cover

Alle Rechte, einschließlich das der vollständigen oder auszugsweisen Vervielfältigung, des Ab- oder Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten und bedürfen in jedem Fall der Zustimmung des Verlages.

Der Preis dieses Bandes versteht sich einschließlich

der gesetzlichen Mehrwertsteuer.

Das Grauen

Bereits beim ersten Mord hat FBI-Profilerin Maggie O’Dell einen entsetzlichen Verdacht, der sich bestätigt: Der Serienkiller Albert Stucky, aus dem Gewahrsam geflohen, tötet wieder. Die grausame Spur von gefolterten und ermordeten Frauen kommt immer näher – alle Opfer waren Maggie schon ein Mal begegnet. Als sie zusammen mit Agent R.J. Tully endlich mit dem Fall betraut wird, beginnt ein Wettkampf mit der Zeit, in dem Stucky ihnen stets einen blutigen Schritt voraus ist. Immer deutlicher tritt zutage, dass Stucky ein ganz bestimmtes Ziel verfolgt: Er will sehen, wie Maggie im Kampf gegen das Grauen zerbricht ...

Die Handlung und Figuren dieses Romans sind frei erfunden.

Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen

sind nicht beabsichtigt und wären rein zufällig.

Alex Kava

Das Grauen

Roman

Aus dem Amerikanischen von

Margret Krätzig

Titel der nordamerikanischen Originalausgabe:

Copyright © für die deutschsprachige Ausgabe by

Konzeption/Gestaltung: fredebold & partner gmbh, Köln

eBook-Herstellung und Auslieferung:
readbox publishing, Dortmund
www.readbox.net

www.mira-taschenbuch.de

PROLOG

Zentralgefängnis North Dade County,

Miami, Florida,

Halloween, Freitag, 31. Oktober

Del Macomb wischte sich mit dem Hemdsärmel den Schweiß von der Stirn. Der steife Baumwollstoff seiner Uniform klebte ihm am Rücken. Wie konnte es im Oktober nur so feuchtheiß sein?

Er war nördlich von Hope, Minnesota, aufgewachsen. Dort bildete sich bereits Eis an den Ufern des Silver Lake, und sein Daddy sah beim Schreiben seiner Predigten die letzten Schneegänse über sich hinwegziehen. Del schob sich die feuchten Strähnen aus der Stirn. Der Gedanke an Daddy erinnerte ihn daran, dass er sich die Haare schneiden lassen musste. Verrückt, an so was zu denken. Und noch verrückter, dass Gedanken an zu Hause immer noch mit Heimweh verbunden waren.

„Also, wer ist das verdammte Arschloch, für das wir heute Kindermädchen spielen?“

Die Bemerkung seines Partners schreckte Del auf. Benny Zeeks’ Ausdrucksweise ließ ihn zusammenzucken, und er blickte zu dem Exmarine mit der Tonnenbrust hinüber, um zu sehen, ob der es bemerkt hatte. Er war nicht scharf auf eine weitere Lektion von Benny, was nicht bedeutete, dass er nicht noch viel von ihm lernen musste.

„Die Jungs sagten, er heißt Stucky.“ Del fragte sich, ob Benny ihn gehört hatte, denn er wirkte abwesend.

Im Bezirksgefängnis von North Dade war Benny Zeeks so etwas wie eine Legende. Nicht nur, weil er ein Veteran mit fünfundzwanzig Dienstjahren war, sondern weil er den größten Teil dieser Zeit im Todestrakt gearbeitet hatte und sogar im X-Flügel, dem für Einzelhaft. Del hatte die Narben am Körper seines Partners gesehen, die er sich bei Rangeleien mit Häftlingen zugezogen hatte, die sich weigerten, in die sargähnlichen Isolationszellen zu gehen.

Er sah Benny die Hemdsärmel über die Unterarme hinaufschieben, ohne sie zu falten oder zu rollen, dabei kam eine der legendären Narben zum Vorschein. Sie zerteilte eine auftätowierte polynesische Tänzerin, die jetzt eine zackige rote Linie über dem Bauch hatte. Trotzdem konnte Benny die Figur noch tanzen lassen, indem er die Muskeln anspannte und ihren Unterkörper langsam, erotisch schwingen ließ, während der Oberkörper abgetrennt starr blieb. Die Tätowierung faszinierte Del, da sie ihn zugleich anzog und abstieß.

Sein Partner stieg auf der Beifahrerseite des gepanzerten Überführungsfahrzeugs ein und konzentrierte sich darauf, die schmalen Stufen zur Kabine hinaufzuklettern. Heute Morgen bewegte er sich langsamer als sonst. Del wusste sofort, dass sein Partner wieder einen Kater hatte, tat, als bemerke er es nicht, stieg auf der Fahrerseite ein und schnallte sich an.

„Wer, hast du gesagt, ist dieses Arschloch?“ fragte Benny und schraubte mit fleischigen Fingern den Deckel der Thermoskanne auf, begierig, an seinen Kaffee zu gelangen. Del hätte ihn gern darauf hingewiesen, dass Koffein sein Problem noch verschlimmerte, doch nach vier Wochen im Job wusste er es besser, als Benny Zeeks irgendetwas sagen zu wollen.

„Wir übernehmen heute die Tour von Brice und Webber.“

„Warum, zum Teufel?“

„Webber hat die Grippe, und Brice hat sich gestern Abend die Hand gebrochen.“

„Wie, zum Geier, bricht man sich die Hand?“

„Wie weiß ich nicht. Ich habe nur gehört, dass sie gebrochen ist. Ich dachte, dir missfällt die Monotonie unserer üblichen Route und der dichte Verkehr bis zum Gericht.“

„Ja, okay, ich hoffe nur, die Tour bringt nicht mehr Schreibkram mit sich.“ Benny rückte sich in Erwartung der befürchteten Änderung ihrer Routine unruhig zurecht. „Wenn das die Tour von Brice und Webber ist, heißt das, unser Arschloch muss rauf nach Glades, richtig? Die wollen ihn bis zu seiner beschissenen Verhandlung richtig fest wegsperren. Das heißt, er ist ein dicker Fisch, den sie nicht in unserem klapperigen Gefängnis lassen können.“

„Hector sagte, der Typ heißt Albert Stucky. Er meint, er ist gar nicht so übel, ziemlich intelligent und freundlich. Hector sagt, er hat sogar anerkannt, dass Jesus Christus sein Retter ist.“

Del spürte, dass Benny ihn mit finsterer Miene ansah. Er drehte den Schlüssel in der Zündung, ließ den Lieferwagen vibrierend anspringen und kurz anrollen, während er sich innerlich vor Bennys Sarkasmus wappnete. Als er die Klimaanlage aufdrehte, wehte ihnen ein Schwall heißer Luft entgegen. Benny griff hinauf und schaltete sie wieder aus.

„Lass dem Motor noch ein bisschen Zeit. Diese scheißheiße Luft im Gesicht fehlt uns gerade noch.“

Del spürte verlegene Röte auf den Wangen. Ob er jemals etwas tun konnte, das sein Partner anerkannte? Er schluckte seine Verärgerung, holte das Fahrtenbuch heraus und notierte Kilometerstand und Tankanzeige. Die Routinehandlung beruhigte ihn.

