Cover

Über dieses Buch:

Singles und Paare, Geschäftsleute und Künstler: Sie alle besuchen das romantische Hotel am Fuß der Berge, um auszuspannen und die Seele baumeln zu lassen. Niemand von ihnen ahnt, dass sie an einen Ort gekommen sind, an dem die verborgensten Wünsche geweckt und lustvoll befriedigt werden – und dass auch sie im Haus von Madame Aimée bald alle Hemmungen fallen lassen! Denn hier gilt eindeutig: Einen Gangbang in Ehren kann niemand verwehren …

Die Serie Aimées Hotel von Shayla K. Fields umfasst die Romane Verborgene Lust, Verborgene Leidenschaft und Verborgene Wünsche; alle Bände können unabhängig voneinander gelesen werden.

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eBook-Neuausgabe April 2015

Ein eBook des venusbooks Verlags. venusbooks ist ein Verlagslabel der dotbooks GmbH, München.

Dieses Buch aus der Serie Aimées Hotel trug ursprünglich den Untertitel Von der Hitze des Winters.

Copyright © der Originalausgabe 2011 Edition Combes im Verlag Frank de la Porte, 96328 Küps

Copyright © der eBook-Neuausgabe 2015 venusbooks GmbH, München

Copyright © der aktuellen eBook-Neuausgabe 2020 venusbooks Verlag. venusbooks ist ein Verlagslabel der dotbooks GmbH, München.

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Titelbildgestaltung: Nele Schütz Design, München, unter Verwendung eines Bildmotivs von shutterstock/Pawel Sierakowsky

eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH

ISBN 978-3-96898-056-0

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Im realen Leben dürfen Erotik, Sinnlichkeit und sexuelle Handlungen jeder Art ausschließlich zwischen gleichberechtigten Partnern im gegenseitigen Einvernehmen stattfinden. In diesem eBook werden erotische Phantasien geschildert, die vielleicht nicht jeder Leserin und jedem Leser gefallen und in einigen Fällen weder den allgemeinen Moralvorstellungen noch den Gesetzen der Realität folgen. Es handelt sich dabei um rein fiktive Geschichten; sämtliche Figuren und Begebenheiten sind frei erfunden. Der Inhalt dieses eBooks ist für Minderjährige nicht geeignet und das Lesen nur gestattet, wenn Sie mindestens 18 Jahre alt sind.

Shayla K. Fields

AIMÉES HOTEL

Verborgene Leidenschaft

Erotischer Roman



venusbooks

Prolog

»Anständig ist ein dehnbarer Begriff, finden Sie nicht?«, sagte Aimée und öffnete eine neue Flasche Wein. Eine unetikettierte, mit Staub bedeckte aus dem Weinkeller des Hotels, in dem ganz besondere Schätze für besondere Anlässe lagerten. Dieser Abend war ein solcher Anlass.

Björn und Maria sahen sich an und kicherten wie Teenager. Aimée freute sich mit ihnen. Den beiden war deutlich anzumerken, dass sie fest entschlossen waren, das Beste aus der Ausnahmesituation zu machen. Und die war nun wirklich alles andere als erfreulich.

In vier Stunden würde es Mitternacht schlagen. Dann sollten sie hier eigentlich im Kreise ihrer engsten Freunde auf Marias vierzigsten Geburtstag anstoßen und in das neue Lebensjahr hineinfeiern. Zu diesem Zweck hatte Björn bereits seit Monaten heimlich mit Marias Freunden Pläne geschmiedet, alle miteinander in dieses Hotel eingeladen und Maria unter dem Vorwand, ein kuschliges Wellness-Geburtstags-Wochenende für Zwei gebucht zu haben, hierher entführt. Alles war vorbereitet. Es wäre die perfekte Überraschung gewesen. Doch dann kam es ganz anders.

