Zur Autorin:

Bereits mit elf Jahren schrieb Christie Ridgway ihren ersten Liebesroman. Der Held war ihr Teenageridol, die Heldin sie selbst. Inzwischen gehört sie zu den USA Today-Bestsellerautorinnen. Sie lebt in Kalifornien und verbringt ihre Freizeit am liebsten mit ihren Söhnen, ihren Hunden und ihrem Mann, in den sie sich schon auf dem College verliebte.

Christie Ridgway

Strandhaus Nr. 9

Der Sommer, der uns verband

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Ein Sommer wie ein Leben

MIRA® TASCHENBUCH

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1. Auflage: Januar 2017

Copyright © 2017 by MIRA Taschenbuch

in der HarperCollins Germany GmbH

Erste Neuauflage

Titel der nordamerikanischen Originalausgaben:

Beach House No. 9

Copyright © 2013 by Christie Ridgway

erschienen bei: HQN Books, Toronto

Bungalow Nights

Copyright © 2013 by Christie Ridgway

erschienen bei: HQN Books, Toronto

Published by arrangement with

HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.

Konzeption/Reihengestaltung: fredebold&partner GmbH, Köln

Umschlaggestaltung: Hafen Werbeagentur gsk GmbH, Hamburg

Umschlagabbildung: Africa Studio; shutterstock

Redaktion: Mareike Müller

ISBN eBook 978-3-95576-703-7

www.mira-taschenbuch.de

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eBook-Herstellung und Auslieferung:

readbox publishing, Dortmund

www.readbox.net

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten.

Der Preis dieses Bandes versteht sich einschließlich der gesetzlichen Mehrwertsteuer.

Alle handelnden Personen in dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen wären rein zufällig.

Christie Ridgway

Der Sommer, der uns verband

Roman

Aus dem Amerikanischen von Sonja Sajlo-Lucich

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Liebe Leserin, lieber Leser,

ein kalifornisches Mädchen möchte euch einladen, mit ihm an einen ganz speziellen kalifornischen Ort zu kommen … in eure eigene Hütte direkt am Strand. Wo der Pazifische Ozean an den Sand schwappt und eure nackten Füße mit seinen kühlen Wassern küsst. Der Schlüssel für Strandhaus Nr. 9 gehört euch. Schlagt die nächste Seite um, und schon seid ihr drin!

Es ist Jahre her, dass mir der Titel Strandhaus Nr. 9 in den Kopf schoss. Da ich jedoch mit anderen Dingen beschäftigt war, schrieb ich ihn auf einen Zettel, den ich dann an die Pinnwand in meinem Arbeitszimmer heftete. Dort hing er und wartete geduldig auf mich, bis ich von meiner Reise an der Küste entlang wieder zurückkehrte. Auf meiner Spritztour entdeckte ich eine wunderschöne Bucht, die mich zu der Crescent-Cove-Bucht in meiner Trilogie inspirierte. In den nächsten beiden Bänden werdet ihr mehr von der Nr.-9-Magie finden. Die Liebesgeschichten sind sexy und heiter, aber sicher wird auch die eine oder andere Träne fließen … was das Happy End dann umso schöner macht.

Jane Pearson, die Heldin in diesem Buch, ist alles, was ich an einer Frau bewundere und liebe. Sie ist talentiert, patent, und vor allem lässt sie sich nicht unterkriegen, auch nicht von einem umwerfend aussehenden, doch sensiblen Mann, der sein eigenes Päckchen zu tragen hat.

Griffin Lowell ist überzeugt, dass sie nicht die Richtige für ihn ist … Erlebt mit, wenn er herausfindet, wie falsch er damit liegt.

Und genießt den Sonnenschein!

Christie Ridgway

Für die Brüder in meinem Leben:

für meinen eigenen, meinen Mann und dessen

Bruder, für meine beiden Söhne.

Ich habe gesehen, was unter der harten Schale

liegt –

tief gehende Familienbande und kühne und

gleichzeitig gefühlvolle, zärtliche Herzen,

so wie jeder der Helden in meinen Geschichten

eines in sich trägt.

Jetzt stecken wir also bis zum Hals drin, und alles hat sich geändert, auch unsere Einstellung zum Leben.

Ernie Pyle

Pulitzer-Preisträger und Kriegsberichterstatter

Liebe lockt deine Seele aus ihrem Versteck.

Zora Neale Hurston

Schriftstellerin des zwanzigsten Jahrhunderts

1. Kapitel

Die salzhaltige Meeresluft sabotierte den Erfolg ihrer Mission, das wurde Jane Pearson schnell klar. Erstens begann sich ihr sonst glattes Haar zu kräuseln … was an sich vielleicht noch keine Katastrophe gewesen wäre, vermutete sie, als sie den mit zerbrochenen Muschelschalen bestreuten Pfad von der Küstenstraße hügelabwärts auf die pittoresken Strandhäuser von Crescent Cove zulief. Allerdings ruinierte die feuchte Luft zweitens auch den Sitz ihres Leinenkleids.

Zu Hause war ihr das Kleid mit den kurzen Ärmeln und dem hohen Kragen noch als die perfekte Wahl für ein wichtiges Geschäftstreffen an einem Juni-Nachmittag erschienen. Jetzt jedoch schwang der Stoff nicht mehr schmeichelnd um ihre Knie, sondern klebte an ihren Oberschenkeln. Sie fürchtete, bei ihrer Ankunft am Strandhaus Nr. 9 eher einem aufgeweichten Halloween-Geist mit struppigen nassen Haaren als einer nüchternen, sachlichen Karrierefrau zu gleichen.

Nun, auch egal, dachte sie. An ihrer Entschlossenheit konnte das nichts ändern. Trotz ihrer ramponierten Erscheinung würde sie nicht nachgeben, wenn sie erst dem Mann gegenüberstand, den sie hier zur Rede stellen wollte. Griffin Lowell hatte nicht auf ihre Anrufe reagiert – auf keinen einzigen der elf! –, und sie war nicht bereit, noch länger auf seine Antwort zu warten. Laut Aussage seines Agenten war der Autor mit dem Abgabetermin für seine Memoiren in Verzug. Jane war damit beauftragt worden, diesen kritischen Fall von Terminleugnung zu lösen und dem Schriftsteller dabei zu helfen, die Seiten seines Manuskripts in die richtige Form zu bringen. Es wurde höchste Zeit, endlich damit anzufangen.

Er brauchte sie.

Und du brauchst ihn, Jane, merkte eine kleine Stimme in ihrem Kopf an.

Sie ignorierte die unwillkommene Erinnerung und schaute sich stattdessen in der Gegend um. Nein, es war sicher keine Strafe, Crescent Cove besuchen zu müssen. Im Gegenteil, der Ort war eine äußerst interessante Entdeckung, noch dazu in diesem Teil Südkaliforniens, der für seine fantasielosen Bauprojekte berüchtigt war. Gleichförmige Wohnsiedlungen und Einkaufszentren schossen entlang des Highways wie beigefarbene Pilze aus dem Boden. Und was die roten Dachziegel aus Terrakotta anging … war eigentlich niemandem klar, dass man mit zu viel des Guten genau das Gegenteil erzielte?