„Warte mal“, sagte Benny, „Albert Stucky? Ich habe im Miami Herald von dem Typ gelesen. Die Fiebies gaben ihm den Spitznamen ,der Sammler‘.“

„Fiebies?“

„Ja, FBI. Meine Fresse, Kleiner, kennst du dich denn gar nicht aus?“

Diesmal spürte Del seine Ohren rot werden. Er wandte den Kopf ab und tat, als blicke er in den Rückspiegel.

„Dieser Stucky“, fuhr Benny fort, „hat drei oder vier Frauen aufgeschlitzt und abgeschlachtet, und nicht nur hier in Florida. Wenn er der ist, den ich meine, ist er ein verdammter Scheißkerl von einem Killer. Wenn der zu Jesus Christus gefunden hat, dann nur, weil er auf Milde hofft, damit sein Arsch nicht auf dem elektrischen Stuhl gegrillt wird.“

„Menschen können sich ändern. Glaubst du denn nicht daran?“ Del warf Benny einen Seitenblick zu. Dessen Stirn war mit Schweißperlen bedeckt, und er starrte Del aus blutunterlaufenen Augen an.

„Scheiße, Kleiner. Jede Wette, du glaubst auch noch an den Weihnachtsmann.“ Benny schüttelte den Kopf. „Die schicken den Typen doch nicht bis zur Verhandlung ins Hochsicherheitsgefängnis, weil sie glauben, dass er zu seinem dämlichen Jesus gefunden hat.“

Benny wandte sich ab, sah aus dem Fenster und trank Kaffee. So merkte er nicht, dass Del erneut zusammengezuckt war. Bei so ketzerischen Reden war das ein Reflex für ihn wie das Kratzen eines Mückenstichs. Kein Wunder nach zweiundzwanzig Jahren mit einem Prediger als Daddy.

Del schob das Fahrtenbuch in die Seitentasche, legte den Gang ein und fuhr los. Im Seitenspiegel sah er das Gefängnisgebäude aus Beton. Die Sonne knallte in den Hof, wo mehrere Gefangene zusammenstanden, gegenseitig Zigaretten schnorrten und die Morgenhitze ertrugen. Wie sollten sie den Hofgang genießen, wenn es nicht den Hauch von Schatten gab? Er fügte diesen Punkt seiner geistigen Liste über unfaire Behandlung hinzu. In Minnesota hatte er zu den Aktivisten für Gefängnisreformen gehört. In letzter Zeit hatte er zu viel mit seinem Umzug und dem Eingewöhnen in ein neues Leben zu tun gehabt, um weiter mitzuwirken. Doch er machte eine Liste für die Zeit, wenn er es wieder konnte. Er wollte die Punkte Stück für Stück abarbeiten bis zu dem Vorhaben, den Isolationstrakt aufzulösen.

Als sie sich dem letzten Kontrollpunkt näherten, blickte er in den Rückspiegel und erschrak, da ihr Gefangener seinen Blick erwiderte. Mehr als stechende schwarze Augen, die ihn direkt durch den dick verglasten Schlitz ansahen, konnte er jedoch nicht ausmachen.

Trotzdem entdeckte Del etwas Beängstigendes in diesem Blick. Denselben Ausdruck hatte er vor vielen Jahren auf einer Reise mit seinem Vater erlebt. Sie hatten einen Verurteilten besucht, den sein Vater auf einem Treffen der Gefängnisgesellschaft kennen gelernt hatte. Während ihres Besuches hatte der Gefangene unvorstellbare Grausamkeiten gebeichtet, die er seiner Familie vor deren Ermordung angetan hatte – Ehefrau, fünf Kinder und sogar dem Hund.

Für Del war das ein traumatisches Erlebnis gewesen. Vor allem, mit welch bösartigem Vergnügen der Gefangene alle Einzelheiten berichtet und ihre Wirkung auf den Zehnjährigen beobachtet hatte. Genau diesen Ausdruck erkannte Del im Blick ihres Gefangenen wieder. Zum ersten Mal seit zwölf Jahren hatte er das Gefühl, dem schieren Bösen ins Auge zu schauen.

Er zwang sich, den Blick abzuwenden, und widerstand der Versuchung, erneut hinzusehen.

Nach dem letzten Kontrollpunkt fuhren sie auf den Highway. Sobald sie auf der Straße waren, entspannte Del sich. Er fuhr gerne, dabei konnte er nachdenken. Doch als er Benny mit einem Seitenblick streifte, schrak der aufgeregt aus seinen Gedanken hoch.

„Wohin zum Teufel fährst du? Die I-95 ist in der anderen Richtung.“

„Ich dachte, wir nehmen eine Abkürzung. Highway 45 hat weniger Verkehr, und es ist auch eine schönere Strecke.“

„Schön ist mir scheißegal!“

„Wir gewinnen etwa 30 Minuten. Wir liefern unseren Gefangenen ab, und haben eine halbe Stunde zusätzlich zum Lunch.“

Er wusste, dass sein Partner nichts gegen zusätzliche Mittagszeit hatte. Insgeheim hatte er gehofft, Benny damit zu imponieren, und spekulierte richtig. Benny lehnte sich in seinem Sitz zurück und schenkte sich einen Becher Kaffee ein. Del langte hinauf und drückte den Knopf der Klimaanlage. Diesmal strömte kühle Luft in die Kabine, und Benny belohnte ihn mit einem seltenen Lächeln. Endlich hatte er doch etwas richtig gemacht. Del lehnte sich entspannt zurück.

Sie hatten den Verkehr von Miami hinter sich gelassen und waren etwa eine halbe Stunde gefahren, als ein Poltern den hinteren Teil des Wagens erzittern ließ. Zuerst dachte Del, sie hätten einen Auspufftopf verloren, doch das Poltern hielt an. Es kam aus dem Wageninnern, nicht von unten.

Benny schlug mit der Faust gegen die Stahlabtrennung hinter sich. „Ruhe dahinten, verdammt!“

Er drehte sich um, um durch das schmale Glasrechteck zu sehen, das die Kabine vom Laderaum trennte. „Ich kann überhaupt nichts erkennen.“

Das Geräusch wurde lauter und ließ ihre Sitze vibrieren. Für Del klang es, als würden die Metallseiten des Wagens mit einem Baseballschläger bearbeitet. Lächerlich. Ausgeschlossen, dass der Gefangene etwas besaß, das auch nur entfernt einem Baseballschläger glich. Jeder Schlag ließ Benny zusammenfahren, so dass er sich die Schläfen hielt. Del blickte ihn an und sah bei jedem Faustschlag, den Benny gegen die Abtrennung machte, die polynesische Tänzerin auf seinem Arm ihre Hüften schwingen.

„He, hör auf damit!“ schrie Del und fügte dem Lärm von hinten, der ihm allmählich Kopfschmerzen bereitete, auch noch die Lautstärke der eigenen Stimme hinzu.

Offensichtlich war der Gefangene nicht ganz gefesselt und rammte sich mit dem Körper gegen die Wände des Wagens. Abgesehen davon, dass der Krach sie verrückt machte, konnte der Gefangene sich ernsthaft verletzen. Del wollte nicht dafür verantwortlich gemacht werden, wenn sie einen blutenden Mann ablieferten. Er ging vom Gas, lenkte den Wagen auf den Seitenstreifen des zweispurigen Highways und hielt an.