Vor einigen Stunden hatte es angefangen zu schneien, unerwartet und so heftig wie seit Jahren nicht mehr. Innerhalb weniger Stunden hatte sich die Lage dramatisch zugespitzt. Im Radio wurde Katastrophenalarm gegeben, und seit dem späten Nachmittag war klar, dass keinem der geladenen Gäste mehr die Anreise möglich sein würde. Einige saßen am Flughafen fest, andere im Stau, und eine Freundin kam gar nicht erst mit dem Auto vom Grundstück, weil die Räumfahrzeuge ihre Einfahrt mit einer über zwei Meter hohen Schneewand versperrt hatten, die sich unverzüglich zu Eis verfestigt hatte. Hinzu kam ein eisiger Wind, der den Schnee mitten auf den Straßen zu Schneewehen auftürmte und die Räumdienste vor unlösbare Aufgaben stellte. Es war, als hätten sich die Elemente gegen Maria verschworen. Natürlich hatte Björn es nicht geschafft, die stündlich eintrudelnden Absage-Nachrichten auf seinem Handy vor ihr zu verheimlichen. Es fiel ihr nicht leicht, Haltung zu bewahren. Ausgerechnet der Vierzigste. Und noch immer fielen die Flocken unaufhörlich vom Himmel. So stand statt einer ausgelassenen Party ein stiller Abend am Kamin auf dem Programm.

Gerade als Björn zu einer Antwort ansetzen wollte, knirschte und ächzte es über ihnen. Nur leise, aber es war klar, dass sich das Jahrhunderte alte Holz des Dachstuhls unter der Last des Neuschnees bewegte.

»Unheimlich«, wisperte Maria und sah nach oben, als erwartete sie, dass jeden Moment etwas durch die Decke brach. »Gestern noch wolkenloser Himmel, und nun dieses Katastrophenwetter. Wer hätte gedacht, dass es an einem einzigen Tag so viel schneien kann?«

Aimée winkte ab.

»Machen Sie sich keine Sorgen, dieses Haus hat schon ganz andere Winter heil überstanden. Was man von den Straßen nicht behaupten kann, die brechen jedes Jahr auf und müssen im Frühling repariert werden. Seien Sie froh, dass Sie und Ihre Freunde nicht unterwegs sind, das wäre jetzt lebensgefährlich!«

»Waren Sie schon mal richtig eingeschneit?«

»Mehr als einmal«, antwortete Aimée. »Wenn es kalt genug ist und der Schnee liegen bleibt, kommt tagelang niemand mehr den Berg hinauf oder hinunter. Manchmal gibt es Frostschäden in den Kabelschächten, dann sind auch die Daten- und Telefonleitungen unterbrochen.«

»Oh, und was machen Sie dann? Und Ihre Gäste? Sie sind ja hier oben auf sich allein gestellt.«

Aimée lachte.

»Wir tun genau das, was wir jetzt gerade machen.«

»Ihren Weinkeller leertinken?«

»Manchmal auch das, ja. Aber vor allem kommt man miteinander ins Gespräch. Auf eine Art und Weise, die im normalen Alltag kaum möglich ist.«

»Kunststück«, sagte Björn, »mit wem soll man sich denn auch unterhalten, wenn nicht miteinander? Die Eichhörnchen am Fenster sind nicht so gesprächig.«

»Das sagt sich so leicht«, erklärte Aimée. »Sie wissen doch selbst, wie das ist. Sie kamen hierher, um zu feiern, um mal abzuschalten und ein paar Tage lang auszuspannen. Steht Ihnen da der Sinn wirklich nach Konversation mit unbekannten Menschen?«

»Mir nicht«, sagte Maria. »Das ist mir zu stressig.«

»Eben. Die meisten Menschen fangen erst an, neue Kontakte zu knüpfen, wenn Ihnen die Decke auf den Kopf fällt oder sie sich in einer akuten Ausnahmesituation befinden. In diesem Falle ist es die Tatsache, dass sie hier nicht wegkommen. So war es bisher immer, und ich denke, es wird auch diesmal nicht anders sein.«

»Rechnen Sie denn damit, dass es so weiterschneit?«

»Das weiß niemand. Aber wir sind gut vorbereitet. Auch auf das manchmal höchst irrationale Verhalten, das manche Gäste an den Tag legen. Sie meinen es nicht böse. Es ist das Gefühl des Ausgeliefertseins, das ihnen Angst macht und Persönlichkeitsfacetten ans Licht bringt, die normalerweise gut verborgen sind. So ähnlich, wie wenn sie im Fahrstuhl festsitzen. Oder in einem Zug, der mitten im Tunnel stehenbleibt.«

»Verstehe ich nicht«, sagte Maria. »Ich finde es eigentlich ganz romantisch, so eingeschneit zu sein.«