Diese Strandkolonie hier dagegen wirkte wie aus einer anderen Zeit. Die ungefähr fünfzig unkonventionellen Bungalows und farbenfrohen Hütten waren Paradebeispiele traditioneller Strandarchitektur – das hatte sie irgendwo gelesen – und schmiegten sich an dem gut zwei Meilen langen Strandabschnitt an die Klippen. Alles machte einen heiteren, unbeschwerten Eindruck, abwechslungsreich wie die Bougainvillea, die hier wie Unkraut wucherten und deren Blütenfarben von hellstem Lachs bis zu tiefstem Scharlachrot reichten. Und all das wurde von dem nie endenden rhythmischen Wellenrauschen untermalt. Der Verkehrslärm des oberhalb vorbeilaufenden Highways wurde von einer Wand aus hohen Eukalyptusbäumen abgeblockt, deren an Hustensaft erinnernder Duft sich mit dem Geruch von Seetang, Sand und Ozean vermischte.

Ein schwarzer Labrador mit einem Batikhalstuch lief auf sie zu. Jane lächelte. Sie liebte Hunde, auch wenn sie nie einen besessen hatte. Als Kind war ihr Vater, der berühmte Wissenschaftler, der Meinung gewesen, Haustiere würden Kinder nur vom Lernen ablenken, und heute … Ihre Arbeitszeiten waren zu unregelmäßig, als dass sie sich um ein Haustier kümmern könnte.

„Hallo“, grüßte sie den Hund und streckte die Hand in seine Richtung aus. Er jedoch schlenderte einfach weiter und bog ohne einen Blick in ihre Richtung in eine Gasse zwischen den Häusern ab. Tja … noch ein männliches Wesen, das sich durch nichts von den eigenen Plänen abbringen ließ.

Sie ging weiter, näherte sich Nr. 9 von der Rückseite. Der Muschelweg führte bis an eine Doppelgarage, deren Tor in Meerschaumgrün gestrichen war. Einige Fahrräder lehnten an der mit dunkelbraunen Holzschindeln verkleideten Mauer. Sechs Autos parkten in der Nähe, die eine Hälfte Luxuslimousinen, die andere Hälfte in eher bedenklichem Zustand, aber alle hatten Dachgepäckträger, auf denen zwei oder mehr Surfboards festgezurrt waren, zwischen denen bunte Strandlaken steckten.

Hatte Griffin Lowell etwa Gäste? Bei dem Gedanken blieb Jane gute zwanzig Meter vor der Haustür abrupt stehen. Doch sicher nicht, oder? Sein Agent hatte ihr versichert, der Mann lebe wie ein Einsiedler, verweigere jeden Kontakt mit der Außenwelt, reagiere nicht auf Bitten um Rückrufe, ignoriere sowohl E-Mails als auch Textnachrichten sowohl von Freunden wie von der Familie. Jane konnte das aus eigener Erfahrung nur bestätigen.

„Bevor er sich in seine Tonne verkrochen hat und seither mit niemandem mehr kommuniziert, hatte ich ihm den Vorschlag unterbreitet, ihm jemanden zu schicken, der ihn bei seinem Buch unterstützt“, hatte Frank, der Agent, gesagt. „Und er hat sich einverstanden erklärt. Also machen Sie ihm Feuer unter dem Hintern, Jane. Und zwar richtig!“

Genau das hatte sie vor. In ihrem Job war sie exzellent, und nach der Katastrophe, in der ihr letzter Auftrag geendet war, hatte sie es bitter nötig, das zu beweisen.

Sie achtete sorgfältig darauf, dass ihre Peeptoe-Pumps mit dem halbhohen Absatz keine Schrammen abbekamen, während sie die nächsten Meter über den unebenen Muschelweg hinunterlief. Dann jedoch verharrte sie ein zweites Mal, atmete mehrmals tief durch und versuchte, die krausen Strähnen und den feuchten Leinenstoff ihres Kleids mit den Handflächen glatt zu streichen. Dass hier so viel auf dem Spiel stand, machte sie leicht nervös.

Ganz zu schweigen davon, dass sie auch noch auf diese Einsiedler-Geschichte Rücksicht nehmen musste. Griffin hatte ein Jahr lang mit den amerikanischen Truppen in Afghanistan zugebracht. Er musste Dinge gesehen und erlebt haben, die zweifelsohne Spuren bei ihm hinterlassen hatten – daher auch die Memoiren. Saß er etwa allein in der Hütte, den Blick starr auf den Ozean gerichtet, und grübelte düster über Gott und den Sinn der Welt nach? Bei der Vorstellung, in diese Szene hineinzuplatzen und seine Ruhe zu stören, wurde ihr noch mulmiger.

Du hast eine zweite Chance bekommen, Jane. Einen Rückzieher kannst du dir nicht leisten.

Mit diesem Mantra schaffte sie es immerhin bis zur Fußmatte vor der Tür. Die Matte sah aus wie eine Piratenflagge, und unter dem Totenkopf und den über Kreuz gelegten Knochen stand zu lesen: Ihr, die Ihr eintretet, lasset alle Hoffnung fahren.

Eine andere Frau hätte diese Warnung vermutlich zu den elf ignorierten Anrufen, ihren angespannten Nerven und ihrem ramponierten Aufzug hinzuaddiert und beschlossen, an einem anderen Tag wiederzukommen, um es mit dem Autor aufzunehmen. Jane aber reckte ihr Kinn und hob die geballte Faust an, um an die Tür zu klopfen.

Die wurde aufgezogen, noch bevor ihre Knöchel das Holz berührten. Ein Typ mit blonden Locken, barfuß und in gelben Surfshorts, starrte sie an. Aus dem Innern des Hauses drangen eindeutige Partygeräusche – Rap-Musik, laute Stimmen, das Klirren einer zu Boden fallenden Bierflasche, woraufhin jemand fluchte wie ein gestandener Seemann. Hinter dem Beachboy gingen zwei Frauen vorbei, die identische Jeans-Miniröcke und winzige Bikinioberteile trugen. Beide hatten langes, mit Strähnchen aufgehelltes, perfekt frisiertes Haar und hielten hohe Gläser mit bunten tropischen Cocktails inklusive Fruchtscheiben und Schirmchen in den Händen. Jane mit der struppigen Frisur und dem schlaff herabhängenden Kleid würdigten sie keines Blickes. Irgendwo in dem Raum rief jetzt eine männliche Stimme lachend: „Mann, bin ich besoffen. Voll, breit, absolut dicht …“, und ein anderer rief: „Hey, Brittany, wie wär’s, wenn wir uns ausziehen und endlich zur Sache kommen?“

Aha. Der Mann, mit dem sie es zu tun hatte, war definitiv kein Einsiedler.

Die Augenbrauen fragend hochgezogen, musterte sie den Surfer. „Griffin?“

„Nee, ich bin Ted. Wollen Sie was von ihm?“

„Ja.“ Sollte sie jetzt froh oder enttäuscht sein, dass Beachboy nicht der Mann war, den sie suchte? „Ist er zu sprechen?“ Könnte ja sein, dass er sturzbetrunken oder gerade mit Brittany beschäftigt war.