„Was zum Teufel machst du da?“ wollte Benny wissen.

„Wir können das nicht für den Rest der Fahrt dulden. Die Jungs haben ihn offenbar nicht eng genug gefesselt.“

„Warum sollten sie auch? Er hat doch Jesus gefunden.“

Del schüttelte nur den Kopf. Während er ausstieg, überlegte er, was er mit einem Gefangenen machen sollte, der einen Arm oder ein Bein aus den Lederfesseln befreit hatte.

„Immer langsam, Kleiner!“ schrie Benny hinter ihm her und kletterte aus der Beifahrerseite. „Ich kümmere mich um den Kerl.“

Benny brauchte einen Moment, um um den Wagen herumzugehen. Als er auf Del zukam, bemerkte der seinen schwankenden Gang.

„Du bist immer noch betrunken!“

„Einen Scheiß bin ich!“

Del griff in die Kabine, holte die Thermoskanne heraus und riss sie weg, als Benny danach greifen wollte. Er drehte die Kappe ab und roch sofort den Alkohol im Kaffee.

„Du Scheißkerl!“ Die Wortwahl erstaunte Del mindestens so sehr wie Benny. Anstatt sich zu entschuldigen, warf er die Kanne jedoch fort und sah sie an einem nahen Zaunpfosten zerschellen.

„Scheiße! Das war meine einzige Thermoskanne, Kleiner.“ Benny sah aus, als wolle er in den überwucherten Graben steigen, um die Einzelteile aufzusammeln. Doch dann wandte er sich ab und stapfte auf die Rückseite des Transporters zu. „Sorgen wir dafür, dass dieser Arsch Ruhe gibt.“

Das Schlagen ging weiter, lauter sogar, und der Transporter schwankte.

„Glaubst du dich dem gewachsen?“ fragte Del voller Zorn. Da er sich von Benny verraten fühlte, leistete er sich Sarkasmus.

„Ja, zum Teufel! Ich habe schon solche Ärsche zur Räson gebracht, als du noch an Mamas Brust genuckelt hast.“ Benny griff nach seiner Dienstwaffe und fummelte am Verschluss des Holsters herum, ehe er die Waffe freibekam.

Del fragte sich, wie viel Alkohol Benny Zeeks im Blut hatte. Ob er noch sicher zielen konnte? War die Waffe überhaupt geladen? Bisher hatten Brice und Webber die ganz harten Kriminellen nach Glades oder Charlotte transportiert, während er und Benny die kleinen Diebe und Wirtschaftskriminellen in die andere Richtung zum Gericht von Miami eskortiert hatten. Del löste den Riemen an seinem Holster. Ihm zitterte die Hand, der Knauf seiner Waffe fühlte sich klobig und fremd an.

Sobald er die Riegel an den Schlössern der schweren hinteren Türen zurückschob, hörte das Schlagen auf. Del sah Benny an, der mit gezogener Waffe neben ihm stand, und bemerkte sofort das leichte Zittern seiner Hand. Ihm wurde flau im Magen. Sein Rücken war so schweißnass wie seine Stirn. Schweißränder unter den Armen verunzierten die einst makellose Uniform. Sein Herz schlug so heftig gegen den Brustkasten, dass er sich fragte, ob Benny es in der plötzlichen Stille hörte.

Tief durchatmend, packte er den Türgriff fester, schwang die Tür auf, sprang zur Seite und gestattete Benny einen ungehinderten Blick ins dunkle Innere. Benny stand breitbeinig da, Arme vorgestreckt, die Waffe mit beiden Händen haltend, den Kopf leicht geneigt, jederzeit schussbereit.

Nichts geschah. Die Tür schlug ein paar Mal gegen die Seitenwand des Transporters. Das Geräusch von Metall auf Metall klang wegen der Stille auf dem leeren Highway besonders laut. Die Augen leicht zusammengekniffen, starrten Del und Benny ins Dunkel, um die Eckbank zu erkennen, auf der gewöhnlich die Gefangenen saßen, an dicken, aus Wänden und Dach ragenden Riemen gefesselt.

„Ach, du Schande!“ Del sah die Lederriemen durchschnitten von der Wand des Transporters baumeln.

„Was, zum Geier ...?“ murmelte Benny, als er sich langsam dem offenen Transporter näherte.

Ohne Vorwarnung flog eine große dunkle Gestalt auf Benny zu und stieß ihn samt Waffe zu Boden. Albert Stucky schlug ihm die Zähne ins Ohrläppchen wie ein tollwütiger Hund. Bennys Schrei paralysierte Del. Aufgelöst stand er da. Seine Gliedmaßen gehorchten ihm nicht. Sein Herz hämmerte, er konnte nicht atmen und nicht denken. Als er endlich den Dienstrevolver gezogen hatte, war Stucky schon wieder auf den Beinen und warf sich auf ihn. Im Kollidieren stieß er ihm etwas Scharfes, Glattes, Hartes in den Magen.

Schmerz explodierte in Dels Körper. Seine Hände erschlafften, die Waffe glitt ihm aus der Hand.

Er zwang sich, Albert Stucky anzusehen, und das Böse starrte zurück, kalt, schwarz, wie ein eigenständiges Wesen. Als er hinabschaute, sah er die große Hand immer noch den Dolch halten. Er blickte auf und sah Stucky lächelnd den Dolch tiefer rammen.

Del sank auf die Knie. Sein Blick verschwamm, als das Bild des großen Fremden sich in Einzelteile auflöste. Er sah den Transporter und einen ausgestreckten Benny. Alles begann sich zu drehen und zu verschwimmen. Dann stürzte er hart zu Boden. Sein schweißnasser Rücken zischte beim Kontakt mit dem heißen Beton, der jedoch nicht so brannte wie seine Eingeweide. Ein Feuer breitete sich vom Magen ausgehend im Körper aus und erfasste jedes Organ. Auf dem Rücken liegend sah Del die Wolken über sich hinwegziehen, strahlendes Weiß vor tiefem Blau. Die Morgensonne blendete, und doch war alles so schön. Warum hatte er nicht früher bemerkt, wie schön der Himmel war?

Hinter ihm zerriss ein einzelner Schuss die Stille. Del gelang ein schwaches Lächeln. Endlich. Er konnte ihn nicht sehen, doch der gute alte Benny, die Legende, hatte es wieder geschafft. Der Alkohol hatte ihn nur ein bisschen langsam gemacht.

Del richtete sich leicht auf, um den Schaden an seinem Magen zu begutachten. Verblüfft blickte er auf eine blutverschmierte Jesusstatue. Der Dolch, der seine Eingeweide auf den verwaisten Highway tröpfeln ließ, war ein Kruzifix aus Mahagoni. Plötzlich spürte er keinen Schmerz mehr. Das musste ein gutes Zeichen sein, oder? Vielleicht wurde alles wieder gut.

„He, Benny!“ rief er und legte den Kopf auf den Boden. Er konnte seinen Partner immer noch nicht sehen. „Mein Daddy wird das in seiner Predigt verwenden, wenn ich ihm erzähle, dass ich mit einem Kruzifix erdolcht wurde.“

Ein langer dunkler Schatten schob sich vor den Himmel.

