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Über dieses Buch:

Lassen Sie sich entführen in einen italienischen Renaissancepalast des 16. Jahrhunderts … Die ebenso schöne wie schamlose Lucretia ist gelangweilt von ihrem Leben im Luxus. Da kommt ihr das zügellose Treiben des Karnevals genau recht – jede Nacht muss eine ihrer Zofen ihr eine unzüchtige Geschichte erzählen: Die Schilderungen der geheimen Gelüste liebeshungriger Männer, sinnlicher Frauen und frivolen Abenteuer eines Priesters lassen selbst Lucretia erröten. Doch ihr Hunger nach mehr ist geweckt – und tatsächlich gibt es sie, die eine verboten sündige Geschichte, die ihr die Sinne rauben wird …

Ein erotisches Feuerwerk: Ein Reigen an ebenso skandalösen wie prickelnden Erzählungen in der Tradition von Boccaccios »Decamerone«.

Über den Autor:

Giovan Francesco Straparola wurde vermutlich um 1480 in Caravaggio geboren und verstarb um 1558 in Venedig. Er gilt als einer der ersten Märchensammler Europas, der mit seinen zahlreichen Werken ein großes Publikum begeisterte und mit seiner bekanntesten Geschichtensammlung – »Ergötzliche Nächte« – Skandale und Zensur heraufbeschwor.

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eBook-Neuausgabe August 2018

Ein eBook des venusbooks Verlags. venusbooks ist ein Verlagslabel der dotbooks GmbH, München.

Die Originalausgabe erschien 1660 unter dem Titel Le piacevoli notti. Die deutsche Übersetzung wurde 1920 unter dem Titel Die Novellen und Mären der Ergötzlichen Nächte im Georg Müller Verlag veröffentlicht.

Copyright © der eBook-Neuausgabe 2018 venusbooks GmbH, München

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Titelbildgestaltung: Nele Schütz Design unter Verwendung von shutterstock/Guryanov Andrey

eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH (rb)

ISBN 978-3-95885-616-5

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Im realen Leben dürfen Erotik, Sinnlichkeit und sexuelle Handlungen jeder Art ausschließlich zwischen gleichberechtigten Partnern im gegenseitigen Einvernehmen stattfinden. In diesem eBook werden erotische Phantasien geschildert, die vielleicht nicht jeder Leserin und jedem Leser gefallen und in einigen Fällen weder den allgemeinen Moralvorstellungen noch den Gesetzen der Realität folgen. Es handelt sich dabei um rein fiktive Geschichten; sämtliche Figuren und Begebenheiten sind frei erfunden. Der Inhalt dieses eBooks ist für Minderjährige nicht geeignet und das Lesen nur gestattet, wenn Sie mindestens 18 Jahre alt sind.

Giovan Francesco Straparola

Ergötzliche Nächte

Erotischer Roman

venusbooks

VORREDE

In Mailand, der alten und ersten Stadt der Lombardei, reich an anmutigen Frauen, geschmückt mit stolzen Palästen und voller Überfluß an all den Dingen, die sich für eine ruhmreiche Stadt geziemen, wohnte Ottaviano Maria Sforza, erwählter Bischof von Loch, dem nach Erbrecht – als Francesco Sforza, Herzog von Mailand, gestorben war – die Herrschaft über den Staat nach Billigkeit zufiel. Aber infolge der Verwicklung der bösen Zeiten, des grausamen Hasses, der blutigen Schlachten und der unaufhörlichen Revolutionen in den Staaten begab er sich von dort fort und ging heimlich nach Loch mit seiner Tochter Lucretia, der Gemahlin des Giovan Francesco Gonzaga, des Vetters Federicos, Markgrafen von Mantua, und blieb dort einige Zeit. Als das die Seinen gemerkt hatten, verfolgten sie ihn, so daß er großen Schaden erlitt. Als der Unglückselige die Verfolgung seiner Verwandten sah und die schlechte Gesinnung gegen sich und die Tochter, die kurz vorher als Witwe zurückgeblieben war, nahm er die wenigen Schmucksachen und Gelder, die er besaß, und ging mit der Tochter nach Venedig. Dort fand er Ferier Beltramo, einen Mann aus hohem Geschlecht, von Natur gütig, liebenswürdig und edel. Von ihm wurde er mit seiner Tochter im eigenen Hause mit gebührendem Willkomm ehrerbietig empfangen. Weil aber der allzulange Aufenthalt in fremden Häusern meist Verdruß erzeugt, entschloß er sich nach reiflicher Überlegung, von dort abzureisen und anderswo eine eigene Wohnung zu finden. Daher bestieg er eines Tages mit der Tochter eine Barke und fuhr nach Morano. Als er dort einen Palast von wunderbarer Schönheit sah, der damals leer stand, betrat er ihn, und nachdem er die angenehme Lage, den geräumigen Hof, den herrlichen Bogengang, den lieblichen Garten voller lachender Blumen, reich an mannigfachen Früchten und strotzend von grünen Kräutern, betrachtet hatte, lobte er ihn aufs höchste. Und als er über die marmornen Treppen gestiegen war, sah er den prächtigen Saal, die anheimelnden Kammern und einen Altan über dem Wasser, der den ganzen Platz beherrschte.

