Die Flughafenregion Berlin/Brandenburg (BER)

 

Eine Standortanalyse der Region um den Flughafen Berlin Brandenburg Willy Brandt mit Fokus auf eine mögliche Unternehmensansiedlung

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Inhalt

1      Vorwort

2      Einleitung

2.1      Entwicklung des neuen Flughafens BER

2.2      Der Flughafen BER kurz vorgestellt

2.3      Aufstellung einer These zur Ansiedlung am neuen Flughafen

2.4      Allgemeine Standortkriterien

2.5      Standortentscheidungen

2.6      Ermittlung von Standortfaktoren

3      Vorstellung des Standortes des neuen Flughafens BER

3.1      Die Region Berlin-Brandenburg

3.2      Die Airport Region im politischem Machtzentrum

3.3      Die Infrastruktur

3.4      Die Wissenschaft in der Airport Region

3.5      Die Wirtschaft in der Airport Region

3.6      Qualifizierter Arbeitsmarkt

3.7      Förderungsmöglichkeiten

3.8      Messen und Kongresse

3.9      Tourismus

3.10      Die Lebensqualität in der Airport-Region

3.11      Ausblick und Szenarien zur Unternehmensansiedlung

4      Empirische Untersuchung zu den Standortfaktoren

4.1      Fragebogen und Interviews

4.2      Auswertung der Fragebögen und Interviews

4.3      Ergebnisse im Detail

4.3.1      Verkehrsinfrastruktur

4.3.2      Technische Infrastruktur

4.3.3      Gewerbeflächen/-immobilien

4.3.4      Arbeitsmarkt

4.3.5      Steuern/ Abgaben

4.3.6      Verwaltung

4.3.7      Weitere Faktoren

4.3.8      Die wichtigsten Standortfaktoren der Unternehmen vor Ort

4.3.9      Die Standortfaktoren mit den höchsten Zufriedenheitswerten

4.3.10      Die größten Unterschiede zwischen Wichtigkeit und Zufriedenheit

4.3.11      Die Standortfaktoren mit den niedrigsten Zufriedenheitswerten

4.4      Swot Analyse

4.4.1      Stärken-Schwächen-Analyse

4.4.2      Chancen-Risiko-Analyse

4.4.3      Strategien aus der SWOT-Analyse

5      Fazit der Analyse

5.1      Kritische Auseinandersetzung mit der Befragung

5.2      Auswertung

6      Abbildungsverzeichnis

7      Literaturverzeichnis

8      Quellenverzeichnis

Vorwort

Das Thema des Buches lautet „Die Flughafenregion Berlin/Brandenburg (BER) - Eine Standortanalyse der Region um den Flughafen Berlin Brandenburg Willy Brandt mit Fokus auf eine mögliche Unternehmensansiedlung“. Es gibt aufgrund der Verzögerungen zur Eröffnung des neuen internationalen Flughafens immer wieder neue „negative“ Nachrichten vom Flughafen. Das öffentliche Interesse an dem Flughafen ist in der Region um Berlin sehr groß. Für Unternehmen bietet der neu geplante Flughafen neue Möglichkeiten, einen weiteren Standort an einem Flughafen zu gründen. Dazu soll mit diesem Buch der Standort näher betrachtet und unter dem Aspekt der vorhandenen Standortfaktoren tiefer analysiert werden.

Eine Grundlage dieser Untersuchung waren die Ergebnisse einer Umfrage unter den bereits angesiedelten Unternehmen und Investoren. Dafür wurde in einem ersten Schritt ein Fragebogen entwickelt, der wesentliche Standortfaktoren des Flughafens beinhaltet. Diese wurden im zweiten Schritt von den Unternehmen nach Wichtigkeit und Zufriedenheit bewertet. Dabei soll in dem Buch auch analysiert und bewertet werden, ob es für ein Unternehmen vorteilhaft sein könnte, sich am neuen Flughafen Berlin Brandenburg mit dem Beinamen „Willy Brandt“ und dem Kürzel BER niederzulassen. Es werden sowohl die allgemeinen Aspekte zur Standortauswahl betrachtet, als auch die spezifischen Faktoren des Flughafens. Es soll zum Beispiel untersucht werden, welche Vorteile und Nachteile der Flughafenstandort hat und welche Auswirkungen diese für ein Unternehmen haben könnten, sofern es sich an diesem Standort niederlässt. Zudem sollen sowohl die harten als auch die weichen Standortfaktoren beleuchtet werden.

