFFAK investierte, weil man sich satte Gewinne für den Kulturhaushalt versprach. Leider floppte der Plan – die mehr oder minder anspruchsvollen Streifen zur Unterhaltung des Publikums brachten nur Verluste. Im landwirtschaftlich geprägten Mecklenburg und Pommern blieb es bei Ausnahmeerfolgen mit Themen des Landlebens oder mit Seefahrer- und Urlaubsgeschichten.

An die fruchtbare Zeit des Stummfilms der 20er-Jahren erinnern deutsche Klassiker wie DAS CABINET DES DR. CALIGARI (1920), DER LETZTE MANN (1924), METROPOLIS (1926) oder der in Wismar gedrehte Film NOSFERATU – EINE SYMPHONIE DES GRAUENS (1922).

Als nach 1929 der Tonfilm auf den Markt kam, war die Filmindustrie in Deutschland personell und technisch auf höchstem Niveau und Hollywood ebenbürtig. Ihr gelangen Welterfolge wie DER BLAUE ENGEL (1930), mit dem Marlene Dietrich zum Star wurde, oder DIE DREI VON DER TANKSTELLE (1930), mit dem der Schlager »Ein Freund, ein guter Freund« zum Ohrwurm geriet. Der auf der Greifswalder Oie gedrehte Film F.P. 1 ANTWORTET NICHT (1932) mit Hans Albers entstand für den internationalen Markt in drei Sprachversionen.

Mit dem Beginn der nationalsozialistischen Zwangsherrschaft änderte sich auch im Film vieles. Ab 1933 unterstand das gesamte deutsche Filmwesen dem Reichspropagandaministerium mit Joseph Goebbels an der Spitze, der sich zum »Schirmherrn des deutschen Films« ernannte. Das gesamte gesellschaftliche Leben wurde »gleichgeschaltet«, jeglicher Meinungspluralismus abgeschafft.

Entsprechend der NS-Doktrin erhielten jüdische Filmschaffende keine Arbeitserlaubnis mehr. Erstklassige Künstler wurden in die Emigration getrieben, eingesperrt oder umgebracht. Zweitrangige nahmen deren Positionen ein. Der deutsche Film verflachte künstlerisch. Goebbels legte Wert auf Unterhaltungsfilme, deren Ablenkungsfunktion er besonders nach Kriegsbeginn 1939 eine besondere Bedeutung beimaß. Die wenigen verbliebenen Filmproduktionsgesellschaften, darunter die Ufa als größtes Unternehmen, wurden 1942 verstaatlicht. Politische Filme mit propagandistischer Absicht entstanden – wie JUD SÜSS (1940), der den Genozid an der jüdischen Bevölkerung unterstützen sollte.

Goebbels wünschte sich einen international konkurrenzfähigen Film, deshalb trieb er die Produktion von Farbfilmen voran. Der letzte der Ufa-Farbfilme war das an der pommerschen Ostseeküste gedrehte »Durchhalteprojekt« KOLBERG, das noch Anfang 1945 Premiere hatte, als bereits deutsche Städte am Rhein von der Nazi-Herrschaft befreit waren.

Alle politisch belasteten Filme des »Dritten Reichs« wurden von den Alliierten verboten, ein Verbot, das bis heute gilt. Hingegen konnten Unterhaltungsfilme aus dieser Zeit weiterhin gezeigt werden – auch etliche in der NS-Zeit begonnene Filme wurden nach dem Krieg in Ost und West fertiggestellt und erzielten teilweise Kassenerfolge.

