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Über dieses Buch:

Was geschieht, wenn ein Geheimnis aus der Vergangenheit die Gegenwart auf den Kopf stellt? Nach der Trennung von ihrem Freund ist endlich Ruhe in Michaelas Leben eingekehrt. Doch dann erbt sie ein altes, zerstörtes Cello und beschließt, es restaurieren zu lassen. So lernt sie den charismatischen Alexander kennen. Michaela fühlt sich vom ersten Moment an zu ihm hingezogen. Gemeinsam entdecken sie, dass in dem Instrument erotische Briefe versteckt sind, die vor langer Zeit von einer Kurtisane verfasst wurden. Wie sind sie dorthin gelangt? Und kann sich Michaela wirklich auf den höchst ungewöhnlichen Vorschlag einlassen, wie Alexander für die Restauration des Erbstücks honoriert werden möchte?

Eine liebeshungrige Frau, ein Mann, der sich nimmt, was er will, und ein Cello mit prickelnder Geschichte – genießen Sie diesen erotischen Roman voller Überraschungen!

Über die Autorin:

Cosette Corday ist das Pseudonym einer deutschen Bestsellerautorin, die unter diesem Namen ihre erotischen Phantasien und Romane veröffentlicht. Sie lebt und arbeitet in Berlin.

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eBook-Neuausgabe Februar 2015

Ein eBook des venusbooks Verlags. venusbooks ist ein Verlagslabel der dotbooks GmbH, München.

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Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Redaktion: Monika Hofko

Titelbildgestaltung: Nicola Bernhart Feines Grafikdesign, München

Titelbildabbildung: © Okssi – Fotolia.com

eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH

ISBN 978-3-95885-088-0

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Cosette Corday

Das sündige Erbstück

Erotischer Roman



venusbooks

1. Kapitel

Das Klingeln an der Tür riss Michaela aus ihrer Arbeit. Sie blickte auf die Uhr. Viertel nach zwei. Wahrscheinlich der Postbote. Bekam sie ein Einschreiben? Eine amtliche Zustellung? Während sie zur Tür eilte, fragte sie sich, ob sie in den letzten Wochen vielleicht irgendeine Blitzfalle übersehen hatte. Hier in Berlin trieben sich ja so einige Caddys herum, die einen schneller geblitzt hatten, als man auf den Tacho schauen konnte.

Sie drückte den Türöffner, machte die Tür einen Spaltbreit auf und lugte hinaus. Zu sehen war nichts, aber zu hören. Jemand mühte sich mit schweren Schritten die Treppe herauf. Nach ein paar Minuten tauchte ein Mann auf, der ein großes längliches Paket schleppte. Das in braunes Packpapier eingewickelte Etwas erinnerte an einen riesigen Geigenkasten.

„Hallo, sind Sie Frau Sander?“, fragte der Mann, während er die Lieferung kurz im Flur absetzte. Obwohl er das Teil vier Treppen hochgeschleppt hatte, zeigte seine Stimme keine Spur von Atemlosigkeit oder Zittern. Sie war dunkel, samtig und äußerst sexy.

„Ja, die bin ich“, antwortete Michaela verdutzt. Nicht wegen der Stimme, sondern wegen der Größe des Pakets. Schickte ihr ein heimlicher Verehrer etwa so etwas wie eine Palme?

Bevor sie darüber nachdenken konnte, dass dieser Gedanke etwas ziemlich Zweideutiges hatte, antwortete der Mann: „Dann bin ich bei Ihnen richtig. Ich brauche eine Unterschrift, hier.“ Er zog einen Zettel und einen Kugelschreiber aus der Brusttasche seines Hemdes und hielt ihr beides hin.

„Das Paket soll für mich sein?“, fragte Michaela verwundert. Sie hatte doch gar nichts bestellt. Außerdem – hatten die Lieferdienste heutzutage nicht alle Scanner?