Die Tochter, voller Entzücken über die liebliche und ergötzliche Lage, bat mit sanften und rührenden Worten ihren Vater so sehr, daß er ihr zu Liebe den Palast mietete. Darüber empfand sie sehr große Freude, weil sie morgens und abends vom Altan aus die schuppigen Fische sah, die in den klaren salzigen Wassern eilig in vielen Scharen schwammen, und wenn sie sie hin und her schießen sah, empfand sie großes Vergnügen. Und weil sie von jenen Damen, die ihr früher aufwarteten, verlassen war, wählte sie andere zehn, nicht weniger anmutig und schön, von deren Tugenden und löblichen Sitten zu erzählen zu weit führen würde. Von ihnen war die erste Ludovica, deren schöne Augen, glänzend wie lichte Sterne, allen, die sie betrachteten, nicht geringe Bewunderung einflößten. Die zweite war Vicenza, löblich an Sitten, schön an Gestalt und von gewinnendem Wesen, deren liebliches und zartes Gesicht jeden, der es betrachtete, mit erquickender Freude erfüllte. Die dritte war Lionara, die, obschon sie nach ihrer natürlichen Schönheit anders schien, doch so graziös und feingesittet war, wie keine andere. Die vierte war Alteria mit blonden Flechten, die in Treue und weiblicher Ergebenheit sich immerwährend dem Dienst der Herrin widmete. Die fünfte war Laurette, lieblich von Gesicht, aber ein bißchen aufbrausend, deren holdes und verliebtes Auge jeden in Ketten schlug, der sie aufmerksam betrachtete. Die sechste war Eritrea, die, wenn sie auch ein bißchen klein war, doch den anderen an Schönheit und Anmut nicht nachstand, denn sie hatte zwei schimmernde Augen, die mehr wie die Sonne leuchteten, einen kleinen Mund, eine weichgerundete Brust, und man fand nichts an ihr, was nicht des höchsten Lobes wert gewesen wäre. Die siebente war Cateruzza, Brunnetta zubenannt, die, überaus anmutig und liebenswert, mit ihren einschmeichelnden Worten nicht nur die Menschen in den Liebesgarten lockte, sondern sogar den höchsten Jupiter gezwungen hätte, vom hohen Himmel zu steigen. Die achte war Arianna, jung an Jahren, von verehrungswürdigem Angesicht, von ernstem Aussehen, geschmückt mit Beredsamkeit, deren göttliche Tugenden, von zahllosem Lobe begleitet, wie Sterne am Himmel verstreut widerstrahlten. Die neunte war Isabella, sehr klug, die mit ihren scharfsinnigen und lebhaften Worten alle Zuhörer zu Bewunderung hinriß. Die letzte war Fiordiana, klug und mit hohen Gedanken geziert, deren herrliche und tugendreiche Werke alle jene weit übertrafen, die man bei einer andern Frau jemals gesehen hatte. Diese schönen, anmutigen, jungen Mädchen dienten also zusammen und jede für sich der freigebigen Lucretia, ihrer Herrin.