Mit dem Kriegsende begann unter der sowjetischen Besatzungsmacht ein neues Kapitel für Mecklenburg-Vorpommerns Filmgeschichte. Kurzzeitig gab es den Plan, die durch die Nazi-Vergangenheit belasteten ehemaligen UFA-Filmstudios in Babelsberg zu schließen und die vorhandenen Flugzeughallen der Heinkel-Werke in Rostock zu einem großen Filmatelier aufzubauen. Doch man entschied anders. Im November 1945 trat in Berlin ein Filmaktiv unter Vorsitz des Schauspielers Hans Klering zusammen – darunter verschiedene Autoren und Regisseure wie Hans Fallada, Gerhard Lamprecht, Boleslaw Barlog und Kurt Maetzig –, um den Neuanfang des deutschen Films zu beraten. Gemeinsames Ziel der Gruppe und der russischen Kulturpolitik war das Vermitteln der neuen Ideen durch begeisternde Filme und die Herstellung einer informativen Wochenschau zur politischen Aufklärung der Menschen. Die gesamte Filmproduktion sollte in die Hände des Staates übergehen. Diese Aufgabe wurde einer deutsch-sowjetischen Aktiengesellschaft übertragen, die den Namen Deutsche Film A.G. (DEFA) bekam.

Die feierliche Lizenzübergabe an das Leitungsgremium der DEFA, zu dem auch sowjetische Mitglieder zählten, erfolgte am 17. Mai 1946 durch Oberst Tulpanow a im Berliner Admiralspalast. Der erste DEFA-Film war zugleich der erste deutsche Nachkriegsfilm überhaupt – und er wurde ein Welterfolg: Wolfgang Staudtes DIE MÖRDER SIND UNTER UNS mit Hildegard Knef in der Hauptrolle. Er gab den Auftakt für rund 800 Spielfilme, die bis 1993 bei der DEFA entstanden.

Mit dem Ende der DDR am 2. Oktober 1990 gerieten die volkseigenen DEFA-Betriebe wie alle anderen staatlichen Betriebe unter Verwaltung der Treuhandanstalt. Mehrere Jahre lang lief ein komplizierter Prozess, bis alle DEFA-Unternehmen verkauft waren. Auf dem ehemaligen Hauptgelände des Spielfilmstudios firmiert heute das »Studio Babelsberg«, während die DEFA-Stiftung in Berlin die Rechte an allen Filmen vertritt.

Die DEFA drehte gern im Norden der Republik, in den damaligen Bezirken Rostock, Schwerin und Neubrandenburg. Nahezu alle bis heute verehrten DDR-Film- und Fernsehstars standen hier vor der Kamera. Die DEFA-Filme haben für die Generation ehemaliger DDR-Bürger, die mit diesen Filmen aufwuchsen, meist eine besondere Bedeutung bekommen. Streifen wie HEISSER SOMMER, EIN IRRER DUFT VON FRISCHEM HEU oder DIE HEIDEN VON KUMMEROW, aber auch TV-Serien wie ZUR SEE erinnern an die eigene Geschichte, die Zeit der Jugend und an Urlaubs- oder Freizeiterlebnisse in Mecklenburg-Vorpommern.

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Am Filmset von »Freies Land«

Heute ist die Region eines der beliebtesten Urlaubsziele in Deutschland. In den zurückliegenden 25 Jahren entstanden moderne touristische Infrastrukturen, saisonunabhängige Freizeitmöglichkeiten und ein vielfältiges kulturelles Veranstaltungsangebot. Filme laufen hier wie anderswo vor allem in den großen städtischen Kino-Multiplexen und in einigen Arthouse-Kinos, aber auch auf zahlreichen Filmfestivals, die in diesem Buch vorgestellt werden.

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Dreharbeiten zu »Die Reise nach Sundevit«

Besondere Filmerlebnisse bieten jedoch die überall im Flächenland verteilten Kinovorführungen an mehr als 50 ungewöhnlichen Spielstätten wie Gemeindezentren, Gutshäusern, Scheunen und sogar Kirchen. Dafür sorgt ein bundesweit einzigartiger »Abspielring«, der vom Landesverband für Filmkommunikation e.V. in Güstrow betrieben wird. Anspruchsvolle deutsche und europäische Produktionen finden durch seine ehrenamtliche Netzwerkarbeit den Weg in kleine Dörfer zu einem cineastisch interessierten Publikum.