„Ja, es ist für Sie.“

Michaela traute ihren Augen nicht, als sie einen Blick auf den Lieferschein warf, der auf dem Päckchen angebracht war, und zwar so, dass sie durch die Klarsichtfolie lesen konnte, was neben ihrer Adresse darauf stand. „Ein Cello?“, stieß sie hervor und sah den Zusteller fragend an.

Der Mann lächelte sie an. Und er sah umwerfend gut aus, wie Michaela auf den zweiten Blick feststellte. Seine blauen Augen funkelten verheißungsvoll, während er auf ihre Unterschrift wartete. Und ihr entging auch nicht, dass seine Augen von ihrem Gesicht zu ihrem Busen wanderten.

„Ist Ihr Glückstag heute“, sagte der Mann. „Wenn Sie nicht da gewesen wären, hätten Sie das Teil selbst abholen müssen.“

„Ich bin fast immer da, und am Abend sind Sie ja nicht mehr unterwegs, oder?“„Höchstens in Privatangelegenheiten.“ Der Mann zwinkerte ihr zu.

Michaela war sich sicher, dass er keine Probleme hatte, jemanden zu finden, der ihn bei seinen nächtlichen Touren begleitete.

„Wie sieht es aus, haben Sie heute Abend schon was vor?“, fragte er.

Michaelas Augen weiteten sich. So wie er dastand und sie angrinste, hatte sie keinen Zweifel, dass er sie anbaggern wollte. „Fragen Sie das im Ernst?“

„Na klar!“ Sein breites Grinsen verriet, dass er es alles andere als ernst meinte.

Michaela lachte auf, schüttelte dann den Kopf. „Nein, tut mir leid, heute und auch an den kommenden Abenden habe ich schon was vor.“

„Schade“, entgegnete der Zusteller, schob den Zettel wieder in die Tasche und klemmte sich den Stift hinters Ohr. „Dann versuche ich es beim nächsten Mal.“

„Sicher haben Sie dann mehr Glück.“ Michaela blickte auf das Paket vor sich. „Ähm, wenn Sie vielleicht so gut wären und mir den Kasten in die Wohnung tragen würden? Ich fürchte, ich würde sämtliche Gegenstände im Flur damit abräumen.“

Erst dann fiel ihr auf, dass das eigentlich ein guter Spruch war, um einen Mann in die Wohnung zu bekommen. Aber die Sache hatte einen Haken. Sie musste dazu erst einmal etwas Schweres mit sich herumschleppen oder vor der Tür stehen haben.

„Aber sicher doch, gern.“ Der Mann schulterte den Kasten, als hätte der gar kein Gewicht, und schleppte ihn dann durch die Wohnungstür. Ohne auch nur einen Kratzer am Türrahmen zu hinterlassen oder auch nur eine Staubflocke vom Telefontischchen zu fegen.

„Wo soll ich ihn hinstellen?“, fragte er, wieder ohne Anzeichen von Atemlosigkeit in der Stimme.

„Am besten ins Wohnzimmer.“

Kaum hatte Michaela das gesagt, bereute sie es auch schon wieder. Ihre letzte Aufräumaktion lag bereits eine Woche zurück. In der Zwischenzeit hatte sich alles Mögliche angesammelt: Zeitungen, Zeitungsausschnitte, Bücher, die sie für ihre Recherchen benutzte, und ein paar Kaffeetassen, die sie nicht vom Couchtisch weggeräumt hatte. Es war ihr peinlich, dass jemand ihre Wohnung so sah – obwohl der Zusteller ganz sicher nicht ihr Mann fürs Leben war, war er doch ganz schnuckelig, und aus irgendeinem Grund wollte sie nicht so unaufgeräumt vor ihm erscheinen.

Aber es schien ihn nicht zu stören.

„Hübsch haben Sie es hier“, sagte er, nachdem er den Kasten abgestellt und sich kurz umgesehen hatte.

„Wie man’s nimmt“, entgegnete Michaela etwas peinlich berührt.

