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WEBEN

mit kleinem

RAHMEN

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FIONA DALY

WEBEN

mit kleinem

RAHMEN

TECHNIKEN, MUSTER UND
PROJEKTE FÜR ANFÄNGER

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Vollständige E-Book-Ausgabe der im Stiebner Verlag erschienenen Printausgabe (ISBN 978-3-8307-2064-5).

Die englischsprachige Ausgabe dieses Buches erschien 2018 unter dem Titel „Weaving on a Little Loom“ bei Princeton Architectural Press, New York

© 2018 Quarto Publishing plc ein Imprint der Quarto Group

Texte, Muster, Projekte: Fiona Daly

Fotos: Nicki Dowey, Phil Wilkins und Mary Daly (S. 9)

Illustrationen: Kuo Kang Chen

Aus dem Englischen von der MCS Schabert GmbH, München, – www.mcs-schabert.de – unter Mitarbeit von Karola Koller (Übersetzung).

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.

Alle Rechte der deutschen Ausgabe

© 2019 Stiebner Verlag GmbH, Grünwald

Alle Rechte vorbehalten. Wiedergabe, auch auszugsweise, nur mit ausdrücklicher Genehmigung des Verlages. Die Vorlagen dürfen nur für private Zwecke verwendet werden.

www.stiebner.com

ISBN: 978-3-8307-3041-5

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INHALT

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ÜBER FIONA

KAPITEL 1: WILLKOMMEN BEIM WEBEN

Geschichte

Webrahmen

Zubehör

Ausgangsmaterialien

Garne

Funktionsweise des Webrahmens

Projektplan

Den Webrahmen einrichten

KAPITEL 2: TECHNIKEN BEIM HANDWEBEN

Das richtige Schiffchen

Erste Schritte

Bildweberei

Farbflächen arbeiten

Rundungen, Schrägen und besondere Formen

Teppichweberei

Ryantechnik

Sumaktechnik

Schlingentechnik

Wichtiges über Bindungen

Leinwandbindung

Köperbindung

Fischgratbindung

Panamabindung

Ripsbindung

Traditionelle Rautenbindung

Kantenabschluss

Maschinelle Zickzacknaht

Hohlsaumkante

Fransenkante

Knotenkante

Kettfadenaufhängung

Quasten

Knoten

Veredelung: vom Gewebe zum Stoff

KAPITEL 3: PROJEKTE

Wandbehang

Kosmetiktäschchen

Platzdeckchen

Kissenbezug

Tasche mit Schlingen

Glossar

Dank

ÜBER FIONA

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Hallo! Mein Name ist Fiona Daly und ich bin Textildesignerin und Weberin. Momentan arbeite ich in meinem eigenen kleinen Studio im Süden Londons. Ich habe mich auf Heimtextilien und Accessoires spezialisiert, die ich nach eigenen Entwürfen aus reiner britischer Wolle webe. Ich verkaufe meine kleinen Kunstwerke – von Kissen und Decken bis hin zu Schals und Lampenschirmen – auf Märkten und über meinen eigenen Online-Shop. In meinem Studio und an verschiedenen anderen Veranstaltungsorten gebe ich auch Webkurse mit Klein- und Tischwebrahmen.

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Meine Liebe zum textilen Kunsthandwerk machte sich schon sehr früh bemerkbar und wurde durch meine Großmutter stark beeinflusst, die im Westen Irlands lebte, wunderschöne Spitze herstellte und ihren eigenen Handarbeitsladen betrieb. Da ergab es sich fast wie von selbst, dass ich am National College of Art and Design in Irland Textildesign studierte. Während der höchst kreativen Studienjahre hatte ich auch die Gelegenheit, ein Auslandssemester in der norwegischen Stadt Bergen zu verbringen, wo ich die traditionellen Techniken und Naturmaterialien noch mehr zu schätzen lernte. Nach meinem Studium arbeitete ich in einer Handweberei im Westen Irlands, wo ich meine Webkenntnisse noch einmal verbessern konnte.