„Für Sie? Immer.“ Beachboy deutete mit dem Daumen über die Schulter. „Irgendwo da drinnen. Sie können ihn gar nicht verfehlen.“

Als sie an ihm vorbei über die Schwelle trat, brüllte der Typ in den Raum hinein: „Hey, Griffin, sieh nur! Der Getränkeladen nutzt jetzt kleine Bibliothekarinnen, um Chips und Schnaps auszuliefern!“

Auch wenn Ärger über den dummen Kommentar in ihr aufbrodelte … sie ignorierte ihn und schaute sich stattdessen um. Hier war definitiv eine Party in vollem Gange. Gut zwanzig Leute hatten sich in dem großen Wohnraum versammelt. An der einen Wand gab es einen offenen Kamin, ihm gegenüber lagen die gläsernen Schiebetüren, die auf die Veranda zum Ozean hinausführten. Da draußen hatte sich noch mehr Volk versammelt. Statt Rap begleitete ein Song von Jimmy Buffett Jane jetzt auf dem Weg durch die Menge. Sie überlegte, wie sie den Reporter „nicht verfehlen“ sollte. Er arbeitete für Zeitschriften und Magazine, im Fernsehen hatte sie ihn noch nie gesehen. Und auf dem Schwarz-Weiß-Foto von ihm, über das sie bei ihren Nachforschungen im Internet gestolpert war, war nur eine verschwommene Gestalt mit Soldatenhelm, Bomberjacke und verstaubter Sonnenbrille zu erkennen.

Für einen Moment verstummte die Musik, dann plärrte der Song wieder von vorn aus den Lautsprechern, gerade als Jane bei der Veranda angekommen war. Ihr Blick glitt nach rechts, angezogen von einem sich drehenden Mobile aus Treibholzstücken und ausgedienten Flip-Flops in den verschiedensten Farben. Unter diesem „Kunstwerk“ entdeckte sie ihn. Sie wusste nicht, weshalb sie so sicher war, doch sie hätte hundert Dollar darauf gewettet – die sie nicht hatte –, soeben Griffin Lowell gefunden zu haben.

In verwaschenen Cargo-Shorts, das Hawaiihemd offen stehend, lungerte er lässig zurückgelehnt auf einer Lederliege, die ihre beste Zeit längst hinter sich hatte. Zu beiden Seiten rahmten ihn vollbusige Bikini-Schönheiten ein. Er trug ein rotes Bandana wie ein Biker … oder besser, wie ein Pirat, denn an einem Ohr hing eine goldene Kreole, und auf beiden Seiten verdeckte eine Augenklappe seine Augen. Mit den Fingern umklammerte er eine Bierflasche, die er auf seinem durchtrainierten Bauch abgestellt hatte. Er schien zu schlafen. Oder vielleicht zu meditieren – falls Freibeuter so etwas taten.

Tief holte Jane Luft. „Griffin? Griffin Lowell?“

Seine freie Hand glitt zu seinem Schritt. Hektisch riss Jane den Blick los, doch dann wurde ihr klar, dass er nur in seine Tasche fasste. „Wie viel schulde ich Ihnen?“, brummte er. „Sie haben doch hoffentlich den Tequila mitgebracht, oder?“

„Und die Cherry Cola light“, meldete sich eine von den Bikini-Schönheiten. „Tequila trinke ich immer nur mit Cherry Cola light.“

Er verzog den Mund, wiederholte es dennoch. „Und die Cherry Cola light.“

Jane starrte den Mann kopfschüttelnd an. Es war schwer, überhaupt einen Eindruck von ihm zu bekommen, mit dem Bandana auf dem Kopf und diesen lächerlichen Augenklappen, die sein Gesicht halb verdeckten. Als sie genauer hinschaute, erkannte sie, dass auch das schwarze Plastik mit Jolly Roger verziert war. „Ich habe überhaupt nichts mitgebracht.“ Sie musste lauter sprechen, um die Musik zu übertönen. „Aber sagen wir es mal so: Sie schulden mir tatsächlich etwas, Griffin Lowell.“

Einen Moment stutzte er, dann schnellte die Rückenlehne der Liege vor und verscheuchte so die Bikini-Mädchen von den Armlehnen. Griffin streckte die Hand mit dem Bier aus, und eine von den beiden Bikinis nahm sie ihm ab. Jetzt hatte er beide Hände frei, um die Piratenverkleidung abzulegen: Ohrring, die beiden Augenklappen, dann das Bandana. Nun sah Jane ihn zum ersten Mal.

Großer Gott, dachte sie und schluckte.

Der Mann war unbestreitbar attraktiv. Das von der Sonne gebräunte Gesicht war ebenso schlank und kräftig wie seine Hände, die Züge markant, der Knochenbau sehr männlich. Dunkle Bartstoppeln bedeckten Wangen und Kinn, das Haar auf seinem Kopf war nicht viel länger, vielleicht nur einen Zentimeter. Und seine Augen … sie leuchteten aquamarinblau unter den dunklen Brauen hervor und musterten sie mit der Intensität eines Lasers. Reporter-Augen.

Zuerst schienen sie kalt zu glitzern, doch während sein Blick weiter über Janes Gesicht wanderte, über ihren Mund, den hochgeschlossenen Kragen, der ihr plötzlich zu eng schien und ihr die Luft abschnürte, weiter über ihr zerknittertes Kleid und zu den Knien, die nachgeben wollten, begann ihre Haut förmlich zu glühen. Zentimeter um Zentimeter errötete sie, es erinnerte sie an die Warnfeuer, die man früher angezündet hatte, um die Ankunft des Feindes zu signalisieren. Eine Kettenreaktion, um jeden – in ihrem Fall jede Nervenzelle – vorzuwarnen. Jane hatte allerdings auch gehört, dass Piraten diese Feuer ebenfalls genutzt hatten, um Schiffe in gefährliche Gewässer zu locken, wo sie auf Grund liefen und sanken.

Der Gedanke hätte sie erschaudern lassen sollen, stattdessen durchströmte sie eine neue Hitzewelle. Sie konnte tatsächlich fühlen, wie sich ihre Nackenhaare aufrichteten und sich zu Locken kräuselten, die sie noch nie in ihrem Leben gehabt hatte.

Sie räusperte sich – das war bestimmt besser, als sich verlegen den Nacken zu massieren. „Sie haben nicht auf meine Anrufe reagiert“, sagte sie streng. „Daher blieb mir nichts anderes, als persönlich zu kommen, um mich mit Ihnen über Ihr Buch zu unterhalten.“

Kaum hatte sie die Worte ausgesprochen, schien er sich zu verschließen und ließ sich wieder auf der Liege fallen. „Kein Interesse.“ Er streckte die Hand nach seinem Bier aus und leerte es in einem Schluck.

Jane ließ sich von seinem rüpelhaften Verhalten und den geschlossenen Augen nicht aufhalten. „Sie haben einen Vertrag für Ihre Memoiren unterzeichnet.“ Sie zwang sich, ihre Stimme freundlich klingen zu lassen. „Aber Sie müssen das nicht allein durchstehen. Deshalb bin ich hier – für Sie. Zu Ihrer Unterstützung.“

Als er jetzt die Lider hob, schaffte sie es sogar, aufmunternd zu lächeln. Erneut musterte er sie von Kopf bis Fuß. Unwillkürlich presste sie die Lippen zusammen. Innerlich krümmte sie sich. Als er wieder eindringlich auf ihren Mund starrte, biss sie sich auf die Unterlippe, um das seltsame kleine Wimmern zurückzuhalten, das in ihrer Kehle hochstieg. Und das ebenso bizarr war wie der ungewöhnliche Impuls, die Beine in die Hand zu nehmen und zu rennen, so weit sie konnte.

Du kannst dir einen Rückzieher nicht erlauben, Jane.