Diese wählte zusammen mit ihnen noch zwei Matronen von ehrwürdigem Aussehen, von edlem Blut, von reifem Alter und vielen Tugenden, damit sie mit ihren guten Ratschlägen, die eine zur Rechten, die andere zur Linken, ihr immer zur Seite ständen. Die eine von ihnen war die Dame Chiara, die Gemahlin des Girolamo Guidiccione, eines ferraresischen Edelmannes, die andere die Dame Veronica, einst die Gemahlin von Santo Orbat, eines Cremesen aus altem und edlem Geschlecht.

Zu dieser anmutigen und ehrenwerten Gesellschaft kamen viele edle und gelehrte Männer, unter denen Casal aus Bologna, Bischof und Gesandter des Königs von England, der gelehrte Pietro Bembo, der Kavalier des erlauchten Herrn von Rodi, und der Mailänder Vangelista di Citadini, ein Mann von großen Geschäften, den ersten Platz nach der Herrin einnahmen. Nach ihnen waren da Bernardo Capello, unter den anderen ein großer Versmacher, der liebenswürdige Antonio Bembo, der Hausfreund Benedetto Trivigiano, der witzige Antonio Molino mit dem Beinamen Burchiella, der förmliche Ferier Beltramo und viele andere Edelleute, deren Namen alle aufzuzählen langweilig sein würde.

Alle diese oder doch die meisten von ihnen fanden sich fast jeden Abend im Hause der Herrin Lucretia ein und unterhielten sie mit anmutigen Tänzen, mit ergötzlichem Gespräch, mit Musik und Gesängen und vertrieben so, bald auf die eine, bald auf die andere Art, die eilende, flüchtige Zeit, worüber die edle Herrin mit ihren klugen Fräulein das höchste Vergnügen empfand. Unter ihnen war oft die Rede von einigen Problemen, die die Herrin allein erklären konnte. Und weil jetzt die letzten Tage des Karnevals, die den Vergnügungen geweiht sind, herankamen, befahl die Herrin allen bei Strafe ihrer Ungnade am folgenden Abend sich zur Versammlung einzufinden, damit sie Art und Ordnung festsetzen könnten, nach denen sie sich zu richten hätten.

Als nun die Dunkelheit der folgenden Nacht hereingebrochen war, kamen alle gemäß des ihnen gewordenen Befehles dorthin. Als sie sich alle ihrem Range entsprechend gesetzt hatten, begann die Herrin also zu sprechen: »Sehr geehrte Herren und liebenswürdige Damen. Wir sind hier versammelt nach altem Brauch, um das Programm festzusetzen für unsre anmutige und ergötzliche Unterhaltung, damit wir uns während dieses Karnevals, von dem uns nur noch wenige Tage bleiben, noch manche schöne Belustigung gönnen können. Jeder von euch also soll vorschlagen, was ihm am besten gefällt, und das, was den meisten gefallen wird, soll beschlossen werden.« Die Damen gleicherweise wie die Herren erklärten einstimmig, sie sollte alles bestimmen. Die Herrin, die sich mit dieser Aufgabe betraut sah, wandte sich zu der dankbaren Gesellschaft und sagte: »Da es euch gefällt, daß ich zu eurer Zufriedenheit die Ordnung, die innegehalten werden muß, festsetze, wünschte ich für meine Person, daß jeden Abend, solange der Karneval dauert, getanzt würde, dann, daß fünf Fräulein schön abgestuft ein Lied sängen, und jede von diesen fünf Fräulein, wie das Los fallen wird, soll irgendeine Geschichte erzählen und zum Schluß ein Rätsel aufgeben, das von uns allen gründlich zu lösen ist; und nachdem diese Gespräche zu Ende sind, wird jeder von euch nach Haus gehen, um zu ruhen. Aber wenn euch mein Vorschlag nicht gefällt, – ich bin gern bereit, mich nach euerm Wunsch zu richten –, soll jeder von euch sagen, was ihm am liebsten ist.«