Wieder blickte Del in diese leeren schwarzen Augen. Albert Stucky stand über ihm, groß, schlank, aufrecht, ein muskulöser Mann mit scharfen Zügen. Er erinnerte Del an einen Raubvogel, der mit angelegten Flügeln da hockt, den Kopf leicht zur Seite geneigt, abwartet, dass sein Opfer aufhört zu strampeln und sich in das Unvermeidliche ergibt. Plötzlich lächelte Stucky, als gefalle ihm, was er sah. Er hob Bennys Dienstwaffe und zielte auf Dels Kopf.

„Du wirst deinem Daddy gar nichts erzählen“, versprach er mit tiefer, ruhiger Stimme, „eher dem heiligen Petrus.“ Metall krachte in Dels Schädel. Ein greller Blitz wirbelte in einem Ozean aus Blau, Gelb, Weiß und schließlich ... Schwarz.

1. KAPITEL

Nordost Virginia,

(an der Grenze zu Washington, D.C.)

fünf Monate später – Freitag, 27. März

Maggie O’Dell wand und drehte sich, um bequemer zu liegen. Ihre Haut war schweißnass, und die Rippen taten ihr weh. Die stickige, abgestandene Luft im Zimmer machte das Atmen schwer. Sie ertastete im Dunkeln die Messingstehlampe, betätigte den Schalter – und nichts geschah. Verdammt! Sie hasste es, in Dunkelheit aufzuwachen, und sorgte in der Regel für eine Lichtquelle.

Ihre Augen gewöhnten sich nur langsam an das Dunkel. Blinzelnd suchte sie zwischen und hinter den Kartons, die sie den ganzen Tag gepackt hatte. Offenbar hatte Greg sich nicht die Mühe gemacht, nach Hause zu kommen. Seine geräuschvolle Heimkehr wäre ihr nicht entgangen. Gut, dass er nicht da war. Seine Temperamentsausbrüche würden nur die Möbelpacker verprellen.

Sie versuchte sich aus dem Liegesessel zu erheben und hielt inne, als ein scharfer Schmerz über ihren Bauch schoss. Sie griff danach, als könnte sie den Schmerz fangen und an seiner Ausbreitung hindern. Etwas Warmes, Klebriges durchfeuchtete ihr T-Shirt. Allmächtiger, was war denn nun los? Vorsichtig zog sie den Shirtsaum hoch und erkannte es trotz Dunkelheit. Sie fröstelte, und ihr wurde übel. Ein Schnitt verlief von unterhalb der linken Brust quer über den Bauch. Das Blut daraus durchnässte ihr T-Shirt und tropfte auf den Stoff des Liegesessels.

Maggie sprang auf, bedeckte die Wunde und presste das Shirt darauf, um die Blutung zu stoppen. Sie musste den Notarzt rufen. Wo, zum Kuckuck, war das Telefon? Wie hatte das geschehen können? Die Narbe war über acht Monate alt, und doch blutete sie so heftig wie am Tag, als Albert Stucky sie ihr beigebracht hatte.

Auf ihrer Suche stieß sie Kisten um. Deckel sprangen auf und verteilten Tatortfotos, Toilettenartikel, Zeitungsausschnitte, Unterwäsche, Socken und andere Utensilien über dem Boden. Alles, was sie so sorgfältig verpackt hatte, flog, rollte, schlitterte und krachte plötzlich zu Boden.

Dann hörte sie ein Wimmern.

Sie verharrte und hielt lauschend den Atem an. Ihr Puls schlug bereits zu heftig. Ruhig. Sie musste Ruhe bewahren. Langsam drehte sie sich um und lauschte erneut mit leicht geneigtem Kopf. Ihr suchender Blick schweifte über Schreibtisch, Kaffeetisch und Regal. Lieber Gott, wo hatte sie bloß ihre Waffe gelassen?

Schließlich entdeckte sie das Holster am Fuß des Sessels. Natürlich hatte sie es bei sich behalten, als sie sich schlafen legte.

Das Wimmern wurde lauter, ein hohes Weinen, wie von einem verwundeten Tier. Oder war das ein Trick? Maggie bewegte sich wieder auf den Sessel zu, der Blick schweifte wachsam umher. Jetzt nahm sie auch noch einen üblen Geruch wahr. Das Holster in der Hand, schlich sie auf Zehenspitzen zur Küche. Je näher sie kam, desto deutlicher wurde der Geruch. Es roch nach Blut. Der Gestank stach ihr in Nase und Lungen.

Leicht geduckt schlich sie durch die Tür. Obwohl vom Geruch gewarnt, japste sie vor Schreck. Eine Wand der mondhellen Küche war mit Blut bespritzt, und eine Blutlache schwamm auf den Keramikfliesen. Überall Blut auf den Arbeitsflächen, und es tropfte von den Geräten. Am Ende des Raumes stand Albert Stucky. Eine große, schlanke Gestalt, die sich über eine wimmernde kniende Frau beugte.

Maggie spürte ein Kribbeln im Genick. Wie, um alles in der Welt, war er in ihre Wohnung gekommen? Dennoch war sie nicht überrascht, ihn zu sehen. Hatte sie nicht sogar mit ihm gerechnet, ja, ihn geradezu erwartet?

Stucky riss den Kopf der Frau an den Haaren zurück und hielt ihr ein Messer an die Kehle. Maggie unterdrückte ein weiteres Japsen. Er hatte sie noch nicht bemerkt, und sie presste sich im Dunkeln an die Wand.

Langsam, nur die Ruhe! wiederholte sie im Geiste wie ein Mantra. Sie hatte sich auf diesen Augenblick vorbereitet, hatte sich seit Monaten davor gefürchtet und davon geträumt. Jetzt war nicht der Moment, vor Angst und Panik die Nerven zu verlieren. Sie lehnte sich gegen die Wand, um sicheren Stand zu haben, obwohl ihr Rücken schmerzte und die Knie zitterten. Aus diesem Winkel hatte sie eine gute Schussposition. Sie wusste, dass sie nur einen Schuss haben würde, mehr brauchte sie auch nicht.

Maggie versuchte die Waffe aus dem Holster zu ziehen. Es war leer! Wie konnte das sein? Sie fuhr herum und blickte suchend über den Boden. War sie heruntergefallen? Warum hatte sie es nicht bemerkt?

Plötzlich merkte sie, dass ihre Schreckreaktion sie verraten hatte. Als sie aufblickte, streckte die Frau flehentlich die Arme nach ihr aus. Doch Maggie sah an ihr vorbei, in die Augen von Albert Stucky. Der lächelte. Und in einer blitzartigen Bewegung schnitt er der Frau die Kehle durch.

„Nein!“

Maggie erwachte mit einem heftigen Schrecken und fiel fast aus dem Liegesessel. Sie tastete über den Boden, ihr Puls raste. Schweißgebadet fand sie das Holster, riss die Waffe heraus, sprang auf und schwang sie mit beiden Händen haltend hin und her, bereit, die gestapelten Kartons mit Kugeln zu durchsieben. Morgenlicht drang gerade erst in den Raum, reichte jedoch aus, ihr zu zeigen, dass sie allein war.