Seither hat mich meine Weberei in die verschiedensten Richtungen geführt. Während eines längeren Aufenthalts in einem Webereizentrum auf den Shetlandinseln lernte ich wieder sehr viel dazu. Dort arbeitete ich mit dem wundervollsten Webmaterial überhaupt: Shetlandwolle. Während meiner Jahre in Edinburgh war ich an einem interdisziplinären Workshop für Kunsthandwerker beteiligt. In dieser Zeit begann ich, selbst Webkurse zu geben und war davon ganz begeistert. Außerdem machte ich in einem Web-Workshop einer auf den Prinzipien Rudolf Steiners basierenden Organisation sehr wertvolle Erfahrungen. Damals legte ich mir einen wunderschönen Webstuhl zu – einen Schaftwebstuhl von George Wood. Das ist ein traditioneller Webstuhl, bei dem man das Muster manuell einstellt, indem man mit dem Hammer winzige Holzstäbchen in verschiedenste Bohrungen einsetzt. Mit diesem Webstuhl konnte ich meine Entwürfe noch viel weiterentwickeln und mein technisches Wissen über das Weben erweitern. Auf dieser Grundlage wächst mein Interesse an natürlichen Materialien, u. a. Wolle von bestimmten Schafrassen, immer weiter, ebenso mein Interesse an nachhaltigen und umweltfreundlichen Textilien.

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Das Weben kann zwar sehr kompliziert und technisch sein, doch es bietet auch die Möglichkeit, der eigenen Kreativität Ausdruck zu verleihen. Einer der Gründe, warum ich das Weben so liebe, ist die Tatsache, dass beide Gehirnhälften angesprochen werden. Die Menschen weben schon seit vielen Jahrtausenden, also könnte man sich ein Leben lang mit dem Weben beschäftigen und immer noch nicht alles darüber wissen. Und doch lässt es sich auf ein paar wichtige Grundprinzipien reduzieren. Weben lernt man nicht über Nacht. Es braucht viel Geduld und Übung, bis man all die wundervollen Möglichkeiten begreift. Die Welt des Webens ist sehr vielfältig und komplex, es gibt viele verschiedene Arten von Webstühlen und Zusatzgeräten, und so könnte man sich leicht abschrecken lassen. Als ich mich mit den Ursprüngen der Weberei beschäftigte, erkannte ich, dass man schon mit sehr einfachen Webrahmen und wenigen Hilfsmitteln sehr schöne und einzigartige Dinge erschaffen kann. Dieses Buch wendet sich deshalb an alle Anfänger, die dieses faszinierende Handwerk erlernen möchten!

In diesem Buch stelle ich die Grundlagen der Arbeit mit einem kleinen Webrahmen vor – ein sehr einfaches Gerät, das sich perfekt für den Einstieg eignet – und erkläre die verschiedenen Techniken Schritt für Schritt. Zum Schluss können Sie einige konkrete Projekte nacharbeiten. Lassen Sie sich nicht entmutigen, wenn Ihre Webarbeiten anfangs zu locker sind, Löcher oder unregelmäßige Ränder haben, etwas schief sind oder sich ein Fehler beim Muster eingeschlichen hat. Lernen Sie, diese Unzulänglichkeiten als Teil der Entwicklung zu sehen, die man beim Weben durchlaufen muss. Je weniger Fehler Sie machen, desto mehr haben Sie gelernt. Es dauert einfach eine gewisse Zeit, bis man die Kettfäden perfekt spannen und die Schussfäden ordentlich zusammenschieben kann. Freuen Sie sich an dem Gedanken, dass Sie ein traditionelles Handwerk fortführen, das es seit fast 10 000 Jahren gibt und das weltweit ein fester Bestandteil vieler Kulturen ist.

Sie werden lernen, geduldig zu sein, und feststellen, dass das Weben eine beruhigende Wirkung hat und die Welt ein bisschen entschleunigt. Sie werden alles ausblenden und sich nur auf das Zählen der Fäden konzentrieren, ein Faden oben, ein Faden unten, während Sie fühlen, wie das schönste Material der Welt durch Ihre Hände gleitet. Die Handweberei ist anstrengend und zeitraubend – der Stoff wächst nur sehr langsam –, doch die Belohnung am Ende ist aller Mühe wert. Sie werden nicht nur ein selbst gewobenes Produkt in Händen halten, sondern sich auch gerne an die Freuden des Herstellens erinnern – eine wirklich lohnenswerte Leistung!

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KAPITEL 1

WILLKOMMEN BEIM WEBEN

GESCHICHTE

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Beim Weben wird der Stoff von Grund auf hergestellt. Viele Menschen sind mit dem Stricken vertraut, bei dem man mit zwei Nadeln ein langes Stück Garn durch Schlingen zu einer textilen Fläche verwandelt. Weben funktioniert ganz anders: Man arbeitet mit zwei getrennten Garnsystemen, die im rechten Winkel zueinander angeordnet sind und miteinander verkreuzt werden. Diese Garnsysteme nennt man im Fachjargon Fäden.