Dieser Vorschlag wurde von allen sehr gelobt. Darauf ließ man ein kleines goldenes Gefäß bringen, und nachdem die Namen von fünf Damen dort hineingelegt waren, wurde als erster der der anmutigen Lauretta gezogen, die schamhaft errötend dem rosigen Frühmorgen glich. Dann gemäß der festgesetzten Ordnung war der zweite, der gezogen wurde, der Alterias, der dritte Cateruzzas, der vierte Eritreas, der fünfte Ariannas. Darnach ließ Lucretia die Musikinstrumente kommen und sich einen grünen Kranz bringen, den sie zum Zeichen der Herrschaft Lauretta auf das Haupt legte und befahl, daß am folgenden Abend mit dem Geschichtenerzählen begonnen würde. Dann mußte Antonio Bembo mit den andern zusammen tanzen. Er reichte, gehorsam dem Wunsche der Herrin, Fiordiana, in die er ein bißchen verliebt war, die Hand, und die anderen folgten seinem Beispiel. Als der Tag zu Ende war, gingen die Herren langsamen Schrittes und unter verliebtem Gespräch mit den Damen in ein Zimmer, wo Konfekt und köstlicher Wein stand, und die Damen und die Herren voller Heiterkeit gaben sich neckischer Unterhaltung hin. Nach diesen ergötzlichen Witzeleien nahmen sie Urlaub von der freigebigen Herrin und schieden alle mit herzlichem Dank.

Am folgenden Abend, als sich alle zu der hochachtbaren Gesellschaft zusammengefunden hatten und nach gewohntem Brauch einige Tänze ausgeführt hatten, gab die Herrin der anmutigen Laurette das Zeichen, mit dem Gesang und dem Geschichtenerzählen zu beginnen. Diese erhob sich, ohne ein anderes Wort abzuwarten, machte der Herrin und der Gesellschaft die gebührende Verbeugung und bestieg einen etwas erhöhten Platz, wo der schöne Stuhl mit Tuch und Seide geschmückt war. Sie ließ die vier erwählten Gefährtinnen kommen, und sie begannen mit engelsgleichen Stimmen zum Lobe der Herrin zu singen. Als die fünf Fräulein durch ihr Schweigen anzeigten, daß sie ihr Lied zu löblichem Ende gebracht hätten, ertönte Musik, und die anmutige Lauretta, der nach dem Lose der erste Platz dieser Nacht zufiel, begann, ohne eine andere Aufforderung der Herrin zu erwarten, folgendermaßen mit ihrer Geschichte, der in den folgenden ergötzlichen Nächten dann noch viele andere folgten.

I

Carlo d'Arimino liebt Theodosia. Sie liebt ihn aber nicht, weil sie ihre Jungfernschaft Gott geweiht hat. Und während Carlo sie mit Gewalt zu umarmen glaubt, umarmt er an ihrer Stelle Kochtöpfe, Kessel, Bratspieße und Besen. Er beschmutzt sich ganz und gar und wird von seinen eigenen Dienern gewaltig geprügelt.

Carlo von Arimino war ein kriegerischer Mensch, der nichts von Gott hielt und die Heiligen lästerte, ein Mörder, ein ganz verrohter Mensch, der sich jeder zügellosen Ausschweifung hingab. So groß waren seine Boshaftigkeit und seine Laster, daß er nicht seinesgleichen hatte. Er, der ein anmutiger und feiner Jüngling war, war heftig verliebt in ein ganz junges Mädchen, die Tochter einer armen Witwe, die, obschon sie Not litt und mit ihrer Tochter in großer Dürftigkeit lebte, doch lieber vor Hunger gestorben wäre, als eingewilligt hätte, daß ihre Tochter sündige. Das junge Mädchen Theodosia war über die Maßen schön und lieblich, von ehrbaren und feinen Sitten und voll erhabener Gedanken, und sie verbrachte mit gottgeweihten Übungen und Gebeten ihre Tage und achtete die zeitlichen Dinge für nichts.