Das Filmland Mecklenburg-Vorpommern überrascht mit seinen Drehorten, seinen Filmfestivals und seinen ungewöhnlichen Abspielstätten. Es wartet darauf, durch den aufkommenden Film- und Locationtourismus ganz neu entdeckt zu werden. (mv/fbh)

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Filmplakat zu »Wir können auch anders …«

img LANDKREIS NORDWESTMECKLENBURG

Hansestadt Wismar

Die ehrwürdige Hansestadt Wismar an der Ostsee, gelegen an der Mecklenburger Bucht, ist seit Jahrhunderten geprägt von Seefahrt und Fischfang. Der historische Altstadtkern rund um den Marktplatz mit seinen sorgsam restaurierten Bürgerhäusern, mit dem Hafen und den imposanten Kirchen St. Georgen, St. Nikolai und dem Turm von St. Marien wurde im Jahr 2002 zum UNESCO-Welterbe erklärt. Diese einmalige Kulisse ist ein touristisches Highlight und bietet auch für Filme reizvolle Motive.

 

NOSFERATU – EINE SYMPHONIE DES GRAUENS Spielfilm, D 1921

Friedrich Wilhelm Murnau drehte den Stummfilmklassiker bereits 1921 in Wismar, Lübeck, Rostock und auf Sylt. Inspiriert von Bram Stokers Roman »Dracula« schuf Murnau hier einen der ersten Horror-Filme. Er ließ den Grafen Orlok, einen Vampir aus den Karpaten, per Schiff in Wismar anlanden und gab ihm alle Eigenschaften, die bis heute zum Vampir-Mythos zählen. So brachte Orlok seinen Sarg mit und schleppte ihn durch das Stadttor am Wismarer Hafen – das Wassertor. Eine Schautafel erinnert dort an diese Szene. Weitere Drehorte waren der Innenhof der Heiligen-Geist-Kirche und die Nikolaikirche, vor der das fliehende Opfer zu sehen ist. Die Titelrolle spielte der Münchner Theaterschauspieler Max Schreck, der unbekannt war, aber eine hagere kahlköpfige Gestalt mit langen Fingern besaß.

Murnau wählte Wismar als Kulisse für den Handlungsort Wisborg, weil es hier viel ruhiger zuging als in den Häfen von Hamburg, Bremen oder Lübeck, wo »echte« Schiffe die Kameraeinstellungen leicht hätten stören können. Dazu gab es genügend dunkle Gassen und von Feuchtigkeit zerfressene Häuser, die im Film dann mystisch leuchteten. Kulissenbauten konnten demnach eingespart werden, die Requisiteure sollen aber Massen von Ratten aufgekauft haben, die in einer Szene wie die dunkle Pest vom Schiff in die Stadt strömen. Die große Zahl der Außenaufnahmen war für die damalige Zeit außergewöhnlich. Alles erschien naturalistischer als der überhöhte Stil von expressionistischen Werken wie DAS CABINET DES DR. CALIGARI.

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Schautafel am Wismarer Wassertor

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Szene aus »Nosferatu« am Wassertor in Wismar (oben) und heutige Situation am Drehort

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Der Innenhof der Heiligen-Geist-Kirche in Wismar, Drehort für »Nosferatu« (oben)

Der Film war trotzdem finanziell ein Misserfolg, nur kleine Kinos trauten sich, ihn zu spielen. Die Kritik zeigte sich gespalten, einige lobten NOSFERATU als künstlerische Sensation und technisch perfekt, andere sahen nur eine durchschnittliche Arbeit.

1925 sollte das Werk nach einem verlorenen Urheberrechtstreit gegen Bram Stokers Witwe vernichtet werden, überlebte aber in unzähligen Schnittfassungen. Das Vampir-Thema wurde in der Filmgeschichte immer wieder aufgegriffen und erreichte mit der TWILIGHT-SAGA einen Welterfolg. 1979 inszenierte Werner Herzog seine NOSFERATU-Fassung, in der Klaus Kinski den Vampir verkörperte. In einigen Szenen sind die Originaleinstellungen von Murnau kopiert.