»Ja, das sagen alle. Zu Anfang sind sie noch fasziniert vom Ambiente und vom Schnee. Sie stiefeln ums Haus, bestaunen die Eiszapfen, ignorieren sich gegenseitig höflich und freuen sich an der Postkarten-Winterlandschaft. Nach einer Weile wird es ihnen langweilig, und sie trudeln nacheinander hier unten im Kaminzimmer ein, führen gepflegten Smalltalk, Konversation eben. Bis auch das nicht mehr genügt, weil sich Ungeduld und Hilflosigkeit bemerkbar machen. Dann wird es spannend.«

»Inwiefern?«

»Weil die Menschen ihre Masken fallen lassen, auf die eine oder andere Weise. Das bleibt nicht folgenlos. Manche kamen hier als Singles an und gingen als frisch verliebtes Pärchen. Oder umgekehrt.«

»Wie, umgekehrt?«, fragte Maria. »Paare, die nach ihrem Aufenthalt getrennte Wege gingen?«

»Genau. Sie glauben gar nicht, was so eine kleine Schneekrise in den Menschen zum Vorschein bringt. Das ist …«

Aimée unterbrach sich selbst.

»Warum sprechen Sie nicht weiter?«

»Ich überlege nur gerade, ob es klug wäre, wenn ich Ihnen das erzähle. Im Radio hieß es vorhin, dass die Straßen ab morgen wieder frei sein könnten, doch verlassen würde ich mich darauf nicht.«

Sie hielt abermals inne.

»Na, nun sagen Sie schon, was Sie meinen«, bat Maria. »Was soll uns denn passieren? Im schlimmsten Falle igeln wir uns hier bei Ihnen ein und erzählen uns noch ein paar Geschichten.«

»Sie sagen es, liebe Maria.« Aimée sah sie beiden forschend an. »Es könnte sein, dass wir noch ein paar Tage hier von der Außenwelt abgeschnitten sind, und dann könnte es sein, dass …«

»Ein paar Tage«, wiederholte Björn. »Dauert es so lange, bis die Räumdienste die Straßen freigeschaufelt haben?«

»Im längsten Falle mussten die Gäste schon einmal zehn Tage ausharren. Zwischendurch kam ein Hubschrauber und hat zwei von ihnen ausgeflogen.«

»Hubschrauber!«, wiederholte Maria verblüfft. »So schlimm?«

»Und teuer noch dazu«, sagte Aimée. »Doch es war das kleinere Übel. Die beiden mussten hier weg, um jeden Preis.«

»Das klingt nach einem handfesten Drama.«

»Das war es auch. Ein Liebesdrama. Inzwischen sind die beiden geschieden.«

»Weia«, murmelte Maria. »Möchten Sie uns darüber mehr erzählen?«

»Über diesen Fall lieber nicht«, wehrte Aimée sofort ab. »Die Sache endete einfach zu traurig. Aber es gibt einige andere Geschichten, die Sie bestimmt interessieren.«

»Und alle haben mit dem Schnee zu tun?«

»Ja. Wenn Sie hier im Tiefschnee festsitzen, gibt’s zwei Möglichkeiten. Sie akzeptieren es, machen das Beste daraus und genießen, wenn Sie zu zweit sind, die unerwartete Paarzeit. Sie spazieren durch die verschneite Landschaft, entspannen im beheizten Pool, gehen Schlittschuhlaufen am See oder schlemmen sich durch unsere Speisekarte. Oder, und das kommt eben leider auch vor, Sie drehen durch.«

»Wie, durchdrehen?«, fragte Björn.

»Indem Sie sich ärgern und versuchen, irgendwen zu finden, dem Sie die Schuld an allem geben können. Natürlich finden Sie keinen. Allein mit Ihrem Partner halten Sie es aber auch nicht aus, weil viel zuviele unausgesprochene Dinge zwischen Ihnen stehen. Dinge, die Sie im Alltag oder während eines normalen Urlaubs locker ignorieren und verdrängen können. Aber eben nicht, wenn Sie zum Ausharren im Schnee gezwungen sind. Im Extremfall noch dazu ohne Telefon und Internet. Sie können nicht länger so tun, als sei alles in Ordnung. Jede Minute, die Sie miteinander verbringen, lässt die Schutzwand zwischen Fassade und ehrlichen Empfindungen brüchiger werden. Dann genügt ein falsches Wort, und die Aggression, die unterdrückten Gefühle brechen sich Bahn.«

»Dazu braucht’s aber viele Leichen im Keller, würde ich sagen«, gab Maria zu bedenken. »Welches Paar lebt denn auf Dauer damit?«

»Mehr, als Sie ahnen«, antwortete Aimée.