Diese kleine Stimme in ihrem Kopf hatte die gleiche Wirkung wie ein Eimer kalten Wassers. „Sie haben demnächst Manuskriptseiten abzugeben“, rief sie Griffin in Erinnerung. Sie hatte sich wieder im Griff. „Mich hat man damit beauftragt, Ihnen zur Seite zu stehen und zu helfen, dass Sie Ihre Fristen einhalten.“

Er legte den Kopf leicht schief, der Mangel an Begeisterung war ihm deutlich anzusehen.

Trotzdem fuhr sie fort: „In diesem Sinne stehe ich zu Ihrer vollständigen Verfügung und werde Sie mit allem versorgen, was Sie brauchen.“ Sie hatte die Erfahrung gemacht, dass manchmal auch ein Tritt in den geschätzten Autorenhintern dazugehörte – eine Vorstellung, die mehr und mehr an Reiz gewann.

„Ach, tatsächlich?“, fragte er und schaute sie träge an. „Das Einzige, was ich brauche, Engelchen, sind eine Flasche Tequila, noch ein Sixpack Bier und eine Nacht mit heißem Sex.“ Jetzt wackelte er anzüglich mit den Augenbrauen. „Was ist, haben Sie Lust?“

Jane konnte nicht mehr als ein ersticktes Schnauben ausstoßen, da rief jemand aus dem Haus nach ihm. Dann war er auch schon verschwunden und ließ Jane allein zurück mit einer leeren Liege und den beiden Bikini-Schönheiten.

„Wurde aber auch Zeit“, meinte die eine. „Ich hoffe, das ist jetzt die Cherry Cola light.“ Sie schlenderte davon, vermutlich, um nachzuschauen.

Die zweite Bikini-Schönheit lächelte Jane an – die es tatsächlich schaffte, zurückzulächeln. „Nette … äh … Party. Gibt es einen besonderen Anlass?“

Die junge Frau zuckte mit den Schultern. „Ist heute Dienstag?“ „Um genau zu sein … wir haben bereits Mittwoch“, antwortete Jane.

„Oh.“ Die andere massierte sich die Stirn. „Ich habe überhaupt kein Zeitgefühl mehr. Endspurt, Sie wissen schon …“

Musste man etwa spezielle Prüfungen ablegen, um die Sonnenbänke in Bräunungsstudios zu bedienen? „Sie sind Studentin?“

„Abschlussarbeit. Meeresbiologie.“ Dann brach sie in Gelächter aus. „Sie müssten mal Ihr Gesicht sehen! Nein, war nur ein Witz. Ich bin Kosmetikerin.“

In puncto Aussehen brauchte die junge Frau wohl niemanden, der ihr sagte, wo es langging. Sie war der Schmollmund-Typ mit ausladender Oberweite, der in Seifenopern mitspielte. Oder die Titelseiten der Maxim schmückte. „Besuchen Sie Griffin oft?“

„Das hier ist die Partyzentrale. Der Freund meiner Freundin geht mit ihm surfen, also feiern wir hier alle zusammen. Er scheint nichts dagegen zu haben.“

Was nur bestätigte, dass er nicht gerade konzentriert an seinem Manuskript arbeitete. Inzwischen hatte er wohl genug Zeit gehabt, um die Schnapslieferung anzunehmen, also entschuldigte Jane sich und machte sich auf die Suche nach ihm. Es dauerte eine Weile, bevor sie sich versichert hatte, dass er weder in der Küche noch in einem der Schlafzimmer war, auch nicht im Bad oder in der Garage, wo sich eine andere Gruppe Partygänger zu irgendeinem Trinkspiel um den aufgestellten Tisch versammelt hatte. Bei ihrem zweiten Rundgang durchs Haus stellte sie fest, dass er sich unbemerkt an ihr vorbeigeschlichen hatte. Mit geschlossenen Augen lümmelte er auf einer Liege in der Ecke der Veranda und hielt eine frische Flasche Bier in der Hand.

Davon ließ Jane sich jedoch nicht von ihrer Mission abbringen. Sie zog einen der Plastikstühle heran, setzte sich neben ihn und schob sich die krausen Strähnen hinter die Ohren. Er rührte sich nicht.

Sie räusperte sich und starrte ihn durchdringend an, aber auch das rief keine Reaktion bei ihm hervor. Nichts drang durch den Kokon, in den er sich zurückgezogen hatte. Vermutlich wäre es klug, einfach zu warten und ihn damit aus der Reserve zu locken, allerdings kannte auch ihre Geduld ihre Grenzen. Er hatte eine Frist einzuhalten und sie ihren Ruf wiederherzustellen.

Noch ein Räuspern. „Griffin.“

„Engelchen.“ Nur seine Lippen bewegten sich.

Geräuschlos mahlte sie mit den Zähnen. „Hören Sie. Sie haben Ihrem Agenten gesagt, dass Sie jemanden brauchen, der Ihnen mit dem Manuskript hilft. Deshalb bin ich hier, damit verdiene ich mir meinen Lebensunterhalt.“

Als er noch immer schwieg, wurde sie etwas lauter. „Ich bin Buchdoktor“, verkündete sie. „Ich heiße Jane.“

Das schien immerhin zu ihm durchzudringen, seine Augen öffneten sich kurz zu schmalen Schlitzen, und als er sie wieder schloss, zuckte einer seiner Mundwinkel in die Höhe. „Natürlich heißen Sie so.“

Seinen amüsierten Ton ignorierte sie, es war schließlich nicht das erste Mal, dass sie eine solche Reaktion erhielt. Sie sah auch aus wie eine Jane. Ihr einer Bruder Byron, ein ebenso ernster und anerkannter Wissenschaftler wie ihr Vater, ähnelte mit seinem dramatischen Aussehen tatsächlich seinem literarischen Namensgeber. Und der andere Überflieger, der ebenfalls ihr Bruder war, Philip Marlowe Pearson, könnte wirklich als hartgesottener Detektiv durchgehen, obwohl er in der medizinischen Forschung viel mehr daran interessiert war, DNS-Stränge zu identifizieren als Verbrecher. Und genau wie bei ihren Brüdern passte auch ihr Name zu ihrem Äußeren. Das schmutzig-blonde Haar, das hübsche, aber unauffällige Gesicht und die schlichten grauen Augen verrieten eigentlich schon alles – eine zurückhaltende, damenhafte Jane.

Wäre ihre Mutter nicht schon gestorben, als sie noch ein kleines Mädchen gewesen war, hätte sie sie wohl irgendwann gefragt, weshalb sie nicht einen exotischeren Namen für die einzige Tochter gewählt hatte. Würde sie vielleicht anders aussehen, wenn man sie Daisy oder Delilah genannt hätte?

Nichtsdestotrotz drängte sich Jane der Verdacht auf, dass Griffin Lowell sie auch dann ignorieren würde, wenn sie wie Scheherazade aussähe. Außerdem war er es, der Geschichten zu erzählen hatte. „Was nun Ihr Buch betrifft …“, begann sie.

„Darüber kann ich im Moment nicht sprechen.“

„Wieso? Sie haben doch gerade Zeit.“

Noch immer waren seine Augen geschlossen. „Ich habe Gäste.“

„Die längst ihre Cola light bekommen haben“, merkte sie spitz an. Unverständlich, weshalb sie so verärgert war, nur weil sie die andere Frau jetzt am gegenüberliegenden Ende der Veranda erblickte. Die Schönheit beugte sich vor, um sich ein paar Sandkörnchen von der Wade zu wischen, und fast hätten die winzigen Dreiecke ihres Bikinioberteils die vollen Brüste nicht mehr gehalten.