Weiterhin soll der Flughafenstandort im Zusammenhang mit der Branchenanalyse betrachtet werden. Dies geschieht im Zusammenhang mit einer Stärken-Schwächen-Analyse, die aus den Ergebnissen der Befragung in vereinfachter Form erstellt wird (so genannte „SWOT“ –Strengths, Weaknesses, Opportunities, Threads– Analyse). Diese Standortfaktoren und die SWOT-Analyse sind möglicherweise für die Betreibergesellschaft des Flughafens interessant. Für Unternehmen, die sich zukünftig in einer Airport Region ansiedeln wollen, können die Resultate ebenso interessant sein, da für diese Unternehmen auch Flughäfen in Frankfurt oder gar im Ausland in Frage kommen würden.

Insgesamt soll der Standort in der Flughafenregion betrachtet werden. Der Schwerpunkt der Untersuchung liegt nicht darin, den Flughafenstandort mit anderen Flughafenstandorten zu vergleichen. Vielmehr soll dieses Buch für Unternehmen, die diesen Standort als möglichen Ansiedlungs- oder Investitionspunkt sehen, eine nützliche Hilfe darstellen. Dadurch können Unternehmensressourcen für die Analyse des Standortes gespart werden. So können anhand der ausgearbeiteten Faktoren, die Unternehmensanforderungen mit diesen verglichen werden. Auch können diese Ergebnisse genutzt werden, um Alternativstandorte neu zu bewerten. So wäre es möglich, dass aufgrund von sehr überzeugenden Faktoren des Flughafens BER oder gar anhand von fehlenden Informationen des Alternativstandortes die möglichen Standorte eingegrenzt werden können. Bei negativer Bewertung der Standortfaktoren könnten ebenso einige Standorte ausgeschlossen werden.


Einleitung

Die Bundesländer Berlin und Brandenburg und die Bundesrepublik Deutschland haben bereits in dem Flughafenkonzept von 1992 erkannt, dass die drei existierenden Flughäfen Tempelhof, Tegel und Schönefeld nicht die notwendigen Kapazitäten und die entsprechende Ausstattung haben, um den Luftverkehr für die Hauptstadtregion abdecken zu können (vgl. Bundestagsdrucksache 12/6547). Aufgrund dieser Erkenntnis sollte im Umland von Berlin ein neuer Großflughafen errichtet werden. Demzufolge mussten die Bundesländer Berlin und Brandenburg und der Bund als Betreiber der drei bestehenden und auch des zukünftigen Großflughafens Berlin Brandenburgs entscheiden, wo der neue Großflughafen gebaut werden soll. Zu diesem Zeitpunkt konnte niemand voraussehen, dass der Weg von der Idee bis zur Fertigstellung mehr als 20 Jahre dauern sollte.

2.1 Entwicklung des neuen Flughafens BER

Im Jahr 1992 hatten die drei Flughäfen Tegel, Tempelhof und Schönefeld einen Luftverkehr mit rund neun Millionen Passagieren zu bewältigen (vgl. Ministerium für Infrastruktur und Raumordnung des Landes Brandenburg, Nachtflugbedarf: S.5). Verschiedenste Luftverkehrsprognosen schätzen damals ein, dass das zukünftige Passagieraufkommen sehr viel höher sein würde, als die vorhandenen Kapazitäten der Flughäfen es ermöglichen könnten. Auch der Anstieg des Passagieraufkommens nach der Wiedervereinigung Deutschlands sprach sehr dafür, dass die Kapazitäten erweitert werden müssten. Das Land Brandenburg hatte bereits frühzeitig reagiert und mit dem Vorschaltgesetz zur Landesplanung und Landesentwicklungsprogramm vom 06.12.1991 (GVBI. S. 616)  die Initiative zur Neuordnung der bestehenden Flughafenstandorte ergriffen und so den Weg für den Neubau eines internationalen Flughafens geebnet. So wurde schon früh mit der Suche nach einem geeigneten Standort für den neuen Flughafen begonnen.