»Ich habe hier schon einige Paare erlebt, die jahrelang zusammen waren, ohne einander wirklich zu kennen. Im Falle des Pärchens, das wir ausfliegen ließen, kam es bereits am dritten Tag zu Handgreiflichkeiten, bei denen nicht nur die beiden, sondern auch andere Gäste blaue Flecken davontrugen. Die beiden zerlegten sogar fachgerecht das Mobiliar im Zimmer.«

»Meine Güte …«, murmelte Maria. »Aber es ist doch nur Schnee? Wie kann es sein, dass deswegen jemand gleich so ausrastet? Warum passiert das nicht auch in der Warteschlange beim Einchecken im Flughafen? Oder im Stau? Da ist man doch auch gezwungen, gemeinsam auszuharren?«

»Weil es eben nicht nur der Schnee ist.«

»Sondern?«

Aimée lehnte sich in ihren Sessel zurück und drehte ihr leeres Weinglas in den Händen.

»Es ist eine Naturgewalt, die Ihnen ihren Willen aufzwingt und Sie dazu bringt, an einem Ort zu bleiben, ob Sie wollen oder nicht.«

»Ja, und? Es ist doch toll hier«, sagte Björn. »Es gibt wahrhaft üblere Häuser, in denen ich lieber nicht eingeschneit sein will.«

»Sie wären überrascht, wieviele Gäste das nach einer Weile ganz anders sehen«, sagte Aimée. »Vielleicht können Sie das nicht nachvollziehen. Sie fühlen sich hier wohl. Ihnen kann dieser Ort hier nichts anhaben, weil Sie keine Geheimnisse mit sich herumschleppen. Ihnen ist es doch bestimmt schon aufgefallen, oder?« Sie wandte sich an Maria. »Sie sind feinfühlig und haben es bereits gemerkt, stimmt’s?«

Maria wurde rot.

»Was gemerkt? Hab ich was verpasst?«, fragte Björn belustigt.

»Nein, Schatz«, sagte Maria, »aber es stimmt schon. Ich habe heftig geträumt letzte Nacht. Irgendwas ist hier, das meine Phantasie auf Touren bringt.«

»Oh? Erzähl doch mal«, sagte Björn und legte den Arm um sie. »Du weißt doch, was man in fremden Betten träumt, geht in Erfüllung!«

Maria sah ihn vielsagend an.

»Nun, dann wird das heute eine sehr interessante Nacht, mein Schatz«, lächelte sie und entzog sich ihm sanft. »Später. Ich will erst noch mehr über das wissen, was Aimée angedeutet hat. Was kann passieren, wenn man hier festsitzt?«

»Ihnen?«, fragte Aimée. »Vermutlich gar nichts. Weil Sie kein Problem damit haben, die Natur als das zu akzeptieren, was sie ist: stark und wild. Genau damit tun sich die meisten Menschen sehr, sehr schwer.«

»Womit wir wieder beim ursprünglichen Thema wären«, warf Björn ein. »Ich nehme mal an, mit wilder Natur meinen Sie nicht unbedingt nur das Wetter …«

»Richtig«, sagte Aimée, »die menschliche Natur lässt ebensowenig mit sich handeln. Sie lässt sich kultivieren, zivilisieren, manchmal auch in Konventionen und Spielregeln pressen, aber wenn Sie ganz ehrlich sind, dann werden Sie zugeben müssen, dass das nur Hilfsmaßnahmen sind. In Wirklichkeit sind Sie dieser Natur ausgeliefert und müssen lernen, mit ihr zu leben. Wenn Sie sie verleugnen oder sich gegen sie stellen, bekommen Sie ihre ganze Macht zu spüren. Manchmal auch ihren Zorn. Dann tun Sie Dinge, die Sie selbst nicht verstehen. Weil das die Art Ihrer Natur ist, Ihnen zu zeigen, dass da etwas brachliegt, das zu Ihnen gehört und gelebt werden will.«