„Es scheint nicht, als müsste sie auf ihr Gewicht achten, oder?“ Die Augen jetzt weit offen, schaute er in die gleiche Richtung wie Jane.

„Dazu habe ich keine Meinung“, sagte sie spröde.

Er schnaubte. „Sie klingen sogar wie eine Gouvernante.“

Sie lächelte schmal. „Das ist bei meiner Arbeit durchaus hilfreich.“

„Meinen Sie?“ Er verschränkte die Arme vor der Brust und schlug die Beine an den Knöcheln übereinander – die verkörperte Nonchalance. „Ich glaube eher, Sie hätten mehr Erfolg, wenn Sie lockerer wären. Warum suchen Sie sich nicht im Haus einen Badeanzug und holen sich einen Drink? Dann reden wir.“

Sie kniff die Augen zusammen. Für den Moment würde sie vorgeben, mitzuspielen. „Und Sie sind noch hier, wenn ich zurückkomme? Kann ich mich darauf verlassen?“

Er wandte das Gesicht ab. „Machen wir einen Termin für nächste Woche aus.“

Ja, sicher. Nachdem sie ihn jetzt gesehen hatte und wusste, wie er hauste, würde sie ihm keinen Zentimeter Freiraum mehr lassen. Er wollte sich nur herauswinden. Sein Agent hatte völlig recht: Der Mann verweigerte sich. „Sie müssen sofort mit der Arbeit anfangen, Griffin, sonst können Sie den Abgabetermin nicht halten. Die erste Hälfte hat bis zum Ende des Monats vorzuliegen.“

Er ignorierte die Bemerkung und studierte angelegentlich das Etikett auf der Bierflasche. „Buchdoktor also, was? Sind Sie mit Vokabular und Grammatik vertraut?“

„Natürlich. Aber meine Arbeit besteht aus mehr als nur …“

„Sind Sie wirklich vom Fach?“, fiel er ihr ins Wort. „Können Sie humulus lupulus buchstabieren? Wissen Sie, was es mit saccharomyces uvarum auf sich hat?“

Sie mühte sich um Geduld. „Solange Sie keine Abhandlung über das Bierbrauen schreiben wollen, über Lager im Besonderen, wird wohl keiner dieser Begriffe auftauchen, oder?“

Er stutzte kurz, dann schüttelte er den Kopf. „Fein. Reden wir über Interpunktion, zum Beispiel Kommas …“

„Kommas oder Kommata, beides ist zulässig. Und die feinen Unterschiede, die Journalisten von Autoren unterscheiden, sind mir ebenfalls bewusst.“

„Aber …“

Sie ließ sich nicht von ihm unterbrechen, sondern fachsimpelte eine Weile und verblüffte ihn mit ihrem Wissen. „Habe ich den Test bestanden?“ Sie wartete auf seine Antwort.

„Hören Sie …“ Er wirkte plötzlich erschöpft. „Ich will einfach nur in Ruhe gelassen werden.“

Sie sah sich um, erfasste das dürftig bekleidete, junge und schöne Strandvolk, das sich auf seiner Veranda tummelte und den Spirituosen frönte, während die Sonne am Horizont langsam im Meer versank. „Ihr Bedürfnis nach Ruhe und Frieden wäre vielleicht etwas glaubhafter, wenn Sie nicht inmitten so vieler Menschen hockten und Ihre Gäste Ihr Haus nicht als ‚Partyzentrale‘ bezeichnen würden.“

In seinen Augen funkelte es auf. „Das geht Sie nichts an.“

Hoppla. Sicher, dass sie und ihre Klienten immer einer Meinung waren, war eher nicht zu erwarten, aber unverhohlener Feindseligkeit war sie bisher noch nie begegnet. Die würde ihre Arbeit auch nur unnötig erschweren. Also rutschte sie mit ihrem Stuhl näher an ihn heran und drehte sich so, dass sie ihm direkt gegenübersaß. „Griffin …“, begann sie und legte ihm, wie jede gute Gouvernante es mit ihrem trotzigen Schüler machen würde, die Hand auf den Oberschenkel.

In diesem Moment passierte etwas Seltsames: Ein elektrischer Funke sprang über und lief ihren Arm hinauf. Ihre Blicke trafen sich, wichen einander hastig aus und schienen miteinander zu verschmelzen. Jane fühlte sich wie gelähmt, als ein neuerlicher Stromstoß durch ihren Arm schoss, sie war unfähig, sich zu bewegen, starrte Griffin noch immer an. Und es verwirrte sie zutiefst. Das andere Geschlecht rief keine solch starken körperlichen Reaktionen bei ihr hervor. Nie. Bisher war sie immer der Meinung gewesen, dass sie über solchen Dingen stand. Es waren Geist und Verstand, die sie an einem Mann interessierten, nicht die Tatsache, dass er … dass er ein Mann war.

„Griff“, rief jemand, dann noch einmal lauter. „Hey, Griff!“

„Was?“ Er rührte sich nicht, Jane immer noch tief in die Augen schauend.

„Sammy springt jetzt“, verkündete die Stimme.

„Schön. Er soll sich vor den Felsen in Acht nehmen“, erwiderte er tonlos.

„Er sagt, er will deinen Rekord brechen. Er behauptet, er schafft es.“

Griffin zuckte zusammen. Die Bewegung riss auch Jane aus ihrer Starre, hektisch zog sie ihre Hand zurück. Mit einem Ruck wandte Griffin den Kopf zu dem Mann, der neben ihnen aufgetaucht war. „Was meintest du?“

Es war Beachboy, der, der die Tür geöffnet hatte. Ted. Mit ausgestrecktem Arm zeigte er zum Südende der Bucht. Jane entdeckte eine Handvoll Gestalten, die die Klippen hinaufkletterten. „Sammy sagt, er springt von einer Stelle, die zwei Meter höher liegt als die, von der du zuletzt gesprungen bist.“

Griffin warf einen Blick über die Schulter. „Sammy ist betrunken.“

Beachboys Locken hüpften, als er nickte. „Deshalb redet er ja auch solchen Blödsinn. Aber ich glaube, er meint es ernst. Dieses Mal will er dich unbedingt schlagen.“

„Mich schlagen? Von wegen!“ Abrupt erhob sich Griffin und schwang sich über das Geländer auf den Sand. „Halte deine Kamera bereit“, wies er den anderen Mann an, riss sich das Hemd vom Körper und rannte los.

Jane wurde klar, dass sie zu viel Zeit mit britischen Majoren und Akademikern verbracht hatte. Die zogen Golf und Einkaufsbummel auf dem Biobauernhof vor. Die stürzten sich nicht in schäumende Wellen und kletterten auch keine Klippen hinauf, wobei man ein faszinierendes Muskelspiel zu sehen bekam. Die stießen keine lauten Urschreie aus und ließen sich von einem Felsvorsprung in die Brandung fallen.

Doch gleich mehrere von Griffins Partygästen taten jetzt genau das, und zwar aus verschiedenen Höhen. Jane stellte fest, dass sie den Atem anhielt, während sie beobachtete, wie einer nach dem anderen in die Tiefe sprang. Ihre erste Reaktion wäre mit einem Wort wohl am besten zusammengefasst: Wozu? Allerdings musste sie zugeben, dass, nachdem die ersten wieder an den Strand zurückgeschwommen kamen, dieses Unterfangen einer gewissen … nun, einer gewissen erregten Euphorie nicht entbehrte.