Heute können Touristen die Wismarer Drehorte des Stummfilmklassikers bei einer Stadtführung besichtigen. (mv)

 

SOKO WISMAR TV-Serie, D seit 2004

Das Erfolgsformat mit inzwischen 12 Staffeln läuft seit Oktober 2004 im ZDF. Entsprechende SOKO (Sonderkommando)-Folgen entstehen auch in Köln, Stuttgart, Kitzbühl, Wien und Leipzig. Das Besondere an der Wismarer Version sind die Ostsee und die mecklenburgische Landschaft, norddeutsche Typen und stark regional gefärbte Geschichten. Ermittelt wird in der Stadt, auf dem Land wie auch auf dem Wasser. Die Ermittler Jan-Hinrich Reuter (Udo Kroschwald) und Katrin Börensen (Claudia Schmutzler) sowie Kriminaloberkommissar Lars Pöhlmann (Dominic Boeer) werden von dem Streifenpolizisten Kai Timmermann (Mathias Junge) und seit 2015 von der holländischen Austauschpolizistin Anneke van der Meer (Isabel Berghout) unterstützt.1

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Die »Soko Wismar« ermittelt im Hafengelände und am Markt

Neben den im Lauf der Serie wechselnden Hauptdarstellern treten immer wieder Prominente als Gast auf, unter anderem waren es Nina Petri, Gudrun Landgrebe, Jürgen Tarrach, Eva-Maria Hagen, Rosemarie Fendel und Ulrich Anschütz. Den Titelsong singt Udo Lindenberg.

Bei den Dreharbeiten werden immer mehrere Folgen am Stück in der Stadt umgesetzt. Die Wismarer lieben ihre Serie, auch wenn ihr Alltag durcheinander gerät. So gibt es plötzlich »unechte Polizeieinsätze«, Brände, Explosionen, kurzzeitige Taxistände oder Läden, die nichts verkaufen. Einmal, mitten in der Finanzkrise, wurde die Sparkasse am Marktplatz in Hansebank »umdekoriert«.

Als äußere Kulisse für das Polizeirevier nutzt man die Zufahrt zum Innenhof der Heilig-Geist-Kirche in der Straße Neustadt, das sonstige Geschehen auf dem Revier wird allerdings in Berlin-Adlershof gedreht. Der Innenhof ist trotzdem ein Fundstück, denn hier entstand 1922 eine Szene des Filmes NOSFERATU, in der der Held sich per Pferd auf den Weg nach Transsylvanien macht (siehe Seite 21). In der Folge SCHLECHTE ZEITEN FÜR VAMPIERE von 2009 spielt das Drehbuch von Regisseur Murnau sogar eine Rolle bei der SOKO WISMAR; ein Handschriftenexperte, der das Drehbuch zu entschlüsseln suchte, kommt ums Leben. Mit dabei in einer Doppelrolle: Thekla Carola Wied.

Weitere Hauptdrehorte der Serie sind immer wieder der Hafen der Stadt, die Fischkutter der Insel Poel, der Strand von Timmendorf, die Steilküste Boltenhagens und die reetgedeckten Häuser von Hoben.

Wer in der SOKO WISMAR Straßenbäume sieht, kann mit großer Sicherheit auf den Drehort an der Nikolaikirche an der Frischen Grube schließen. Wismar hat außergewöhnlich wenige Bäume – die Handelsherren wollten ihre Prachtbauten nicht durch Grün verdecken. Aber keine Sorge, grüne, lauschige Innenhöfe gibt es auch. Dort wurde im Mittelalter Hopfen für die Bierbrauerei angepflanzt. In der Sommersaison finden jede Woche vom Markt ausgehend SOKO WISMAR-Führungen statt. Manchmal legt die Stadtführerin dazu die finnische Polizeiuniform an, die aus der Serie stammt. (mv)

Die DEFA drehte in Wismar Szenen für drei Kinderfilme:

 

