Liebesgeschichten vom Franz

Der Franz liebt viele Menschen. Seine Mama und seinen Papa liebt er.

Seine Oma und seinen großen Bruder, den Josef, liebt er.

Die Gabi, die in der Wohnung nebenan wohnt, liebt er.

Den Eberhard Most, der mit ihm in die Klasse geht, liebt er.

Und dann liebt er noch drei Tanten.

Und weil die Mama, der Papa, die Oma, der Josef, die Gabi, der Eberhard, die drei Tanten den Franz auch lieben, hat der Franz mit der Liebe keine großen Probleme.

Liebe ist für Franz: wenn zwei einander sehr gernhaben und miteinander sehr glücklich sind.

(Ein bisschen streiten dürfen die zwei, die einander gernhaben, zwischendurch natürlich auch hin und wieder.)

1. Anna-Liese

Weil der Franz nur die glückliche Liebe kennt, tut ihm seit ein paar Wochen der Josef sehr leid. Der hat sich nämlich in die Anna-Liese verliebt. Auf den ersten Blick! Gesehen hat er sie, Herzklopfen hat er bekommen, eine Gänsehaut auf dem Rücken und Bauchziehen. Und gewusst hat er sofort: Dieses Mädchen liebe ich über alles!

Im Treppenhaus ist der Josef der Anna-Liese begegnet. Er ist die Treppe hinuntergerannt. Sie ist die Treppe nach oben gerannt. Richtig aufeinandergeprallt sind die beiden. Die Anna-Liese hat eine Mappe unter dem Arm gehabt. Die hat sie vor Schreck fallen lassen. Dann hat sie gerufen: „So pass doch auf, du Depp!“

Der Josef hat die Mappe aufgehoben und hat gesagt: „Entschuldigung!“

Die Anna-Liese hat ihm die Mappe aus der Hand gerissen und ist in den dritten Stock hinaufgelaufen.

Der Josef ist stehen geblieben.

Er hat gehört, dass das Mädchen an der Tür von der Frau Leidlich geklingelt hat. Die Frau Leidlich hat nämlich keine gewöhnliche Klingel, sondern eine, die „ding-dong-ding-dong“ macht. Dann hat er gehört, dass die Frau Leidlich sagte: „Na, da bist du ja endlich, Anna-Liese!“

Der Josef wollte eigentlich zu seinem Freund, dem Otto. Aber er hat kehrtgemacht und ist in die Wohnung zurückgegangen. Weil ihn die Liebe auf den ersten Blick so getroffen hat!

Die Mama und der Franz waren in der Küche. Sie weinten ein bisschen. Die Mama, weil sie Zwiebeln schnitt. Der Franz, weil er zu dicht bei der Mama saß.

Der Josef plumpste auf die Küchenbank. „Jetzt hat es geknallt“, sagte er.

„Wo?“, fragte die Mama und schnupfte hoch.

„In mir“, antwortete der Josef und erzählte von der Anna-Liese, vom Herzklopfen, vom Bauchziehen und der Gänsehaut.

„Soll vorkommen“, murmelte die Mama.

„Ich muss sie wiedersehen“, rief der Josef.

„Dann hock dich halt auf die Treppe und warte, bis sie wieder herunterkommt!“ Die Mama wischte sich Zwiebeltränen aus den Augen und lachte. Sie meinte es nicht ernst. Aber der Josef nahm es ernst.

Er setzte sich auf die Treppe und wartete. Allerhand dumme Bemerkungen von Nachbarn musste er über sich ergehen lassen.

Die Frau Berger sagte: „Dauernd verlierst du deinen Wohnungsschlüssel! Hast denn nur Stroh im Kopf?“

Der Herr Huber fragte: „Warst frech? Hat dich deine Mama rausgeworfen?“

Und die Frau Knitzwackel, die immer keifen musste, zeterte: „Ihr habt hier eine Wohnung gemietet, aber nicht das Treppenhaus!“

Nach einer Stunde endlich kam die Anna-Liese die Treppe herunter.