Irgendwann befanden sich nur noch zwei Männer auf den Klippen. Einer davon, so vermutete Jane, musste der betrunkene Sammy sein, der andere war Griffin. Sie standen Seite an Seite, der Wind zerrte an ihren Shorts.

„Griff sollte ihm das ausreden“, murmelte einer der Partygäste, die sich alle gespannt am Verandageländer versammelt hatten und zu den Klippen starrten. „Sicher wird er den Rekord brechen, wenn er aus der Höhe springt, aber Sammy ist so blau, dass ihm wahrscheinlich nicht klar ist, wie viel weiter er nach vorn springen muss, um in tieferem Wasser zu landen.“

Sollte Griffin versucht haben, den anderen Mann zur Vernunft zu bringen, so hatte er damit offensichtlich keinen Erfolg. Ein kollektives Nach-Luft-Schnappen ertönte auf der Veranda, sowie Sammy sprang. Alle Augenpaare verfolgten seinen Fall ins Wasser … nur Jane hielt den Blick auf den Gastgeber gerichtet, der noch höher auf die Klippen kletterte.

„Sucht Griffin nach einem Platz, um seinen Freund besser sehen zu können?“, fragte sie Beachboy neben sich.

„Nein.“ Der Typ seufzte, als Griffin auf einem in die Luft hinausragenden Felsvorsprung stehen blieb. „Er legt die Latte höher. Aus der Höhe ist noch keiner gesprungen. Das könnte wirklich …“ Er sprach den Satz nicht zu Ende, aber seine Miene sagte sowieso mehr, als er mit Worten hätte ausdrücken können.

Es könnte wirklich gefährlich sein.

Schockiert kniff Jane die Augen zusammen. Sicher, die unkooperative Haltung ihres neuesten Schützlings und sein Hang zu orgiastischen Biergelagen hatten ihr Sorge bereitet, dennoch war sie zuversichtlich gewesen, dass sie es schaffen würde, Griffin Lowell zu konzentriertem Arbeiten zu bewegen. Schon vor Langem hatte man ihr eingetrichtert, dass Versagen keine Option war. Jetzt wurde allerdings deutlich, dass das wohl komplizierter werden könnte und von ihr mehr verlangt wurde, als nur immer wieder an den Abgabetermin zu erinnern und mit dem Rotstift in der Hand bereitzustehen.

Dieser Mann war nicht nur einfach ein Schriftsteller mit Schreibblockade, er ging auch impulsiv unnötige Risiken ein, weil ein überproportional entwickeltes Konkurrenzdenken in ihm steckte.

Oder eine voll ausgewachsene Todessehnsucht.

2. Kapitel

Der Fernseher lief noch immer, als Griffin aufwachte, genau wie jeden Morgen. Ohne die Augen zu öffnen, tastete er nach der Fernbedienung und drehte die Lautstärke auf. Es war völlig egal, was lief – Cartoons, Nachrichten, was auch immer. Der Geräuschpegel war nur dazu gedacht, die Stimmen in seinem Kopf zu übertönen. Nein, er war nicht schizophren, er hatte lediglich ein überentwickeltes Erinnerungsvermögen. Und diese Erinnerungen hatten die Unart, ständig in seinem Hinterkopf abzulaufen, solange er sie nicht vierundzwanzig Stunden am Tag mit Nachrichten, lauter Musik oder einer Party, bei der der Alkohol in Strömen floss, übertönte.

Die Partyzentrale zu sein hatte eindeutig seine Vorteile.

Von denen auch andere profitierten, wie er auf dem Weg zur Küche registrierte. Einer seiner Surf-Kumpel, Ted, schlief – mit einem Strandlaken zugedeckt und einem Bikinioberteil in der Hand – im Wohnzimmer auf dem Fußboden.

Weder von dem Bikinihöschen noch von der Frau, zu der die D-Körbchen gehörten, war eine Spur zu entdecken. Griffin zuckte mit den Schultern und stupste Ted mit der Spitze seiner Flip-Flops an. „Hey.“

Ted, verärgert über die Störung, schlug mit dem Bikinioberteil nach Griffins Knöcheln. „Heute ist doch keine Schule, Mom“, murmelte er.

Auch wenn der Fernseher aus dem anderen Raum laut und deutlich zu hören war, zog Teds gemurmelte Bemerkung Griffin sofort zurück in den Unterstand aus Holz und Sandsäcken in einem entlegenen Dorf im Norden Afghanistans. Soldaten schliefen Seite an Seite, und irgendjemand redete immer im Schlaf. Mit der Mutter.

Oder den eigenen Dämonen.

Ruckartig zog er den Kopf zurück, um den Gedanken abzuschütteln, und stieß Ted fester an. „Komm schon, Kleiner.“ Der Surfer gehörte zur gleichen Altersgruppe zwischen neunzehn und siebenundzwanzig wie die Jungs, mit denen Griffin das Jahr an der Front verbracht hatte. Jene jungen Männer hatten rasant erwachsen werden müssen. Nach diesen dreihundertfünfundsechzig Tagen fühlte Griffin sich heute manchmal doppelt so alt wie mit seinen einunddreißig Jahren.

„Hey, Kleiner“, sagte er noch einmal. „Steh auf. Leg dich auf die Couch. Oder besser, nimm eines von den Gästezimmern.“

Blinzelnd setzte Ted sich langsam auf. Er sah an seinem nackten Oberkörper herunter auf das Strandlaken, dann auf das Bikinioberteil in seiner Hand. „Hab ich gestern den Pokal abgeräumt?“

„Weiß ich nicht.“

Der andere hielt das Stoffstückchen vor sich hoch. „Ich hab von dieser Bibliothekarin geträumt.“

Bibliothekarin? Fast hätte Griffin eine Grimasse gezogen. Damit konnte Ted nur diese kleine sture Frau meinen, die uneingeladen in die Party geplatzt war. Sie war das einzige weibliche Wesen gestern Abend gewesen, das ausgesehen hatte, als hätte es mit Büchern zu tun. Er hatte sich Mühe gegeben, sie zu ignorieren, aber das war nicht so einfach gewesen. Sie hatte wirklich hübsche Augen … Herrgott, sein Surf-Kumpel träumte ja sogar von ihr!

„Im Schlaf hast du sie ‚Mom‘ genannt“, ließ er Ted wissen.

„Nein, das war der zweite Traum. In meinem ersten bist du mit ihr auf die Klippen geklettert, und als ihr gesprungen seid, hat sich ihre Kleidung beim Fallen in Luft aufgelöst.“

„Hm.“ Griffin versuchte, sich das vorzustellen, aber nur das Bild ihrer sich ständig bewegenden Lippen tauchte vor ihm auf. Auch die Lippen waren hübsch. Sie hatten sehr weich ausgesehen. Sanft. Trotzdem … sie hatten sich unablässig bewegt. Sie haben einen Vertrag für Ihre Memoiren unterzeichnet. Sie müssen sofort mit der Arbeit anfangen.