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Die senkrechten, in Längsrichtung des Stoffes gespannten Fäden heißen Kettfäden, die waagrechten, in Querrichtung des Stoffes verlaufenden Fäden nennt man Schussfäden. Kurz: Kette und Schuss. Die einfachste und zugleich engste Verkreuzung von Kette und Schuss heißt Leinwandbindung. Dabei liegt der Kettfaden abwechselnd über und unter einem Schussfaden. In der ersten Reihe beginnt der Kettfaden über dem Schussfaden, in der zweiten Reihe darunter etc. Die Kettfäden müssen beim Weben straff sein, um ein gleichmäßiges Webbild zu erhalten. Um das zu erreichen, braucht man eine Vorrichtung oder ein Gerät – einen Webrahmen oder Webstuhl. Die Grundfunktion ist identisch, egal wie einfach oder komplex so ein Gerät ist: Es hält die Kettfäden unter Spannung. Je nach Webrahmen bzw. Webstuhl, Garn- und Bindungsarten kann das Weben ein sehr einfacher oder ein sehr komplexer Vorgang sein, mit dem man einfache oder komplexe Muster erstellen kann.

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Kette und Schuss: Hier sehen Sie die einfachste Verkreuzung von Kette und Schuss – einmal oben, einmal unten -, die sogenannte Leinwandbindung.

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So funktioniert das Weben: Diese Abbildung verdeutlicht alle wichtigen Begriffe, nämlich Kette, Schuss, Warenrand, Schussfaden und Gewebe. Mehr dazu im Glossar.

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Das Weben ist die zweitälteste Form der Textilherstellung. In diesem Maschinenraum (ganz oben) im Boott Cotton Mills Museum in Lowell, USA, sieht es aus wie im späten 19. Jahrhundert.

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Maschinelles Weben ist ein sehr komplexer Vorgang. Diese Schär- oder Zettelmaschine (oben) arbeitet mit acht verschiedenfarbigen Kettfäden gleichzeitig.

Das Weben ist die zweitälteste Form der Textilherstellung und geht schon fast 10 000 Jahre zurück. Der Vorgang des Webens selbst ist allerdings noch älter, denn der Mensch hat die Möglichkeit des Verbindens zweier Teile durch Verkreuzen schon gekannt, als er sich noch in Tierfelle kleidete. Damals arbeitete man mit Naturmaterialien wie Weidenruten und Grashalmen, die man in Runden verwob, um z. B. Körbe herzustellen. In der Guitarrero-Höhle in Peru fand man Körbe, die auf ca. 8000 v. Chr. datiert werden konnten.

Die Textilweberei entwickelte sich erst später, nachdem man gelernt hatte, Garne zu spinnen, die sich zu Geweben verarbeiten ließen, die weicher und feiner waren als alles, was man bisher kannte. So entstand der Wunsch nach einer Vorrichtung, die alle Kettfäden unter Spannung halten konnte und das Weben erleichterte. Man nimmt heute an, dass sich die Zivilisation in sechs verschiedenen Teilen der Welt unabhängig voneinander entwickelt hat. Und es ist wahrscheinlich, dass sich auch Webstühle unabhängig voneinander entwickelt haben.

Die Geschichte des Webens ist nicht komplett ohne einen Blick in das alte Peru. Das Studium peruanischer Textilien ist für moderne Weber faszinierend. Die Webkunst der Peruaner ist unübertroffen und seit Tausenden von Jahren entwickeln sie mit erstaunlicher Kreativität immer wieder neue Techniken. Daher verwundert es nicht, dass peruanische Textilien für Weber in der ganzen Welt ständig eine Quelle der Inspiration sind.

In Europa wurde Mitte des 18. Jh. die industrielle Revolution in Großbritannien durch Neuerungen in der Textilindustrie angestoßen, insbesondere durch die Weiterentwicklung von Webstühlen, Schnellschützen, Spinn- und Kardiermaschinen und nicht zuletzt durch die Erfindung der Webmaschine. Diese Neuerungen veränderten das Weben enorm und Maschinen ersetzten viele erfahrene Weber in den Textilfabriken.

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Gewebt wird auf der ganzen Welt. In Indonesien werden Ikat-Webereien hergestellt, in Peru verwendet die Weberin verschiedenfarbige Alpakawolle.