Die Prognosen für die möglichen zukünftigen Passagierzahlen sprachen sehr dafür, die bestehenden Flughäfen auszubauen bzw. neu zu gestalten (vgl. Bundestagsdrucksache 12/6547: S. 1f). Außerdem wurde mit einer Aufwertung des Flughafenstandortes Berlin zu einem dritten bedeutenden Knotenpunkt neben Frankfurt am Main und München gerechnet. Dies wurde untermauert durch Planungen der Lufthansa, hier eine neue Osteuropadrehscheibe einzurichten. Dem Flughafen BER wurden somit auch Drehkreuz-Funktionen im Asienverkehr zugeschrieben (vgl. Appenzeller 2011: S. 2). Ein wesentlicher Aspekt war es auch, dass Berlin als Bundeshauptstadt und Regierungszentrale einen entsprechenden Flughafen bekommen sollte. Dabei sollte neben den funktionellen Eigenschaften auch das Merkmal „Repräsentativität“ einen wichtigen Stellenwert einnehmen. Dieses Merkmal wurde später für den Protokollbereich des neuen internationalen Flughafens BER aufgegriffen. Hier gingen die Planungen der Bundesregierung nur für den Bereich des neuen Regierungsflughafens von einem Investitionsvolumen von 125 Millionen Euro aus (vgl. Schönball 2009). Für den gesamten Flughafen BER wurde der Finanzierungsbedarf auf ca. 2,8 Mrd. Euro geschätzt (vgl. Mitteilung Bundesrechnungshof 2011: S. 6f).

Im Juni 1993 wurde ein Raumordnungsverfahren (vgl. Berlin Brandenburg Stand der Antragsunterlagen) für Schönefeld Süd beantragt. Ebenfalls im Rennen um den Zuschlag für die Milliardeninvestitionen für den Großflughafen waren die Standorte Jüterborg Ost und Sperenberg. Die Berlin Brandenburg Flughafen Holding GmbH (mit den Ländern Brandenburg und Berlin und der Bundesrepublik Deutschland als Gesellschafter) hatte sich für diese drei Standorte aus einer Auswahl von insgesamt 93 Standorten entschieden. Um einen besseren Überblick zu bekommen, wurden diese drei Standorte im Raumordnungs-verfahren miteinander verglichen. Die Bundesregierung, der Berliner Senat und die Brandenburger Landesregierung setzten auf Schönefeld, um dort zu investieren und entschieden sich gegen die beiden anderen Standorte. Die Entscheidung fiel im Mai 1996 per Konsensbeschluss (vgl. Abgeordnetenhaus von Berlin, Drucksache 13/624). Mit diesem Konsens wurde mitunter beschlossen, dass die anderen beiden Flughäfen der Stadt Berlin-Tegel und Berlin-Tempelhof geschlossen werden, um so die Position des neuen Flughafens zu stärken.

Einer der Gründe für die Suche nach einem neuen Großflughafen für Berlin war, dass die Flughäfen Tegel und Tempelhof als nicht hinreichend ausbaufähig eingestuft wurden (vgl. Verordnung über den Landesentwicklungsplan Flughafenstandortentwicklung 2006: S 519). Ein weiterer Grund war deren unmittelbare Nähe zur Wohnbebauung. Der Fluglärm belastete die Anwohner sehr. Ein weiterer Ausbau der bestehenden Flughäfen hätte erhebliche Konflikte mit den Anwohnern hervorgerufen. Eine der Überlegungen war es auch, den Flughafen Tegel als Regierungsflughafen für die Bundesregierung, das Parlament und die weiteren Verwaltungseinrichtungen zu nutzen (vgl. Berliner Zeitung vom 23.03.2013). Diese Überlegung wurde jedoch verworfen, da der Flughafen Tegel allein durch den Regierungsflughafen nicht wirtschaftlich hätte betrieben werden können. Um eine höhere Auslastung und somit einen wirtschaftlichen Betrieb des Flughafens Tegel zu erreichen, hätte man dort wiederrum privaten Luftverkehr zulassen müssen. Dies hätte den neuen Großflughafen geschwächt, da die privaten Fluggesellschaften entsprechende Kapazitäten vom Großflughafen nach Tegel abgezogen hätten.