„Doch, es ist sehr nett bei Ihnen“, sagte der Zusteller unbeirrt. „Okay, ich geh dann wohl besser wieder. War nett, Sie kennenzulernen.“

Er gab ihr die Hand, dann machte er kehrt. Michaela begleitete ihn noch bis zur Tür, dann ging sie zurück ins Wohnzimmer. Eine düstere Ahnung überkam sie. Sollte das hier etwa …?

Sie hockte sich vor den Kasten, stellte schnell fest, dass sich das Klebeband nicht einfach mit der Hand aufreißen ließ, und stand wieder auf, um einen Cutter zu holen. Sie fand einen in ihrer Schublade und schritt zur Tat.

Als sie das Papier von dem Kasten riss, wurde ihre Vermutung zur Gewissheit. Das hier war der alte Cellokasten ihrer Großmutter! Das Stück hatte auf dem Dachboden von deren Haus gestanden.

An dem Kasten klebte ein kleiner Umschlag. Michaela spürte, wie sich ihr der Magen zusammenzog, als sie ihn öffnete. Die Handschrift war unverkennbar die ihres Onkels Harry.

Liebe Michaela,

wie du weißt, hatte deine Großmutter in ihrem Testament verfügt, dass du dieses Instrument hier bekommst. Wenn du noch etwas wissen möchtest, gib mir Bescheid.

Gruß, Harry

Nicht einmal die Mails ihres Redakteurs oder ihrer Kollegen waren so unpersönlich wie diese Nachricht. Sicher, mit ihrem Onkel hatte sie sich noch nie besonders gut verstanden, aber hätten es nicht ein paar Zeilen mehr sein können?

Das Bedürfnis, mit ihrem Onkel in Kontakt zu treten, hatte Michaela allerdings nicht. 

Sie legte den Brief beiseite und ließ die Schlösser an dem Kasten aufschnappen. Ein muffiger Geruch schlug ihr entgegen, als sie den Deckel hob. Dann kam der Schock.

Das Cello war ruiniert.

In der Decke war ein langer Riss, die Zargen hatten große Löcher, als hätte jemand mit dem Hammer draufgeschlagen, der Hals des gut eins fünfzig hohen Cellos war abgeknickt, so dass die wunderbar tiefe Stimme sicher verstummt war. Für immer?

Nachdenklich ließ sie die Finger über das Holz gleiten, auf dem der schimmernde Lack immerhin noch zum Teil erhalten war. Sie hätte sich ein besseres Erbstück vorstellen können. Aber wahrscheinlich war das Absicht gewesen. Michaela hatte seit der Kindheit keinen Kontakt zu ihrer Großmutter väterlicherseits gehabt. Elsbeth hatte ihr das offenbar nie verziehen und ihr ein Abbild ihrer zerbrochenen Beziehung als letzten Gruß geschickt. Es wegzuwerfen, das brachte Michaela aber nicht übers Herz. Auch wenn sie selbst nicht spielte, übten Musikinstrumente eine große Faszination auf sie aus. Wie standen die Chancen, aus dem beschädigten Stück wieder ein richtiges Cello zu machen? Und wie würde es klingen? War es vielleicht sogar wertvoll? Wenn sie nicht wusste, wohin damit, konnte sie es vielleicht verkaufen.

Und wenn sich aus dem kaputten Haufen Holz nun gar nichts mehr machen ließ, konnte sie sich vielleicht eine hübsche Minibar daraus schreinern lassen.

Jetzt brauchte sie nur jemanden, der sich mit Holz auskannte – oder besser gesagt, mit Holzinstrumenten.

Da sie ihren Artikel über die Erhöhung der Fahrpreise in Berlin – kein besonders prickelndes Thema, aber eines, das Geld brachte – fertiggestellt und abgeschickt hatte, setzte sie sich an den Computer und rief die Suchmaschine auf. Dabei fiel ihr wieder ein, wie gern sie doch eigentlich für das Kulturressort ihrer Zeitung schreiben würde. Zu Veranstaltungen gehen, Konzerte besuchen, Buchkritiken schreiben. Stattdessen musste sie sich mit Kommunalpolitik befassen. Selbst über Instrumentenbau würde sie lieber schreiben als über alltägliche Themen, die bestenfalls die Leser in Rage versetzten. Aber die Rechnungen mussten bezahlt werden, die Miete bezahlte sich auch nicht von selbst, und sie hatte auch keinen magischen Kühlschrank, der sich von allein wieder auffüllte.