Sie ließ sich in den Sessel fallen. Die Waffe noch in der Hand, wischte sie sich den Schweiß von der Stirn und rieb sich zitternd den Schlaf aus den Augen. Immer noch nicht ganz überzeugt, dass sie nur geträumt hatte, zog sie den Saum ihres T-Shirts hoch, beugte sich vor und suchte den blutigen Schnitt auf dem Bauch. Ja, die Narbe war da, eine leichte Erhebung der Haut, aber nein, sie blutete nicht. Sie lehnte sich im Sessel zurück und fuhr sich mit einer Hand durch das wirre kurze Haar. Großer Gott! Wie lange musste sie noch mit diesen Albträumen leben?

Über acht Monate waren vergangen, seit Albert Stucky sie in einem leeren Lagerhaus in Miami in einen Hinterhalt gelockt hatte. Davor hatte sie ihn zwei Jahre lang verfolgt, seine Tatmuster und abartigen Verhaltensweisen studiert, Autopsien an den Leichen vorgenommen, die er hinterließ, und die bizarren Botschaften des Spiels entschlüsselt, das er mit ihr trieb. An jenem heißen Augustabend hatte er sie erwischt. Er hatte sie in die Falle gelockt und zusehen lassen. Töten wollte er sie nicht, sie musste nur zusehen.

Maggie schüttelte leicht den Kopf, um die Bilder der Erinnerung nicht aufkommen zu lassen. Was ihr gelang, solange sie wach war. Sie hatten Albert Stucky in jener blutigen Nacht im August geschnappt, und an Halloween war er aus der Haft entwischt. Ihr Boss, der stellvertretende FBI-Direktor Kyle Cunningham, hatte sie sofort aus dem Außendienst abgezogen. Sie gehörte zu den besten Profilern des FBI, und doch hatte Cunningham sie hinter den Schreibtisch verbannt. Er hatte sie ins Exil geschickt, um Vorträge bei Fortbildungsveranstaltungen von Polizei und Justiz zu halten. Als sei Langeweile ein Schutz vor diesem Verrückten. Ihr kam das Ganze eher wie eine Bestrafung vor, die sie nicht verdiente.

Maggie stand auf und ärgerte sich über ihre wackeligen Knie. Sie schlängelte sich durch das Kartonlabyrinth zum Schrank in der Ecke. Die Schreibtischuhr verriet, dass noch zwei Stunden Zeit blieben, bis die Möbelpacker kamen. Sie legte die Waffe beiseite, suchte im Schrank und förderte eine Flasche Scotch zu Tage. Sie schenkte sich ein Glas ein und bemerkte, dass ihre Hände ruhiger wurden und ihr Herzschlag fast wieder normal war.

Genau in dem Moment hörte sie ein Geräusch aus der Küche. Grundgütiger! Sie presste die Fingernägel in den Arm, spürte den Schmerz und fand keinen Trost in der Bestätigung, dass sie diesmal nicht träumte. Die Waffe in der Hand, versuchte sie ihren Puls zu beruhigen, der bereits wieder raste. Sie schlich an der Wand entlang zur Küche, lauschte und schnupperte. Das Greinen hörte auf, als sie die Tür erreichte.

Die Waffe mit beiden Händen vor der Brust, Finger am Anzug, machte sie sich bereit. Diesmal war sie vorbereitet. Sie atmete tief durch, schwang die Küchentür auf – und zielte direkt auf den Rücken von Greg. Der fuhr herum und ließ die soeben geöffnete Dose Kaffee fallen.

„Verdammt, Maggie!“ Er trug nur seidene Boxershorts. Sein gewöhnlich gut frisiertes blondes Haar stand in die Luft. Er sah aus wie gerade aus dem Bett gesprungen.

„Entschuldige.“ Sie gab sich Mühe, ihre kurzfristige Panik nicht in der Stimme anklingen zu lassen. „Ich habe dich letzte Nacht nicht heimkommen hören.“ Sie steckte die 38er Smith & Wesson so lässig in den hinteren Jeansbund, als gehöre das zu ihrem morgendlichen Ritual.

„Ich wollte dich nicht aufwecken“, presste er verärgert hervor und beseitigte bereits mit Handfeger und Kehrblech die Bescherung. Vorsichtig hob er die umgekippte Kaffeedose auf, um so viel Gourmetkaffee wie möglich zu retten. „Eines Tages, Maggie, wirst du mich versehentlich erschießen.“ Er hielt inne und sah zu ihr auf. „Aber vielleicht ist das dann kein Versehen.“

Seinen Sarkasmus ignorierend, ging sie an ihm vorbei, spritzte sich am Spülbecken kaltes Wasser in Gesicht und Nacken und hoffte, Greg bemerkte ihre zitternden Hände nicht. Aber eigentlich brauchte sie sich da keine Sorgen zu machen. Greg sah nur, was er sehen wollte.

„Tut mir Leid“, wiederholte sie mit dem Rücken zu ihm. „Das wäre nie passiert, wenn wir eine Alarmanlage hätten.“

„Die wir gar nicht brauchten, wenn du deinen Job aufgeben würdest.“

Sie war dieses ewige Streitthema endgültig leid. Mit einem Wischtuch fegte sie das Kaffeemehl von der Arbeitsplatte. „Ich habe dich auch nie gebeten, dass du deinen Beruf als Anwalt an den Nagel hängen sollst, Greg.“

„Das ist nicht dasselbe.“

„Mein Beruf als FBI-Agentin bedeutet mir ebenso viel wie dir deiner.“

„Mein Beruf bringt es nicht mit sich, dass ich aufgeschlitzt und fast umgebracht werde. Er veranlasst mich auch nicht, bewaffnet durch meine eigene Wohnung zu schleichen und fast meinen Partner zu erschießen.“ Mit heftigen Bewegungen verstaute er Handfeger und Kehrblech im Besenschrank.

„Na ja, ab heute ist das dann wohl kein Thema mehr“, sagte sie ruhig.

Er hielt inne, sah sie an, und seine grauen Augen wirkten einen Moment traurig, fast reuig. Dann wandte er den Blick ab und nahm das Wischtuch, das Maggie beiseite gelegt hatte. In langsamen, bewussten Bewegungen wischte er die Arbeitsplatte nach, als genüge sie selbst bei dieser kleinen Aufgabe nicht seinen Ansprüchen.

„Also, wann kommen die Jungs von United?“ fragte er, als planten sie einen gemeinsamen Umzug.

Sie sah auf die Wanduhr. „Um acht. Aber ich habe nicht United beauftragt.“

„Maggie, bei Umzugsfirmen muss man vorsichtig sein. Die ziehen dir das letzte Hemd aus. Du solltest wissen ...“ Er verstummte, als fiele ihm gerade ein, dass es ihn nichts mehr anging. „Wie du willst.“ Er begann die Kaffeemaschine zu füllen und löffelte das Mehl präzise abgemessen ein. Dabei presste er die Lippen zusammen, um die Schelte zurückzuhalten, die ihm auf der Zunge lag.