Im Planungsverfahren war man davon ausgegangen, dass der Flughafen komplett von privaten Investoren gebaut und betrieben wird (vgl. Dreher 1999: S. 6). Es hatten sich 20 Unternehmen und sieben Konsortien darum beworben, den Zuschlag für die Errichtung zu erhalten. Zunächst wurde 1999 ein Konsortium mit dem Baukonzern Hochtief beauftragt. Doch das Brandenburgische Oberlandesgericht hatte bei dieser Vergabe Verfahrensfehler festgestellt (vgl. OLG Brandenburg, Beschl. v. 03.08.1999 6 Verg 1/99). Daraufhin wurden Verhandlungen mit anderen Investoren aufgenommen. Bei einer Investorengruppe waren die Verhandlungen so weit fortgeschritten, dass diese eine Vereinbarung unterschrieben, mit dem Ziel den Flughafen bis 2008 fertig zu stellen. Doch da die betreffenden Investoren keine finanziellen Risiken tragen wollten, scheiterte auch dieser Privatisierungsversuch im Mai 2003 (vgl. Hellmich 2003). Nach den erfolglosen Privatisierungsversuchen wurde der Flughafen unter öffentlicher Regie gebaut. Im August 2004 erfolgte der Planfeststellungsbeschluss durch die Behörden. Sie genehmigten damit den Bau des Flughafens (vgl. Land Brandenburg Planfeststellungsbeschluss).

Nach einigen überstandenen juristischen Hürden fand im September 2006 der erste Spatenstich für den neuen Flughafen statt. Der Baubeginn des Terminals, der Betriebsstrassen und der Südbahn war ihm Jahr 2008. Im Oktober 2008 wurde der erste innerstädtische Flughafen geschlossen. Der Flughafen in Tempelhof stellte seinen Betrieb ein (vgl. Flughafen Berlin Brandenburg Historie 2008). Im Juni 2010 musste aufgrund der Insolvenz der Planungsgesellschaft und verschärfter Sicherheitsvorschriften der Eröffnungstermin vom November 2011 auf den 3. Juni 2012 verschoben werden (vgl. Flughafen Berlin Brandenburg Pressemitteilung vom 25.06.2010).

Die Deutsche Flugsicherung gab im September 2010 die Entwürfe für die Flugrouten für den neuen Flughafen bekannt (vgl. Schoelkopf in Berliner Morgenpost vom 06.09.2010). Es folgte daraufhin eine rege Diskussion in der Bevölkerung und der Presse. In Folge dessen wurden diese Routen nach weiteren Beratungen mit der Fluglärmkommission im Juni 2011 nochmals angepasst (vgl. Ministerium für Infrastruktur und Landwirtschaft: 78. Sitzung der Fluglärmkommission am 6. Juni 2011)1. Zusätzlich hat das Bundesverwaltungs-gericht im Oktober 2011 Nachtflüge in den Randzeiten bestätigt, so dass für den Flughafen nun auch die Flugzeiten feststanden (vgl. BVerwG 4 A 4000.09 vom 13.10.2011). Nach dem derzeitigen Stand sind reguläre Linienflüge in der Zeit von 0 bis 5 Uhr ausgeschlossen. Die offizielle Bekanntgabe der Flugrouten erfolgte im Januar 2012 (vgl. Flughafen Berlin Brandenburg Pressemitteilung vom 26.01.2012). Im weiteren Verlauf wurden sämtliche Klagen von Bürgern zum Planfeststellungsbeschluss vom Bundesverwaltungsgericht abgewiesen. Die Planung und die Flugrouten waren somit juristisch nicht mehr angreifbar.