DAS TRAUMSCHIFF Spielfilm, DDR 1956

Der Kinderfilm mit demselben Titel wie die berühmte ZDF-Serie handelt von einer jungen Mutter (Gisela Uhlen), die als Biologin in einer Hafenstadt arbeitet, während ihre zwei Kinder bei der Großmutter in Berlin aufwachsen. Als die Mutter beschließt, einen Kapitän (Günther Simon) zu heiraten, sollen auch die Kinder an die Ostsee kommen, um ihn kennen zu lernen. Sie lehnen den fremden Mann ab, der nicht mal ein richtiges Schiff hat, sondern nur einen Schlepper. Durch eine Probefahrt, die zum Abenteuer wird, gewinnt der Fremde jedoch die Zuneigung der Kinder. Regisseur Herbert Ballman steckte für diesen Film viel Kritik ein, weil die erziehungspolitischen Vorgaben der DDR-Pädagogik nicht erfüllt wurden. Er zog 1959 zu seiner Frau Gisela Uhlen in den Westen. Dort war er nicht nur als Regisseur von Filmen wie EINMAL KU` DAMM UND ZURÜCK erfolgreich, sondern auch als Produzent von TV-Serien wie DREI DAMEN VOM GRILL und PRAXIS BÜLOWBOGEN. (mv)

 

DER NEUE FIMMEL Spielfilm, DDR 1959

Der Bürgermeister einer kleinen Gemeinde (Paul R. Henker) hält die Fußballbegeisterung seiner Schulkinder nur für einen »neuen Fimmel«. Mit Hilfe eines berühmten Oberliga-Fußballers (Manfred Borges) und durch das Engagement der Kinder einer Jugendmannschaft gelingt es am Ende, eine Mannschaft für die Betriebssportgemeinschaft (BSG) zu gründen. Der Kinder- und Sportfilm wurde unter dem Arbeitstitel »Das Ei des Kolumbus« u. a. in Wismar gedreht und in zeittypisch-didaktischer Manier von Walther Beck inszeniert. (mv)

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Szenenfoto aus »Der Neue Fimmel«

 

MOHR UND DIE RABEN VON LONDON Spielfilm, DDR 1968

Das Buch gehörte in der DDR zur Schulliteratur der 6. Klasse und erzielte dadurch allgemeine Bekanntheit. Der Roman von Vilmos und Ilse Korn verbindet das Schicksal von Kindern, die in einer Londoner Textilfabrik schuften müssen, mit dem Leben von Karl Marx, der ab 1849 in der Stadt lebte und unter anderem für die New York Daily Tribune arbeitete. Dort beschrieb er auch die Lebensumstände der englischen Fabrikkinder. Unter dem Namen »Mohr« tritt er im Roman als Helfer der Kinder auf. Diese fiktive Geschichte vor realem Hintergrund wurde von der DEFA in Regie von Helmut Dziuba anlässlich des 150. Geburtstages von Karl Marx verfilmt. Wismar bildete die Kulisse für den Londoner »Themsehafen« von 1856, gedreht im Mai 1968. Leider sieht man die Stadt kaum. Da die Filmemacher mit einem schmalen Ausstattungsbudget hinkommen mussten, ließen sie die Szenen geschickt entweder bei Nacht oder im Nebel spielen.

Karl Marx wird von Alfred Müller dargestellt, Jenny Marx verkörpert Barbara Adolph, Helmut Straßburger ist Friedrich Engels, Thomas Karl und Ina Merkel sind die Kinder Joe und Becky.

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Alfred Müller (r.) als Karl Marx und Christoph Engel (M.) als Bankier in »Mohr und die Raben von London«

Im sozialistischen Kinderfilm wird das heimliche Verhältnis von Karl Marx mit seinem Dienstmädchen Lenchen Demut (gespielt von Barbara Dittus) natürlich nicht thematisiert. (mv)

 

SANSIBAR ODER DER LETZTE GRUND Spielfilm, D/Schweiz 1987

Um die Romanvorlage von Alfred Andersch für den WDR zu verfilmen, durfte Regisseur Bernhard Wicki aus der Bundesrepublik nach Mecklenburg-Vorpommern kommen. Das Filmteam gehörte zur DEFA.