Maggie beobachtete ihn und prophezeite genau, was als Nächstes kam. Er würde den Behälter exakt bis zum Strich für drei Tassen füllen und sich hinabbeugen, um in Augenhöhe zu prüfen, ob die Linie auch genau getroffen war. Sie erkannte die übliche Routine und fragte sich, an welchem Punkt sie sich entfremdet hatten. Nach zehnjähriger Ehe gönnten sie einander nicht einmal mehr die Höflichkeit der Freundschaft. Stattdessen schien jede Unterhaltung zähneknirschend hervorgepresst zu werden.

Maggie wandte sich ab und ging in den leeren Raum zurück. Sie wartete und hoffte, dass Greg ihr nicht folgte. Nicht diesmal. Sie würde den Tag nicht überstehen, wenn er weiterhin schimpfte und schmollte oder schlimmer noch, darauf verfiel, ihr eine Liebeserklärung zu machen. Die wirkte bei ihr wie Messerstiche, besonders mit dem Nachsatz: „Und wenn du mich lieben würdest, würdest du deinen Job aufgeben.“

Sie kehrte zum Barschrank zurück, wo sie das Scotchglas abgestellt hatte. Die Sonne war kaum aufgegangen, und schon brauchte sie ihre tägliche Dosis an flüssigem Mutmacher. Ihre Mutter wäre stolz auf sie. Endlich haben wir doch noch etwas gemeinsam, dachte sie ironisch.

Sie trank und sah sich um. Wie konnte dieser Stapel Kartons die Summe ihres Lebens darstellen? Sie fuhr sich mit einer Hand über das Gesicht und spürte die Erschöpfung wie einen ständigen Begleiter. Wie lange war es her, dass sie eine Nacht durchgeschlafen hatte? Wann hatte sie sich das letzte Mal sicher gefühlt? Sie hatte es satt, sich zu fühlen, als treibe sie unaufhaltsam auf den Absturz zu.

Cunningham machte sich etwas vor, wenn er glaubte, sie beschützen zu können. Gegen ihre Albträume konnte er nichts tun, und gleichgültig, wohin er sie schickte, sie war nie außerhalb von Stuckys Reichweite. Sie wusste, dass Stucky sie irgendwann fand, auch wenn seit seiner Flucht bereits fünf Monate vergangen waren, ohne ein Zeichen von ihm. Vielleicht dauerte es noch einige Monate, aber er kam.

2. KAPITEL

Tess McGowan wünschte, andere Schuhe angezogen zu haben. Diese drückten, und die Absätze waren zu hoch. Während sie den gewundenen Plattenweg entlangging und so tat, als beachte sie die Blicke der Männer nicht, konzentrierte sie sich mit jeder Faser darauf, nicht zu stürzen. Als sie in ihrem schwarzen Miata vorgefahren war, hatten die Möbelpacker aufgehört, den LKW auszuladen. Sofaenden verharrten auf halber Höhe, Handkarren blieben halb gekippt, und Kisten wurden ignoriert, während die schwitzenden Männer in blauen Uniformen innehielten, um sie zu beobachten.

Sie hasste diese Aufmerksamkeit und wappnete sich innerlich vor einem anerkennenden Pfiff. Die andächtige Stille in diesem gepflegten Viertel hätte einen solchen Pfiff besonders obszön wirken lassen.

Das Ganze war lächerlich. Ihre Seidenbluse klebte an ihr, und ihr Haar war verschwitzt. Sie war keine umwerfende Schönheit. Bestenfalls hatte sie eine passable Figur, für die sie sich regelmäßig im Sportstudio quälte und ihre Gier nach Cheeseburgern bremste. Sie war alles andere als eine „Playboy-Schöne“. Warum also kam sie sich plötzlich vor wie nackt, obwohl sie einen konservativen Hosenanzug trug?

Das war nicht die Schuld der Männer. Nicht mal deren Blicke störten sie so sehr, als vielmehr der eigene Reflex, sich ihnen zu präsentieren. Diese ärgerliche Angewohnheit hatte sie aus ihrer schillernden Vergangenheit übernommen. Sie schien an ihr zu haftete wie Zigarettenrauch und Whiskeygestank. Die Erinnerung an Hits von Elvis aus der Musicbox in der Ecke, gefolgt von billigen Hotelzimmern, war noch sehr lebendig. Aber das war lange her, zu lange, um ihr jetzt noch zu schaden. Schließlich war sie dabei, eine erfolgreiche Geschäftsfrau zu werden.

Warum hatte die Vergangenheit noch einen solchen Einfluss auf ihr Leben? Wieso konnten ein paar indiskrete Blicke von Männern, die sie nicht mal kannte, sie aus der Fassung bringen, dass sie um ihr hart erarbeitetes Ansehen fürchtete? Ganz einfach, weil die Blicke ihr das Gefühl vermittelten, eine Betrügerin zu sein, die sich als jemand ausgab, der sie nicht war. Als sie die Eingangstür erreichte, hätte sie sich am liebsten umgedreht und wäre weggerannt. Stattdessen atmete sie tief durch und klopfte an die schwere, angelehnte Eichentür.

„Kommen Sie herein“, forderte eine Frau sie auf. Tess fand Maggie O’Dell an der blinkenden Schalttafel der neu installierten Alarmanlage.

„Oh hallo, Miss McGowan. Müssen wir noch einige Papiere unterschreiben?“ Maggie warf Tess beim Kodieren der Schalttafel nur einen kurzen Blick zu.

„Bitte nennen Sie mich einfach Tess.“ Sie wartete zögernd ab, ob Maggie ihr dasselbe Angebot der vertraulichen Anrede machte, war jedoch nicht erstaunt, als es ausblieb. Maggie O’Dell war keineswegs unhöflich, vielmehr schätzte sie eine gewisse Distanz. Tess verstand und respektierte das. „Nein, es gibt nichts zu unterschreiben. Ich wusste nur vom großen Umzug heute und wollte mich vergewissern, dass alles in Ordnung ist.“

„Sehen Sie sich um, ich bin gleich fertig mit Programmieren.“

Tess schlenderte vom Flur ins Wohnzimmer. Die Nachmittagssonne schien herein, und alle Fenster waren geöffnet, damit die aufgeheizte Luft durch eine kühle Brise ersetzt wurde. Tess wischte sich die unangenehm feuchte Stirn und beobachtete aus den Augenwinkeln ihre Kundin.

Maggie O’Dell war tatsächlich eine Frau, die bewundernde männliche Blicke verdiente. Tess wusste, dass sie etwa in ihrem Alter war, irgendwo Anfang dreißig. Aber ohne den sonst üblichen eleganten Anzug wäre sie auch als Studentin durchgegangen. In einem abgewetzten T-Shirt der University of Virginia und einer fadenscheinigen Jeans kam ihre athletische Figur gut zur Geltung. Sie besaß eine natürliche Schönheit, die man nicht künstlich erzeugen konnte. Die Haut war glatt und zart, und ihr kurzes schwarzes Haar glänzte, obwohl es völlig zerzaust war. Sie hatte ausdrucksvolle braune Augen und hohe Wangenknochen, um die Tess sie beneidete.

Tess wusste instinktiv, dass die Männer draußen es nicht wagen würden, Maggie mit derselben Ungeniertheit zu mustern, wie sie das bei ihr getan hatten, obwohl sie es vermutlich gerne wollten.