Eine Liste von Namen erschien auf dem Bildschirm und vertrieb ihre Gedanken. Michaela überflog die Einträge ratlos, blieb an einem hängen.

Alexander Brecht

Instrumentenbau und -restauration.

Aus irgendeinem Grund stach ihr der Name sofort ins Auge. Alexander. Alexander der Große. Der große Eroberer. Sie lächelte über diesen Gedanken und rief seine Website auf. Diese bestand aus drei dezent gestalteten Seiten, die nicht viel über den Mann, wohl aber einiges über sein Können aussagten. Weil er seine Werkstatt hier in Berlin hatte, genau genommen im noblen Dahlem, was irgendwie zu seinem Beruf passte, und sie – ohne recht zu wissen, warum – spontan überzeugt war, dass er ihr vielleicht helfen konnte, notierte sie seine Nummer.

Dann betrachtete sie ihre eigene zart geschwungene Handschrift. Tom hatte immer gemeint, dass es kaum eine Schrift gebe, die einen Menschen derart repräsentierte wie die ihre. In jeder Windung eine Sehnsucht. Eine unbekannte Sehnsucht …

So scharfsinnig die Ansichten ihres Ex-Freundes über ihre Handschrift auch gewesen waren, Michaelas wahre Sehnsüchte hatte er nicht erfassen können. Wenn sie ehrlich war, kannte sie sie selbst nicht.

Sie schob den Gedanken beiseite und wählte die Nummer und warf einen Blick auf die Fensterscheibe, in der sich ihre schlanke, hochgewachsene Gestalt mit den langen blonden Haaren spiegelte. Wie immer trug sie Jeans und T-Shirt, die übliche Kleidung, wenn sie zu Hause an einem Artikel werkelte.

Es klingelte drei Mal. Dann folgte ein Knacken.

„Brecht.“ Eine dunkle, einnehmende Stimme. Eine Stimme, die etwas in ihrem Innern zum Klingen brachte. Michaela liebte dunkle Männerstimmen. Sie dachte an den Zusteller. Ja, diese Stimme war angenehm tief gewesen. Auch Toms Stimme war dunkel gewesen. Besonders dann, wenn er sie auf den Küchentisch gehoben, ihre Schenkel gespreizt und sie dann schnell und rücksichtslos gefickt hatte. Bei der Erinnerung daran schoss ein heißer Blitz in ihre Scham, und sie vergaß beinahe, dass sie sich melden musste.

„Hallo?“, erinnerte Brechts dunkle Stimme sie.

„Entschuldigen Sie bitte, hier ist Michaela Sander. Ich habe Sie im Internet gefunden und wollte Sie um Hilfe bitten.“

Pause. Offenbar schien er sich zu fragen, wobei er ihr helfen sollte.

„Es geht um ein Cello“, setzte sie hinzu. „Ein altes Cello. Ich habe es geerbt, aber es ist schwer beschädigt, und ich würde es gern wiederherstellen lassen.“

Wieder lauschte sie in die Stille hinein. Machte er sich Notizen?

„Schwer beschädigt, sagen Sie?“, fragte er schließlich.

„Ja.“

„Wie schwer? Ich meine, kann man es als Kleinholz bezeichnen, oder ist schon noch zu erkennen, was es früher einmal war.“

„Das ist es. Es ist zu erkennen. Mit ein bisschen Phantasie kann man sich sogar seine frühere Schönheit vorstellen. Das ist der Grund, warum ich es reparieren lassen möchte.“ Und sollte ich die Erinnerung mal satthaben, füllt es vielleicht meine Kasse auf. Aber das sagte sie nicht laut.