Ted sah von dem Bikini zu Griffin. „Übrigens … ich habe gute Schnappschüsse von deinem Sprung gemacht. Und wie du Sammy an Land ziehst. Ich glaube, er hat mindestens so viel Salzwasser geschluckt wie Bier.“

„Und beides hat er wieder von sich gegeben.“ Griffin fühlte sich deswegen schuldig. Er hätte nicht zulassen dürfen, dass der Typ sprang. Er hatte noch versucht, vernünftig mit ihm zu reden, aber dann hatte er das trotzige Funkeln in den Augen des anderen bemerkt. Griffin kannte diesen Blick. Wenn Gage, sein Zwillingsbruder, diesen Ausdruck bekam, war nicht mehr mit ihm zu reden. Auch Erica hatte so ausgesehen, als sie das letzte Mal miteinander gesprochen hatten.

Etwas Warmes, Haariges drängte sich an sein Knie, und er beugte sich vor, um Private, seinem höchsteigenen „Gefreiten“, die Ohren zu kraulen. „Musst du raus?“, fragte er den schwarzen Labrador. „Also gut, vor dem Frühstück darfst du ausnahmsweise in den Garten. Aber halte dich bloß vom Grundstück des alten Monroe fern. Das letzte Mal, als du dich auf seinem Land erleichtert hast, hat er mir mit einer Klage gedroht.“

Private schien sich weder Gedanken um den knurrigen alten Nachbarn zu machen noch um die Konsequenzen für sein Herrchen. Die Lefzen zu einem zufriedenen Grinsen verzogen, trottete er zur Hintertür hinaus. Als Griffin die Tür ins Schloss drücken wollte, hielt ein schmaler hellblauer Espandrille das Schloss davon ab, einzuschnappen.

Der Strandschuh mit buntem Blumenmuster saß am Fuß der Bibliothekarin.

Der Gouvernante.

Jane.

Er war so sicher gewesen, sie gestern abgewimmelt zu haben. Nachdem er von seinem Sprung zurückgekehrt war, hatte er sie nicht mehr gesehen. „Was zum Teufel tun Sie hier?“ Er stellte sich in die Tür und blockierte damit den Spalt.

Als Antwort streckte sie einen großen Becher Kaffee durch die Öffnung. Das Logo verriet, dass er von einem Coffeeshop stammte, der gute zwanzig Minuten mit dem Auto entfernt lag. Crescent Cove war so abgelegen, dass man den Wagen nehmen musste, wollte man seine tägliche Dosis Seattle-Koffein bekommen.

„Ich dachte, den könnten Sie vielleicht gebrauchen.“

Mit zusammengekniffenen Augen musterte er sie. Die Beine der Jeans hatte sie über die Knöchel hochgerollt. Dazu trug sie ein hellblaues Oxford-Hemd, das das Grau ihrer großen Augen aufzusaugen schien. Sie waren silbern wie ein nebelverhangener Morgen und wirkten hinter den dunklen Wimpern beinahe ein wenig unheimlich. Ganz im Gegensatz zu ihren Lippen, die rosig und leicht geschwollen aussahen, so als wäre sie die ganze Nacht geküsst worden.

Das ist es, was ich an ihr so faszinierend finde, entschied er. Genau das hatte auch schon gestern seine Aufmerksamkeit erregt. Sie wirkte auf den ersten Blick so steif und prüde, und dann dieser verführerische Mund … ein krasser Kontrast.

Was das völlig verrückte Bedürfnis in ihm weckte, ihren Hals auf Knutschflecken zu untersuchen.

Jane schenkte ihm ein strahlendes Lächeln. „Sie sehen mir nach einem Karamell-Macchiato-Mann aus“, sagte sie und fügte noch hinzu: „Mit Extra-Sahne.“

„Auf Wiedersehen.“ Ihre Zehen waren ihm völlig egal.

„Warten Sie …“, rief sie noch, doch da hatte er ihr schon die Tür vor der Nase zugeschlagen.

„Ich hätte nichts gegen einen Karamell-Macchiato gehabt“, beschwerte sich Ted, der in diesem Moment in die Küche geschlendert kam.

Griffin achtete nicht auf das unablässige Klopfen an der Hintertür. „Du kennst diese Sorte Frau nicht so wie ich, Ted.“ In dem Moment, in dem er die Augenklappen abgenommen und diese Frau vor sich hatte stehen sehen, waren alle seine inneren Alarmanlagen losgegangen. Diese silbernen Augen schienen in seine Seele hineinschauen zu können. Es gefiel ihm nicht, so durchschaubar zu sein. „Du nimmst ihren Kaffee an, und sie will dafür deine Seele haben.“

„Ich weiß nicht … Sie sieht doch eigentlich ganz harmlos aus.“

„Ihr Aussehen …“ Er würde sich jetzt nicht mit Ted auf eine Diskussion über Janes Aussehen einlassen. Der Mann hatte von ihr geträumt. Nackt. Er hingegen konnte sich nicht vorstellen, dass sie unter ihrer Kleidung irgendetwas Interessantes verbarg. Und er würde auch nicht versuchen, es sich vorzustellen. Sie hatte diesen Mund, und die Ansprüche, die ein solcher Mund mit sich brachte, waren Grund genug, so zu tun, als existiere diese Frau gar nicht.

Das Klopfen setzte aus.

Er war so erleichtert, dass er Ted fast angelächelt hätte. Er klatschte in die Hände. „Also, was steht heute an?“ Ted arbeitete halbtags als Rettungsschwimmer, seine restliche Zeit verbrachte er anscheinend ausschließlich mit Surfen und Feiern – was ihn in Griffins Augen zur idealen Gesellschaft machte.

Teds Miene wurde nachdenklich. „Ich weiß nicht, Griff. Vielleicht sollte ich mich absetzen.“

„Was? Wieso?“

„Vermutlich hättest du gern etwas Ruhe und Privatsphäre.“

Direkte Panik war es nicht, die durch ihn hindurchschoss, aber es kam dem schon ziemlich nahe, und das hörte man auch seiner Stimme an. „Ich hasse Ruhe und Privatsphäre. Was ist los mit dir?“

Ted zuckte mit einer Schulter. „Die Bibliothekarin. Sie hat gesagt, dass du dich an dein Buch machen musst.“

„Die Bibliothekarin hat keine Ahnung, wovon sie spricht.“ Über die Schulter sah er zum Fenster hinaus. Sie war nicht mehr da. Die Enge um seine Kehle ließ nach. „Ich habe keine Verpflichtungen, niemandem gegenüber“, log er.

Ted fingerte an dem scharlachroten Bikini-Top. „Wirklich? Trotzdem … Da ist irgendetwas an dem, was sie gesagt hat …“

„Nicht an dem, was sie gesagt hat, sondern an ihr“, fiel Griffin ihm ins Wort. „Du hast Träume, in denen sie nackt ist, mich treibt ihr Mund in den Wahnsinn, und …“ Abrupt brach er ab, als besagte Frau draußen vor dem Fenster auftauchte. „… und sie stiehlt gerade meinen Hund.“

Er stellte sich näher an die Scheibe. Tatsächlich. Wie es aussah, hatte sie ihren Gürtel als Leine unter Privates Halstuch durchgezogen. Obwohl er nicht hörte, was sie sagte, bekam er den Eindruck, sie versuche, seinen Hund mit sich zu locken. Energisch klopfte Griffin mit den Fingerknöcheln gegen das Glas.

„Hey!“, schrie er und riss das Fenster auf. „Lassen Sie meinen Hund in Ruhe. Sie platzen also nicht nur uneingeladen in Partys, sondern kidnappen auch Hunde?“

Sie blieb stehen und runzelte die Stirn. Dann schaute sie mit zusammengekniffenen Augen zwischen Griffin und dem Hund hin und her.