Die Handlung spielt 1937 in Rerik und beschreibt die Flucht einer Jüdin vor der nationalsozialistischen Verfolgung nach Schweden. Ihr Schicksal ist verbunden mit der Rettung einer Holzplastik, die von den Nazis als entartete Kunst zerstört werden soll. Ein Film über solidarisches Verhalten in Zeiten des Terrors.

Als Drehort diente Rerik mit seinem Blick über die offene See und die schmale Landzunge der Halbinsel Wustrow. Das Rerik im Roman wurde aus Motiven von Rerik und Wismar gemischt, denn der kleine Ort am Salzhaff besitzt keinen Hafen für große Schiffe, keine fünf Kirchen mit sechs Türmen und keinen Bahnhof. Das gilt auch als Grund, warum man die Georgen-Kirche und die Frische Grube mit dem Wirtshaus »Wappen von Wismar« in der nahen Hansestadt als Drehorte wählte. Auch in Bad Doberan und Rostock wurde gefilmt.

Bei der Besetzung mischen sich Ost- und West-Schauspieler: Peter Kremer (bekannt aus Krimiserie SISKA) als Gregor, Cornelia Schmaus (Judith), Gisela Stein (Judiths Mutter), Michael Gwisdek (Knudsen), Elisabeth Endriss (Bertha Knudsen) – Ehefrau von Bernhard Wicki –, Peter Sodann (Helander), Ulrich Mühe, Karin Gregorek, Rolf Ludwig sowie Uwe Karpa. (mv)

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Bernhard Wicki (M.) bei Dreharbeiten in Wismar

FÜR INSIDER

Die gerettete Plastik »Der lesende Klosterschüler« ist nach einer Originalfigur von Ernst Barlach von 1930 gestaltet. Diese steht heute in der Gertrudenkapelle in Güstrow. Im Film ist die Skulptur jedoch leichter als die von Barlach, sonst hätte der Schauspieler sie nicht auf dem Rücken transportieren können.

 

WADANS WELT Dokumentarfilm, D 2011

18 Monate begleitete Regisseur Dieter Schumann in seinem Dokumentarfilm eine Gruppe Schweißer der damaligen Wismarer »Wadan«-Werft (heute NORDIC YARDS) während der globalen Finanzkrise, die 2008 begann. Er zeigt das Können der Schiffbauer, den Untergang des Unternehmens nach der Übernahme durch einen russischen Oligarchen, den Verlust des Arbeitsplatzes und die Hoffnung der Belegschaft, nachdem ein neuer Eigner gefunden wird. Ein bildgewaltiger Film, für den Kameramann Rainer M. Schulz 2011 den deutschen Kamerapreis erhielt. In der Laudatio von Günter Wallraff heißt es: »100 Minuten fiebert der Zuschauer mit den Werftarbeitern aus Wismar mit …WADANS WELT ist eine packende Dokumentation über den Schiffbau, den Alltag in Mecklenburg-Vorpommern und – wie es im Untertitel heißt – die Würde der Arbeit.« (mv)

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Szenenfoto aus »Wadans Welt«

FILMPROMINENZ

Der Regisseur und Produzent Dieter Schumann lebt und arbeitet in Basthorst bei Crivitz. Eines seiner bekanntesten Werke ist der DEFA-Film FLÜSTERN UND SCHREIEN über das Lebensgefühl der Jugend in der DDR mit Bands wie Silly und Feeling B (aus der später Rammstein-Mitglieder hervorgingen).
Dieter Schumann gehörte 1990 zu den Gründern des Schweriner Filmkunstfestes und des Landesfilmzentrums, das heute seinen Sitz in Wismar hat.