Carlo, von zügelloser Liebe entflammt, bedrängte sie jeden Tag und glaubte an dem Tage, an dem er sie nicht sah, vor Schmerz sterben zu müssen. Sehr oft bemühte er sich um sie mit Schmeicheleien, Geschenken und Botschaften, um sie seinen Wünschen gefügig zu machen; aber all seine Mühe war umsonst, weil sie als verständiges und kluges Mädchen alles zurückwies und täglich Gott, bat, ihm seine unehrbaren Gedanken zu nehmen. Da nun der Jüngling seiner heißen Liebe, ja sogar seiner tierischen Raserei keinen Widerstand mehr entgegenzusetzen vermochte und bitteren Schmerz darüber empfand, von ihr, die er mehr als sein Leben liebte, verschmäht zu sein, beschloß er, komme was da wolle, sie zu rauben und sein begehrliches Gelüst zu stillen. Er fürchtete zwar Aufstand zu erregen und glaubte, daß ihn das Volk, das ihn sehr haßte, töten würde. Aber von seiner zügellosen Willkür fortgerissen und gleichsam zu einem tollen Hunde geworden, beschloß er, mit zweien seiner Diener, waghalsigen Menschen, sie zu rauben.

Eines Tages, als der Abend schon hereinbrach, nahm er seine Waffen und ging mit den beiden Dienern zum Hause des Mädchens. Er fand die Tür offen und befahl den Dienern, bevor er eintrat, gute Wache zu halten und, wenn ihnen ihr Leben lieb wäre, niemanden ins Haus und heraus zu lassen, bis er zu ihnen zurückgekehrt wäre. Die Diener, begierig, ihrem Herrn zu gehorchen, antworteten, sie würden nach seinem Willen tun.

Nun geschah es, daß Theodosia, ich weiß nicht wodurch, von dem Kommen Carlos vernommen hatte und sich ganz allein in eine armselige Küche einschloß. Als nun Carlo auf der Treppe des kleinen Hauses emporstieg, fand er die alte Mutter, die gar nicht wußte, wie er hinaufgekommen war, beim Spinnrad. Er fragte nach ihrer von ihm so begehrten Tochter. Als die ehrbare Frau den zügellosen Jüngling in Waffen sah und viel mehr geneigt, das Böse als das Gute zu tun, erschrak sie sehr, wurde blaß wie eine Tote und begann laut zu schreien. Aber da sie daran dachte, daß das nichts nützen würde, schwieg sie lieber und befahl ihre Ehre in die Hände Gottes, zu dem sie großes Vertrauen hatte. Sie nahm ihren Mut ein wenig zusammen, wandte sich zu Carlo und sprach so zu ihm: »Ich weiß nicht, mit welcher Gesinnung du hierher gekommen bist, Carlo. Wenn du hierher gekommen bist in einer guten Absicht, möge dir Gott, der uns alle beschützt, deinen billigen und gerechten Wunsch erfüllen, aber wenn es anders ist, was Gott nicht wolle, würdest du ein großes übel tun, wenn du mit Schmach das erlangen willst, was du niemals haben wirst. Enthalte dich doch dieses zügellosen Willens und nimm meiner Tochter nicht, was du ihr niemals zurückgeben kannst: ihre jungfräuliche Ehre. Je mehr du in sie verliebt bist, desto mehr haßt sie dich, da sie sich ganz einem keuschen Leben geweiht hat.«

Als Carlo die mitleiderregenden Worte der alten Frau gehört hatte, war er ziemlich bestürzt. Aber er ließ sich nicht zurückhalten, sondern er begann wie ein Narr das Mädchen überall im Haus zu suchen. Da er sie nicht fand, ging er endlich zu der kleinen Küche, wo sie sich eingeschlossen hatte, und dachte, daß sie wohl sicher darin wäre. Er sah durch einen Türspalt Theodosia im Gebet versunken und bat mit sanftesten Worten, zu öffnen.

»Theodosia, Leben meines Lebens, ich bin nicht gekommen, um deine Ehre zu beflecken, die ich mehr als mich selbst liebe und wie die meine achte, sondern um dich zum Weibe zu nehmen, wenn es dir und deiner Mutter recht ist, und ich werde den töten, der dir deine Ehre nehmen wollte.«

Theodosia, die aufmerksam die Worte Carlos gehört hatte, sagte ohne Zögern: »Carlo, laß ab von deinem hartnäckigen Wunsch. Du wirst mich niemals zum Weibe nehmen, weil meine Jungfrauschaft dem geweiht ist, der alles sieht und alles leitet. Und wenn du auch mir zum Trotz mit Gewalt meinen Körper befleckt hast, wirst du doch niemals meine reine Seele, die ich von meiner Geburt an meinem Schöpfer geweiht habe, beflecken können. Gott schenke dir Einsicht, damit du das Gute und Böse unterscheidest und so handelst, wie es am besten für dich ist. Folge dem Guten, daß du ein tugendhafter Mensch genannt werden kannst, und laß das Böse.«