„Verdammt“, murmelte er. Er wusste, was jetzt kam. Er hatte sie gerade selbst auf die Idee gebracht.

Jane stemmte eine Hand in die Hüfte. „Dann kommen Sie doch raus und holen Sie ihn sich.“

„Das wollen Sie nicht wirklich.“ Er setzte seine grimmigste Miene auf – eine Miene, die einen Schützen an einem von Taliban besetzten Checkpoint eine Sekunde lang zum Zögern gebracht und somit Griffin das Leben gerettet hatte.

Jane jedoch tippte nur ungeduldig mit der Fußspitze auf den Sand. „Soll das eine Drohung sein? Wollen Sie rauskommen und mich mit bösen Blicken töten? Sie können ja nicht mal Ihre Termine halten, geschweige denn sich zu irgendeiner Vergeltungsmaßnahme aufraffen.“

Wut flammte in Griffin auf. „Ted.“ Sein Kopf ruckte herum. „Geh und hole Private.“

„Kommt nicht infrage. Ich fürchte mich vor dem Hund.“

Griffin warf seinem Freund einen vernichtenden Blick zu. „Erzähl keinen Blödsinn.“ Ted war bekannt dafür, seine Sandwiches brüderlich mit Private zu teilen.

„Zugegeben – ich fürchte mich vor ihr.“

Jane hatte den kurzen Wortwechsel offensichtlich mitgehört, denn sie lachte. „Da sind Sie nicht der Einzige.“

Griffin sah rot. Er marschierte zur Hintertür und riss sie auf. Dann stapfte er auf die Gouvernante zu, fest entschlossen, seinen Hund zurückzuholen und sie ihrer Wege zu schicken. Sie sollte ihn in Ruhe lassen.

„Diebstahl ist ziemlich mies, Lady“, meinte er drohend. „Sie finden es also in Ordnung, den besten Freund des Menschen zu entwenden? Sich mit einem unschuldigen Tier aus dem Staub zu machen?“

Sie lachte nur wieder. „Entwenden, sich aus dem Staub machen. Zumindest ist Ihr Wortschatz gut entwickelt. Vielleicht besteht ja doch noch Hoffnung, dass Sie Ihren Verpflichtungen als Autor nachkommen.“

Er stand ihr jetzt so nah, dass er ihren Duft wahrnehmen konnte. Ein süßer, femininer Duft, der eine fast berauschende Wirkung auf ihn hatte, als er sich nun vorbeugte, um ihr die provisorische Hundeleine aus der Hand zu nehmen.

„Rühr sie nicht an!“, tönte da eine ältere männliche Stimme.

„Was?“ Griffin sah zu dem alten Monroe hin, der sich humpelnd näherte. Der Alte fuchtelte mit seinem Stock in der Luft, und die böse gerunzelte Stirn ließ ahnen, dass eine weitere seiner Tiraden bevorstand.

„Ich werde nicht erlauben, dass du der jungen Dame etwas antust.“

Ihr etwas antun? Er hatte noch nie das Bedürfnis gehabt, einer Frau etwas anzutun. Vermutlich war das der Grund, warum die Sache mit Erica so außer Kontrolle geraten war – weil er sie nicht hatte verletzen wollen, nicht einmal mit der Wahrheit. „Ich rühre die Frau doch gar nicht an. Und überhaupt, was haben Sie mit ihr zu tun?“

Vermutlich war der alte Monroe die ganzen vierundneunzig Jahre, die er bislang auf diesem Planeten verbracht hatte, schlecht gelaunt gewesen. Jetzt sah er Griffin mit offener Abneigung an, was Griffin absolut nichts ausmachte. Schließlich kannte er das schon, seit er und sein Bruder als Kinder jeden Sommer in den Ferien hier durch die Bucht getobt waren.

„Sie hat mir den Anruf beim Hundefänger erspart. Dein flohzerfranster Köter war wieder in meinem Garten. Hat sich auch nicht von meinen alten GI-Stiefeln verscheuchen lassen, die ich nach ihm geworfen habe.“

„Weil er nicht einmal ein Scheunentor getroffen hätte“, murmelte Jane. „Aber ich dachte mir, ich hole Ihren Hund doch besser da raus.“

„Hätte dich dreihundert Dollar gekostet, ihn aus dem Tierheim auszulösen“, behauptete der Alte.

„Sie hätten natürlich auch das Telefon aufnehmen können statt Ihrer Stiefel. Sie haben meine Nummer.“

Monroe tat, als hätte Griffin nichts gesagt. „Du bist der jungen Lady also was schuldig.“

Jane lächelte ihn triumphierend an. „Mein Reden.“

Griffin ignorierte beide, befreite Private von der behelfsmäßigen Leine und ging mit ihm zum Haus zurück.

„Hast du der Lady nicht etwas zu sagen?“, forderte sein griesgrämiger Nachbar.

„Genau. Haben Sie mir nicht etwas zu sagen?“, rief Jane ihm nach.

„Allerdings.“ Griffin drehte sich nicht um. „Verschwinden Sie von hier. Und bilden Sie sich ja nicht ein, Sie kämen noch einmal so einfach in mein Haus. Ich werde jeden in der Partyzentrale in Alarmbereitschaft versetzen. Niemand, der aussieht wie eine Gouvernante oder eine Bibliothekarin, ist in Strandhaus Nr. 9 willkommen.“

Genau wie mit dem Hundekidnapping hatte Griffin auch dieses Mal Jane erst auf die Idee gebracht. Niemand, der aussieht wie eine Gouvernante oder eine Bibliothekarin, ist in Strandhaus Nr. 9 willkommen.

Sie war entschlossen, wieder in sein Haus zu gelangen. Wie es danach weitergehen sollte, hatte sie sich noch nicht richtig überlegt. Aber sie war sicher, wenn sie wieder in der Partyzentrale auftauchte, würde ihm klar werden, dass sie keinesfalls vorhatte, lockerzulassen. Ihr Durchhaltevermögen wäre vielleicht der nötige Anstoß, damit er sich hinsetzte und zu schreiben begann.

Anders als heute Morgen steuerte sie dieses Mal die Frontseite des Hauses an. Entschlossen bahnte sie sich in ihren Sandaletten mit Keilabsatz einen Weg durch den Sand, an Strandhäusern und Sonnenanbetern vorbei. Im Juni zogen am späten Nachmittag in Crescent Cove oft Wolken vom Meer herein, heute jedoch war der Himmel klar und strahlend blau, während die Sonne am Horizont schon tief stand. Die lange Sweatjacke, die Jane über ihrem Party-Outfit trug, war viel zu warm, und so blieb sie vor dem Bungalow mit der Nr. 8 stehen, um den Reißverschluss zu öffnen.

Eine schlanke Frau schlug gerade ein „Zu vermieten“-Schild in das Blumenbeet vor der Veranda. Anders als Jane musste sie immun gegen die Hitze sein, denn zu ihren Capri-Hosen trug sie einen Matrosenpullover, der ihr bis zu den Knien reichte. Mit einem erschrockenen Aufschrei fuhr sie herum und drückte sich die Hand aufs Herz. „’tschuldigung, aber ich hatte Sie nicht gesehen.“

„Ich sollte mich entschuldigen“, sagte Jane. „Ich wollte Sie nicht erschrecken.“