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Dieter Schumann und Tamara Danz (Silly) bei Dreharbeiten zu »Flüstern und Schreien«

 

WIE DAS BINNENMEER Spielfilm, D 2012

Das Roadmovie über zwei junge Männer, die mit einem alten Mercedes durch das Land reisen, beginnt in Wismar. Hier klaut Simon (Jonas Minthe) den Oldtimer vom Autohaus seiner Eltern (Michael Gerlinger und Eva Bluhm), die seine Karriere im heimischen Betrieb bereits festgelegt haben. Gemeinsam mit seinem Freund Paul (Julian Trostorf) verlässt er die Enge der Kleinstadt am Meer zunächst ohne Ziel, um Unabhängigkeit und Freiheit in vollen Zügen zu genießen. Dann erinnert er sich an die in Polen lebende Oma, die er noch einmal sehen möchte. Es wird eine Reise der Selbsterfahrung für einen neuen Lebensabschnitt.

Für ihren ersten selbstproduzierten Langfilm hielten die mecklenburger Filmemacher Andreas Hyronimus und Stephan Buske ihre Heimat in atmosphärischen Bildern fest: das Segelrevier in der Wismarer Bucht, Niendorf und Timmendorf auf der Insel Poel, das Haus von Elena in Hoben, die Agrargenossenschaft Jürgenshagen und die Windradfelder in Langen Trechen bei Bützow. Das polnische Haus der Oma fanden sie in Glasewitz und den Friedhof in Lohmen. Rostocks Szeneclub Zwischenbau lieferte ebenfalls eine passende Kulisse. (mv)

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Filmplakat zu »Wie das Binnenmeer«

 

ALKI ALKI Spielfilm, D 2015

Architekt Tobias (Heiko Pinkowski), Mitte Vierzig, hat Familie und einen guten Job. Doch Flasche, sein Kumpel aus früher Jugend (Peter Trabner), zieht mit ihm nachts immer wieder los, um einen draufzumachen. Allmählich gerät das Leben von Tobias durch den Alkohol aus den Fugen. Er liegt tagsüber verkatert im Bett, verliert seinen Führerschein und Aufträge im Büro. Als die Beziehung zu seiner Frau (Christina Große) zerbricht und er seine Kinder bei einem Unfall gefährdet, wird ihm seine Abhängigkeit bewusst. Er schafft es nicht mehr, das Problem in den Griff zu bekommen.

Der junge Regisseur Axel Ranisch ist seit seinen Erfolgen DICKE MÄDCHEN und ICH FÜHL MICH DISCO bekannt für seinen sozial genauen Inszenierungsstil, der die Improvisationsfähigkeit der Schauspieler nutzt. So gewann er für diesen Film Stars wie Oliver Korittke, Thorsten Merten, Robert Gwisdek und mit einem Gastauftritt als russische Investorin Iris Berben.

Die Dreharbeiten für die Tragikomödie fanden im Sommer 2014 u. a. im authentischen Umfeld der Suchtklinik AHG am Schweriner See bei Lübstorf statt, gefilmt wurde auch im benachbarten Wirtshaus »Zum Angler« sowie am Strand beim Schwarzen Busch auf der Insel Poel. Das Filmbüro in Wismar unterstützte das Projekt vielfältig. Nicht allein durch finanzielle Mittel aus dem Topf für kulturelle Filmförderung; es überließ dem Team auch ihr Gelände in der Bürgermeister-Haupt-Straße für Kostüm-, Masken- und Produktionsräume sowie als Hostel. (mv)

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Szene aus »Alki, Alki«

 

Filmbüro Mecklenburg-Vorpommern

Das Filmbüro Mecklenburg-Vorpommern mit Sitz in Wismar ist die Geschäftsstelle des Mecklenburg-Vorpommern Film e.V.