Als Reaktion darauf versuchte William Morris in der Arts-and-Crafts-Bewegung diese handwerklichen Fertigkeiten vor dem Aussterben zu bewahren.

Wenn man die heutige Welt des Webens betrachtet, scheint das gelungen zu sein. Viele Weber gehen heute ihrem Handwerk nicht mehr nach, weil sie Stoff herstellen müssen, sondern weil sie es möchten. Sie arbeiten bewusst am traditionellen Webstuhl, weil sie mit den Händen arbeiten und neue Handwerkstechniken erlernen möchten. Diese Entwicklung ist wohl eine Reaktion auf unsere immer technischer werdende Welt. Seit ca. 20 Jahren besinnt man sich wieder mehr auf das Handwerk. Zu den Laien, für die es ein Hobby war, kamen die Designer, die sich wieder mehr auf individuelle, handgefertigte Kleidung spezialisierten. Handarbeit wird heute wieder ganz anders wahrgenommen und geschätzt.

Ich finde es fantastisch, dass Weben heute voll im Trend liegt – viele sind ganz verrückt nach Handwebereien – und weltweit wieder sehr viel Beachtung findet. Weben erdet und hat erwiesenermaßen auch eine therapeutische Wirkung, denn es beschäftigt gleichzeitig den Geist und die Hände, berührt die Seele und bringt den Menschen wieder ins Gleichgewicht. Genau danach suchen viele Menschen gerade im digitalen Zeitalter.

Mit diesem Buch möchte ich das Weben mit dem Kleinwebrahmen (und ich hoffe, dass es mehr als nur ein Trend ist) in der großen Welt des Webens in den richtigen Kontext setzen und Anfängern traditionelle Techniken nahebringen. Mir ist auch wichtig, dass sie die Hintergründe und Entwicklungen verstehen und die Fachbegriffe kennen. Mein Buch bringt die alten Techniken in die moderne Zeit und will die Fertigkeiten vermitteln, die man zum weiteren Experimentieren braucht. Die Projekte am Ende des Buches sollen interessierte Laien dazu bringen, sozusagen hinter den gewebten Wandbehang zu blicken und sich auf die vielfältigen und kreativen Möglichkeiten einzulassen, die das Weben bietet!

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Eine Weberin vom Stamm der Sask in Sade, Lombok, Indonesien und eine Maya-Frau beim Bandweben in Antigua, Guatemala.

WEBRAHMEN

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Ein Webrahmen ist jede Vorrichtung, auf der Fäden unter Spannung gehalten werden können, sodass man damit weben kann. Es gibt sie in vielen verschiedenen Größen und Formen, von sehr einfachen bis hin zu sehr komplexen Modellen. Dieses Buch konzentriert sich auf den Kleinwebrahmen, eine einfache und verkleinerte Version des Tapisserie-Webrahmens. Er eignet sich ideal für Anfänger und erleichtert ihnen den Einstieg in die Webkunst.

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Kleinwebrahmen sind relativ preisgünstig und im Vergleich zu größeren Webrahmen sehr leicht handhabbar. Es gibt sie in unterschiedlichen Varianten, die alle nach demselben Prinzip funktionieren, die aber für jeweils unterschiedliche Projekte geeignet sind. In diesem Abschnitt stelle ich drei Arten von Kleinwebrahmen vor, darunter solche, die sich für die später im Buch beschriebenen Projekte eignen. Ich erkläre auch, wie man einen einfachen Webrahmen aus Karton herstellen kann.

Bei der Wahl des Webrahmens kommt es nicht nur auf die Größe an, sondern auch auf die mögliche Fadendichte, die Fadenstärke und die Webart. Überlegen Sie auch, wo Sie weben werden und wie viel Platz Sie zur Verfügung haben. Wie möchten Sie bei der Arbeit sitzen? Soll der Webrahmen senkrecht stehen und mit einer Zwinge am Tisch befestigt werden oder arbeiten Sie lieber mit einem Rahmen, der waagrecht liegt? Welche Größe hat das Gewebe, das Sie herstellen möchten? Bei einem Kleinwebrahmen beträgt die maximale Größe ca. 75 % der Rahmengröße. Wie eng sollen die Kettfäden beieinanderliegen? Soll die rechte Warenseite von den Kettfäden bestimmt werden, oder sollen die Schussfäden dominieren? Wollen Sie verschiedene Bindungsarten arbeiten, oder konzentrieren Sie sich auf die Leinwandbindung?