Diese Frau hatte etwas. Tess hatte es schon bei der ersten Begegnung bemerkt, ohne es genau beschreiben zu können. Vielleicht lag es an der aufrechten Körperhaltung oder dem gelegentlichen Ignorieren ihrer Umgebung. Ihr schien die Wirkung, die sie auf Menschen hatte, völlig gleichgültig zu sein. Eine Haltung, die Respekt erzeugte, nein verlangte. Trotz Designerkleidung und teurem Auto würde Tess diese überlegene Haltung nie besitzen. Bei aller Verschiedenheit hatte sie sich Maggie O’Dell sofort verbunden gefühlt, denn sie schienen beide sehr allein zu sein.

„Entschuldigung“, sagte Maggie, als sie sich zu Tess ans Gartenfenster gesellte. „Ich bleibe heute Nacht hier und wollte sicher sein, dass die Alarmanlage funktioniert.“

„Natürlich.“ Tess nickte lächelnd.

Maggie war bei allen angebotenen Häusern mehr an den Alarmanlagen als an der Wohnfläche oder dem Kaufpreis interessiert gewesen. Anfänglich hatte sie das dem Beruf ihrer Kundin zugeschrieben. Natürlich würden FBI-Agenten den Sicherheitseinrichtungen mehr Aufmerksamkeit widmen als normale Käufer. Doch dann war ihr eine vertraute Verletzlichkeit an Maggie aufgefallen, und sie hatte sich unwillkürlich gefragt, wovor die unabhängige, selbstsicher wirkende Agentin sich abzuschotten versuchte. Selbst als sie jetzt so nebeneinander standen, blickte Maggie O’Dell in den Garten, als suche sie einen unerwarteten Eindringling. Das war nicht der stolze Blick einer Hausbesitzerin auf ihren neuen Garten.

Tess sah sich im Raum um. Viele gestapelte Kisten, aber kaum Mobiliar. Vielleicht hatten die Möbelpacker erst damit angefangen, die schweren Sachen hereinzutragen. Sie fragte sich, wie viel Maggie aus der Eigentumswohnung, die sie mit ihrem Mann bewohnt hatte, mitnehmen konnte? Sie wusste, dass eine schwierige Scheidung lief – allerdings nicht von ihrer Kundin.

Ihre Kenntnisse über Maggie O’Dell hatte sie von einer gemeinsamen Freundin, Maggies Anwältin Teresa Ramairez. Teresa hatte sie Maggie als Maklerin empfohlen, und durch sie wusste sie auch von Maggies verbittertem Exmann, dem Anwalt. Von Maggie selbst wusste sie nur das, was für die geschäftliche Transaktion nötig war. Sie fragte sich ob Maggies Distanziertheit eine Berufskrankheit war, die sich aufs Privatleben auswirkte.

Die Distanz störte sie jedoch nicht. Gewöhnlich erlebte sie das genaue Gegenteil mit Kunden. Man vertraute sich ihr an wie einem Beichtvater. Die Arbeit einer Immobilienmaklerin hatte auch ein wenig von der einer Bardame. Vielleicht war ihre schillernde Vergangenheit gar keine schlechte Vorbereitung gewesen. Dass Maggie O’Dell ihr nicht das Herz ausschüttete, ging völlig in Ordnung. Sie nahm das nicht persönlich und konnte es gut nachvollziehen. Schließlich hielt sie es in ihrem Leben mit ihren Geheimnissen nicht anders. Je weniger man über sie wusste, desto besser.

„Haben Sie schon Ihre neuen Nachbarn kennen gelernt?“

„Noch nicht.“ Maggie betrachtete die Reihe riesiger Pinien, die das Grundstück wie die Mauer eines Forts säumten. „Nur die, der wir beide letzte Woche begegnet sind.“

„Ach ja, Rachel. Ich kann mich nicht an ihren Nachnamen erinnern, obwohl ich sonst ein gutes Namensgedächtnis habe.“

„Endicott“, half Maggie ihr mühelos aus.

„Sie schien sehr nett zu sein“, fügte Tess hinzu. Nach der kurzen Begegnung hatte sie sich allerdings gefragt, wie Spezialagentin Maggie O’Dell in dieser Nachbarschaft aus Ärzten, Kongressabgeordneten und Gelehrten mit ihren nicht berufstätigen, aber sehr statusbewussten Ehefrauen zurechtkam. Sie erinnerte sich an Rachel Endicott mit ihrem reinweißen Labrador beim Joggen in einem Designeranzug, teuren Laufschuhen, tadellos frisiert und keine Schweißperle auf der Stirn. Im Gegensatz dazu stand Agentin O’Dell hier in einem ausgeleierten T-Shirt, abgetragenen Jeans und einem Paar grauer Nikes, die schon vor einiger Zeit in den Müll gehört hätten.

Stöhnend kamen zwei Männer mit einem riesigen Schreibtisch mit Rolladenfächern durch die Haustür. Sofort richtete sich Maggies Aufmerksamkeit auf den Schreibtisch, der unglaublich schwer aussah und wahrscheinlich eine Antiquität war.

„Wo soll der hin, Ma’am?“

„Dort drüben, an die Wand.“

„Inne Mitte?“

„Ja, bitte.“

Maggie verfolgte das Unternehmen, bis das Stück sicher abgestellt war.

„So gut?“

„Perfekt.“

Beide Männer wirkten erfreut, der Ältere lächelte. Der Große, Schlanke vermied es, die Frauen anzusehen. Er ging leicht gebeugt, nicht vor Schmerzen, eher so, als schäme er sich seiner Größe. Sie lösten die Plastikbänder und -schließen von den vielen Fächern des Schreibtisches. Der große Mann prüfte die Schübe, stutzte plötzlich und riss die Hand zurück, als sei er gebissen worden.

„Ma’am ... wussten Sie, dass Sie das da drin haben?“

Sie ging zu ihm, sah in die Schublade und nahm eine schwarze Pistole heraus, die in einer Art Holster steckte.

„Tut mir Leid, die hier habe ich ganz vergessen.“

Die hier? Tess fragte sich, wie viele Waffen ihre Kundin besaß. Vielleicht war ihr Sicherheitsbedürfnis doch ein wenig übertrieben, selbst für eine FBI-Agentin.

„Wir sind gleich fertig“, sagte ihr der ältere Mann und folgte seinem Kollegen hinaus, als sei nichts Ungewöhnliches dabei, eine geladene Waffe zu finden.

„Haben Sie jemand, der Ihnen beim Auspacken hilft?“ Tess versuchte ihre Abneigung gegen Waffen zu verbergen. Nein, es war mehr als Abneigung, es war echte Angst.

„Ich habe ja nicht viel.“

Tess sah sich um, und merkte leicht verlegen, dass Maggie sie beobachtete. Sie fühlte sich ertappt, denn genau das hatte sie gedacht: Maggie hat wirklich nicht viel. Wie wollte sie dieses zweistöckige Haus im Tudorstil möblieren?“

„Es ist nur ... ich erinnerte mich, dass Sie erwähnten, Ihre Mutter lebt in Richmond“, versuchte Tess zu erklären.

„Ja, das stimmt“, bestätigte Maggie in einem Tonfall, der Tess verriet, dass es zu diesem Thema keine weiteren Auskünfte gab.