1990 als Interessenvertretung der Filmschaffenden des Landes gegründet, organisiert es die kulturelle Filmförderung M-V und das Landesfilmarchiv. Auf dem mit alten Obstbäumen bewachsenen Gelände in der Bürgermeister-Haupt-Straße befinden sich ebenfalls ein Hostel und ein multifunktionales Kino, das seit 2007 auch das Filmfest Wismar beheimatet und Filmemachern zudem eine Plattform bietet, ihre Werke zu präsentieren. Die angeschlossene Medienwerkstatt Wismar sorgt für Medienkompetenz und Nachwuchsförderung. www.filmbuero-mv.de

Weitere Filme in der Umgebung

 

DIE FLUCHT TV-Film, D 2007

Im ARD-Zweiteiler von Kai Wessel wird die Geschichte der adligen Lena Gräfin von Mahlenberg (Maria Furtwängler) und ihrer Familie in Ostpreußen kurz vor Ende des 2. Weltkrieges erzählt. Mit der heranrückenden Front zerfällt das auf Tradition fußende Leben auf dem Familiengut, zu einer standesgemäßen Hochzeit mit einem ostpreußischen Adligen (Tonio Arango) kommt es nicht mehr. Auch eine Beziehung zwischen Lena und einem französischen Strafgefangenen (Jean-Yves Berteloot) bleibt lange undenkbar. Der Vater, Graf von Mahlenburg (Jürgen Hentsch), gibt auf, Lena macht sich mit ihrer unehelichen Tochter und dem Gefolge in einem mühseligen Treck auf nach Bayern.

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Maria Furtwängler (l.) und Gabriela Maria Schmeide in »Die Flucht«

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Szene aus »Die Flucht« mit Schloss Bothmer als Drehort

Gedreht wurde DIE FLUCHT zwischen April und Juni 2006 vor allem in Litauen. Schloss Bothmer bei Klütz bildete jedoch die eindrucksvolle Kulisse für den Wohnsitz der Adelsfamilie. (mv)

ZUM DREHORT

Schloss Bothmer mit einem sieben Hektar großen Landschaftspark wurde im Auftrag des Reichsgrafen Hans Caspar von Bothmer in den Jahren 1726 bis 1732 erbaut. Er stand viele Jahre im Dienst der englischen Krone. Bothmer gehört zu den Staatlichen Schlössern und Gärten Mecklenburg-Vorpommern, ist die größte barocke Schlossanlage des Landes und wurde nach umfangreichen Sanierungsarbeiten Pfingsten 2015 wieder eröffnet. Eine museale Dauerausstellung gibt Einblick in die Geschichte des Hauses und des Bauherrn. Beliebt sind die sommerlichen Konzerte der »Festspiele Mecklenburg-Vorpommern« im Park des Anwesens.

 

WIR KÖNNEN AUCH ANDERS … Spielfilm, D 1993

Ein lakonisch erzähltes Roadmovie über zwei Brüder aus Westdeutschland (Joachim Król, Horst Krause), die aufbrechen, um auf dem ererbten Hof von Oma in der Nähe von Schwerin ein neues Leben zu beginnen. Im »Wilden Osten« geraten sie in absurde Abenteuer, die naiv und überraschend »anders« gemeistert werden. Sie nehmen einen sowjetischen Deserteur (Konstantin Kotljarov) mit, werden ahnungslos zu Mördern und kidnappen eine Dorfwirtin (Sophie Rois). Omas Häuschen entpuppt als am Ende als eingefallener Katen.

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Joachim Król und Horst Krause in »Wir können auch anders ...«

Der gesamte Schluss des Filmes mit dem Kutter als Fluchtfahrzeug und den angetretenen Polizisten, an denen Sophie Rois vorbeimarschiert, wurde im Ostseebad Boltenhagen gedreht. Die Szene im Herrenkonfektionsladen spielt in Klütz. Zum Glück war es einer der letzten Drehtage, denn Joachim Król hatte sich zuvor beim Sprung in ein Boot am Fuß verletzt und konnte kaum gehen.

Die mit norddeutschem Humor und zahlreichen Anspielungen auf dem Umbruch in der ehemaligen DDR gespickte Komödie war Detlef Bucks endgültiger Durchbruch als Regisseur. (mv)

 

ÜBER DAS MEER Dokumentarfilm, D 2011

Boltenhagen