„Aha, die Schönheit.“ Er schien in sich hineinzulächeln, jedenfalls deutete Michaela die Pause so.

„Haben Sie eine Möglichkeit, das Instrument in meine Werkstatt zu bringen?“, fragte er schließlich.

„Nein, leider nicht.“ Ratlos fuhr sich Michaela mit der Hand durch die Haare und verfluchte sich dafür, dass sie Tom den Kombi überlassen hatte.

„Kein Problem“, sagte Brecht. „Dann komme ich bei Ihnen vorbei und hole es ab. Über die Bezahlung reden wir dann persönlich, ja?“

„In Ordnung.“ Michaela war sich auf einmal nicht mehr sicher, ob sie den Preis für die Reparatur aufbringen konnte. Das hättest du dir früher überlegen sollen, sagte eine Stimme in ihrem Hinterkopf. Wie so vieles …

„Wann wäre es Ihnen recht? Zufällig habe ich gerade etwas Zeit, und ich wollte sowieso in die Stadt. Wo in Berlin wohnen Sie denn?“

Michaela wollte schon erstaunt fragen, woher er das wisse, doch dann fiel ihr die Nummernanzeige der Telefone ein. In welchem Jahrhundert lebst du eigentlich?

Sie nannte ihm die Adresse, die er sich gleich notierte, wie sie an dem kratzenden Geräusch zu seinen gleichmäßigen Atemzügen erkannte. „Wäre es Ihnen recht, wenn ich vorbeikäme und mir das Cello ansehe?“

Michaela blickte auf das klägliche Instrument, das auf der alten geblümten Decke lag. „Ja, gleich passt gut.“

„Dann bin ich in etwa einer halben Stunde bei Ihnen, sollte mir der Verkehr keinen Strich durch die Rechnung machen.“

***

Die Wartezeit verbrachte Michaela damit, aus dem Fenster ihrer Altbauwohnung auf die Straße zu schauen und sich zu fragen, was für ein Mann dieser Brecht wohl war. Auf seiner Homepage hatte sie kein Foto finden können, im gesamten Internet schien es keines zu geben. Die Stimme hatte vielversprechend geklungen, aber wer weiß, vielleicht war er doch ein alter Mann. Gab es überhaupt noch junge Männer, die Geigen oder Celli bauten?

Und warum frage ich mich das alles?, dachte sie. Es kann mir doch eigentlich egal sein, wie alt er ist. Es geht um das Cello und nicht darum, ihn zu heiraten.

Das Motorengeräusch eines Transporters, der sich vor dem Haus gekonnt in eine Parklücke manövrierte, riss sie aus ihren Gedanken. Der Wagen war schwarz, und von dem Aufdruck an der Seite war nicht viel zu erkennen. Dennoch war Michaela sich sicher, dass es sich um Alexander Brecht handelte. Noch einmal warf sie einen prüfenden Blick in ihr Wohnzimmer, wo das Cello auf dem Boden lag.

Das Klingeln ließ die Stille, die soeben noch in ihrer Wohnung geherrscht hatte, zerbersten. Michaela warf einen prüfenden Blick in den Spiegel neben der Tür und öffnete.

Der Anblick des Mannes davor überraschte sie. Er war keineswegs alt, sondern höchstens um die 40. Hochgewachsen und muskulös, so dass man ihn auf den ersten Blick für ein Model hätte halten können. Mit seinem schwarzen lockigen Haar, dem dunklen Bart und den goldbraunen Augen sah er aus wie ein Italiener. Er trug Jeans und ein dunkles Hemd, und er wurde umweht von einer Geruchswolke, die Michaela zunächst schwer einordnen konnte. Holz, fiel ihr ein. Und noch etwas anderes …

„Sie sind Frau Sander“, stellte er fest, nachdem er sie einen Moment lang betrachtet hatte. Sein Blick und die Bestimmtheit in seiner Stimme verwirrten Michaela ein wenig. Gleichzeitig fühlte sie sich auf einmal vollkommen falsch gekleidet. Einem Mann wie ihm sollte man doch eigentlich nicht in Jeans und Schlabbershirt gegenüberstehen, sondern in dem heißesten Fummel, den man besaß! Doch sogleich rief sich Michaela wieder in die Realität zurück.