„Nun, dann überlasse ich Sie Ihrer Arbeit.“ Tess fühlte sich plötzlich befangen und hatte es eilig zu gehen. „Ich muss noch einigen Papierkram erledigen.“

Sie streckte ihr die Hand hin, und Maggie nahm sie höflich und mit erstaunlich festem Griff. Die Frau verströmte eindeutig Stärke und Selbstsicherheit. Aber wenn Tess sich nicht sehr täuschte, dann entsprang Maggies Wunsch nach Sicherheit einer tief sitzenden Furcht. Auf Grund der eigenen jahrelangen Erfahrung mit Verletzbarkeit und Angst hatte sie ein Gespür dafür.

„Falls Sie etwas brauchen, was auch immer, zögern Sie nicht, mich anzurufen. Okay?“

„Danke, Tess, das werde ich.“

Doch Tess wusste, sie würde es nicht tun.

Als sie aus der Einfahrt zurücksetzte, fragte sie sich, ob Spezialagentin Maggie O’Dell nur vorsichtig oder schon paranoid war, nur sorgfältig oder bereits besessen.

An der Ecke der Kreuzung bemerkte sie einen am Straßenrand geparkten Van. Sonderbar in dieser Gegend, wo die Häuser weit von der Straße zurücklagen und die Zufahrten so lang waren, dass mehrere geparkte Wagen Platz hatten.

Hinter dem Steuer saß ein Mann in Uniform mit dunkler Sonnenbrille, in eine Zeitung vertieft. Tess’ erster Gedanke war, wie eigenartig, beim Lesen der Zeitung eine Sonnenbrille zu tragen, zumal die Sonne in seinem Rücken sank. Im Vorbeifahren bemerkte sie das Firmenlogo auf der Seite des Van: „Northeastern Bell Telephone“. Sie wurde sofort argwöhnisch. Warum war der Typ so weit weg vom Standort seiner Firma? Plötzlich musste sie lachen. Vielleicht war die Paranoia ihrer Klientin ansteckend.

Kopfschüttelnd bog sie auf den Highway ab, ließ das stille Viertel hinter sich und fuhr in ihr Büro. Beim Gedanken an die stattlichen Häuser hinter riesigen Eichen und ganzen Armeen von Pinien hoffte sie, dass Maggie O’Dell sich endlich sicher fühlte.

3. KAPITEL

Maggie jonglierte die Kisten auf dem Arm. Wie üblich hatte sie eine mehr genommen, als sie sollte. An der Tür tastete sie nach dem Knauf, den sie nicht sehen konnte, ohne jedoch etwas abzustellen. Warum in aller Welt besaß sie so viele CDs und Bücher, wenn sie gar nicht die Zeit hatte, Musik zu hören oder zu lesen?

Die Möbelpacker waren nach einer gründlichen Suche nach einem fehlenden – oder wie sie sagten verlegten – Karton abgefahren. Dass der Karton noch bei Greg sein könnte, missfiel ihr. Noch mehr missfiel ihr, dass sie Greg deshalb anrufen und bitten musste, danach zu suchen. Er würde sie erinnern, dass sie auf ihn hören und die Firma United hätte beauftragen sollen. Wie sie Greg kannte, würde er den Karton, sollte er noch bei ihm sein, aus Zorn und Neugier öffnen. Sie stellte sich vor, wie er die Packstreifen abriss, als hätte er einen verborgenen Schatz entdeckt, was es für ihn ja auch war. Denn natürlich enthielt der fehlende Karton ausgerechnet die Dinge, die sie nicht gern von anderen durchwühlen ließ: ihr persönliches Tagebuch, Terminkalender und Erinnerungsstücke aus der Kindheit.

Sie hatte im Kofferraum ihres Wagens bei den wenigen Kisten gesucht, die sie selbst transportiert hatte. Das hier waren die Letzten. Vielleicht hatten die Möbelpacker den Karton wirklich nur verlegt. Sie hoffte es und versuchte sich keine Gedanken darüber zu machen. Es war zu ermüdend, vierundzwanzig Stunden am Tag auf der Hut zu sein und sich ständig über die Schulter zu sehen.

Sie stellte die Kartons auf dem Handlauf des Treppengeländers ab, stützte einen mit der Hüfte und rieb sich mit der freien Hand den verspannten Nacken. Zugleich schaute sie sich um. Herrgott, warum konnte sie sich nicht einfach entspannen und ihre erste Nacht im neuen Haus genießen? Warum konnte sie sich nicht auf einfache, dumme Alltäglichkeiten konzentrieren wie ihren unerwarteten Hunger?

Beim Gedanken an Pizza als Belohnung lief ihr wie auf Kommando das Wasser im Munde zusammen. Sie hatte schon lange keinen Appetit mehr gehabt. Dieser plötzliche Heißhunger war neu und musste genossen werden. Sie würde sich mit einer Salami-Peperoni-Käse-Pizza voll stopfen. Allerdings erst, nachdem sie mehrere Liter Wasser getrunken hatte.

Das T-Shirt klebte ihr am Leib. Ehe sie Pizza bestellte, würde sie schnell eine erfrischende Dusche nehmen. Miss McGowan – Tess – hatte versprochen, alle Formalitäten mit dem Wasser- und Elektrizitätswerk für sie zu erledigen. Sie hatte es nicht mehr überprüft, hoffentlich war alles in Ordnung. Sie verließ sich nur ungern auf andere, was in letzter Zeit aber unumgänglich gewesen war. Angefangen bei Möbelpackern über Immobilienmakler bis zu Anwälten und Bankiers hatte sie Hilfe in Anspruch nehmen müssen. Hoffentlich war das Wasser wirklich angestellt. Bisher hatte Tess jedoch alle Versprechen eingehalten. Es bestand fairerweise kein Grund, jetzt an ihr zu zweifeln. Tess hatte sich überhaupt sehr angestrengt, diesen eiligen Kauf glatt über die Bühne zu bringen.

Maggie rückte die Kisten auf die andere Hüfte und fand den Türknauf. Sie zog die Tür auf, manövrierte sich vorsichtig hindurch, doch trotzdem fielen ihr einige CDs und Bücher auf die Eingangsstufen. Sie blickte hinab und sah Frank Sinatra sie durch die zerbrochene Plastikhülle anlächeln. Greg hatte ihr die CD vor etlichen Jahren zum Geburtstag geschenkt, obwohl er wusste, dass sie Sinatra hasste. Dieses Geschenk war irgendwie symptomatisch für ihre gesamte Ehe gewesen. Die Erinnerung an den verbalen morgendlichen Schlagabtausch war noch ärgerlich frisch. Glücklicherweise war Greg früh zur Arbeit gefahren und hatte etwas von vielen Baustellen auf der Interstate gebrummelt.

Heute Abend würde er triumphieren, wenn er ihre Sachen in dem fehlenden Karton durchsehen konnte. Er würde das als sein Recht betrachten, zumal sie rein juristisch immer noch seine Frau war. Und mit ihm zu argumentieren, wenn er den Anwalt herauskehrte, hatte sie längst aufgegeben.

Der neue Lack ihres Parkettbodens glänzte im Nachmittagssonnenschein. Sie hatte im ganzen Haus nicht einen einzigen Teppich. Durch einen weichen Bodenbelag wurden Schritte zu leicht gedämpft.