Da nun Carlo bemerkte, daß seine Schmeicheleien nichts nutzten und er sich verschmäht fühlte, glaubte er der Flamme, die sein Herz verbrannte, keinen Widerstand mehr entgegensetzen zu können, wurde von noch größerer Wut als vorher ergriffen, sprach kein Wort mehr, sondern stieß die Tür, die nicht sehr fest und sicher war, auf, um seiner Lust nachzugehen. Als nun Carlo in die kleine Küche eintrat und das Mädchen voller Anmut und unaussprechlicher Schönheit sah, dachte er, von seiner Liebe bis zur Raserei fortgerissen, sein zügelloses Gelüst gänzlich zu stillen und warf sich auf sie, gerade wie ein begieriger und ausgehungerter Windhund auf den furchtsamen Hasen. Die unglückselige Theodosia aber, der die blonden Haare auf die Schultern gefallen waren, wurde, als er ihr das Kleid aufriß und ihren entblößten Busen packen wollte, blaß und schwach, so daß sie sich beinahe nicht mehr bewegen konnte. Sie hob das Gesicht zum Himmel und bat Gott um Hilfe.

Kaum hatte sie ihre Bitte beendet, als Theodosia durch ein Wunder verschwand und Gott Carlos Augen so verdunkelte, daß er nichts mehr erkannte, und während er das Mädchen zu berühren, zu küssen, zu umarmen und in seiner Gewalt zu haben glaubte, er nichts anderes berührte, umarmte und küßte als Töpfe, Kessel, Bratspieße und Besen und was man sonst in der Küche zu haben pflegt.

Als nun Carlo seinen zügellosen Willen befriedigt und seinen Liebesspeer an den Gerätschaften wundgestoßen hatte, wollte er noch einmal seine Liebesglut in einen Kessel ergießen. Als wenn es die weitgeöffnete Liebesgrotte der Theodosia gewesen wäre, stieß er in den Kessel hinein und wurde dabei so vom Ruß beschmutzt, daß er nicht Carlo, sondern der Teufel schien. Als er nun endlich sein Gelüst gestillt hatte, stieg er, schwarz wie er war, die Treppe hinab. Die beiden Diener, die Wache hielten, daß niemand hinein- und herausginge, sahen ihn mit so beschmutztem und beschmiertem Gesicht, daß er mehr einem Tier als einem Menschen glich. Da glaubten sie, er sei der Teufel oder irgendein Gespenst und wollten sich wie vor einem Ungeheuer davonmachen. Aber sie besannen sich eines bessern, und da sie ihn so garstig und häßlich fanden, schlugen sie ihn ordentlich mit ihren Stöcken und zerschlugen ihm mit ihren Fäusten, die von Eisen zu sein schienen, Gesicht und Schultern, und ließen auf seinem Kopf kein heiles Haar. Und nicht zufrieden damit, warfen sie ihn auf die Erde, zogen ihm die Kleider aus und gaben ihm Stöße und Schläge, so viel er nur aushalten konnte. Und so schnell schlugen die Diener zu, daß Carlo nicht den Mund aufmachen konnte und sie fragen, weshalb sie ihn so grausam durchprügelten. Endlich gelang es ihm aber doch, ihren Händen zu entwischen. Er floh, glaubte aber trotzdem, sie immer an seinen Fersen zu haben. Da nun Carlo von seinen Dienern ohne Kamm über alles Maß gekämmt worden war und ihm infolge der harten Schläge die Augen so blau und geschwollen waren, daß er nicht sah, lief er auf den Platz und rief und klagte laut über seine Diener, die ihn so mißhandelt hatten.

Als die Platzwache sein Geschrei und sein Klagen hörte, ging sie auf ihn zu, und da sie ihn so schmutzig und mit beschmiertem Gesicht fand, glaubte sie, es sei ein Verrückter. Und da Carlo von keinem erkannt wurde, begannen sie alle, ihn zu verspotten und zu verhöhnen.