„Ja, die bin ich. Und Sie sind Alexander Brecht.“

„So steht es jedenfalls in meinem Ausweis.“ Er lächelte gewinnend und sah sie dabei unverwandt an. Für einen langen Augenblick, der Michaela vorkam wie Minuten. Minuten, die ausreichten, um in seinen Augen zu versinken. „Wo ist denn das gute Stück?“

„Im Wohnzimmer.“ Michaela trat einen Schritt zur Seite. Als Brecht an ihr vorbeiging, nahm sie den Duft seines Aftershaves wahr – und wieder die schwache Note, die sie nicht identifizieren konnte.

Der Geigenbauer warf einen kurzen Blick durch den Flur und ließ Michaela den Vortritt. Im Wohnzimmer blieben sie vor dem Cello stehen wie zwei Kommissare in einem Fernsehkrimi, die sich eine Leiche anschauen mussten.

Michaela blickte verstohlen zu Brecht. Diesem war nicht anzusehen, was er dachte. Sein Blick strich über die Konturen des Cellos, schließlich legte er die Stirn in Falten.

„Wissen Sie, manchmal frage ich mich, wer zu so etwas imstande ist.“ Traurigkeit lag unter seinen Worten. „Die Leute scheinen wirklich nicht mehr zu wissen, wie viel Arbeit es macht, so ein Instrument herzustellen. Auch heute noch.“

„Ich habe dieses Cello von meiner Großmutter geerbt“, verteidigte sich Michaela. „Es war schon in diesem Zustand.“ Wahrscheinlich wollte sie mir eins auswischen, dachte sie, sagte es aber nicht laut.

„Hatte Ihre Großmutter nie Interesse gehabt, es wieder herrichten zu lassen?“ Brechts Stimme klang nun etwas ruhiger, freundlicher.

„Ich weiß es nicht.“ Michaela zuckte mit den Schultern. „Wahrscheinlich nicht, sonst hätte sie es sicher getan. Ich kannte sie nicht besonders gut, ich wusste nicht einmal, dass sie das Cello besessen hat. Aber jetzt wurde das Testament eröffnet, und ich bekam das Cello so geliefert, wie es auf dem Dachboden gefunden wurde. Mit allen Rissen und Löchern darin. Sieht fast so aus, als hätte jemand seine Wut an dem Instrument ausgelassen.“

Alexander Brecht ging neben dem Instrument in die Hocke und berührte sanft den Lack.

Das ist es, dachte Michaela, denn nun fiel ihr ein, was der geheimnisvolle Geruch war, der dem Instrumentenbauer anhaftete. Firnis. Lack.

„Vielleicht waren Ihre Verwandten missgünstig und haben das Instrument beschädigt, bevor sie es Ihnen geschickt haben.“

Michaela schüttelte den Kopf. „Das glaube ich nicht. Meine Tanten und Onkel mögen zwar nicht viel von mir halten, aber sie würden nicht mutwillig zerstören, was mir zugesprochen wurde. Eher hätten sie versucht, es mir abzuschwatzen, und vielleicht hätte ich es ihnen auch überlassen.“

Brecht wandte überrascht den Kopf. „Warum?“, kam es ein wenig schroff aus seinem Mund. „Hätten Sie wirklich kein Interesse an einem intakten, über 100 Jahre alten Cello gehabt?“

„Über 100 Jahre?“

„Vielleicht sogar noch älter. Ich müsste es mir genauer ansehen, aber ich glaube, ich finde das ungefähre Alter heraus. Das Cello ist sicher sehr wertvoll – wenn es denn erst einmal restauriert ist. Glauben Sie mir, so etwas hätten Sie Ihren Verwandten sicher nicht überlassen.“