»Wir sind doch keine Tiere …«, murmelte Björn missbilligend. »Sie tun ja gerade so, als seien wir unseren wilden Trieben wehrlos ausgeliefert.«

»So meine ich das nicht, lieber Björn.«

»Wie denn dann?«

»Ich denke, Sie haben mich schon verstanden. Wir sind in der Lage, uns mit unserer Natur bewusst zu beschäftigen, sie anzunehmen und als Teil unseres Wesens zu akzeptieren.«

»Was mit dem Tiefschnee nun gar nichts mehr zu tun hat«, folgerte Maria und lächelte. Ihr gefiel die Richtung, die das Gespräch nahm. Sie ahnte, worauf die Hotelbesitzerin anspielte. Aimée lächelte zurück.

»Ihre Geburtstagsparty ist übrigens nicht die erste, die wegen extremen Schneefalls abgesagt werden musste. Vor einigen Jahren hatten wir hier genau um diese Zeit innerhalb weniger Stunden die heftigsten Schneefälle seit Beginn der Wetteraufzeichnungen. Dummerweise war das nicht vorherzusehen, weshalb kein Wort davon im Wetterbericht kam. An diesem Wochenende sollten gleich mehrere Feiern hier stattfinden. Unter anderem die einer Frau, die ebenfalls vierzig wurde und diesen Tag ganz besonders feiern wollte. Doch der Schnee machte allen einen dicken Strich durch die Rechnung …«

Episode 1
DAS BUFFET IST ERÖFFNET

»Wer an einem 21. Dezember Geburtstag hat, sollte halt auf alles gefasst sein«, stellte Lexi missmutig fest und trat mit der Stiefelspitze gegen den zusammengeschippten Schnee, der sich gut anderthalb Meter hoch neben dem schmalen Weg auftürmte. Der mächtige Schneehaufen reagierte nicht. Natürlich nicht, dachte Lexi sauer. Ignorier mich ruhig. Macht ja sonst auch jeder.

Sie warf einen letzten langen Blick auf das Ende der Einfahrt und hoffte, endlich die ersehnten Lichter zu sehen. Doch es blieb dunkel im Wald. Keine Band, keine weiteren Gäste, kein gar nichts. Nur Millionen Tonnen Schnee. Toller vierzigster Geburtstag.

Anne strich ihrer Freundin tröstend über die zerzausten blonden Locken, in denen sich bereits Eiskristalle sammelten.

»Na komm, wir gehen wieder rein. Heute kreuzt hier garantiert keiner mehr von der Band auf. Wäre auch extrem leichtsinnig, mit Instrumenten im Auto die vereiste Straße entlang zu kurven …«

»Noch eine Minute, vielleicht kommt doch noch jemand?«

»Alexandra«, sagte Anne gedehnt. »Bei aller Liebe, aber mir frieren allmählich die Füße ab, und deine Lippen sind schon ganz blau. Lassen wir es gut sein und machen das Beste draus, ja?«

»Das Beste«, muffte Lexi. »Na gut, von mir aus.«

»Braves Mädchen«, sagte Anne. »Außerdem hätte es noch viel schlimmer kommen können.«

»Wie denn?«, fragte Lexi. »Ich bin es ja gewohnt, dass mein Geburtstag zugunsten von Weihnachten wegrationalisiert wird. Aber ausgerechnet der Vierzigste? Das ist doch Scheiße.«

Ihre Stimme zitterte. Anne merkte, dass ihre Freundin den Tränen nahe war. Kein Wunder. Vor einem Jahr hatte sie sich von ihrem Mann scheiden lassen und danach relativ glücklos Ablenkung in einigen bedeutungslosen Affären mit deutlich jüngeren Männern gesucht. Was zwar eine hervorragende Egopolitur war und ein ganz unterhaltsames Spiel, aber nichts mit der Liebe zu tun hatte, nach der sie sich so sehr sehnte. Vor ein paar Wochen war er dann aufgetaucht, der Mann, der sich in Rekordzeit durch den Eispanzer um Lexis Herz geschmolzen und es geschafft hatte, dass sie sich in ihn verliebte. Viel zu früh und viel zu heftig. Nur um kurz darauf durch einen Zufall herauszufinden, dass er ein paar hundert Kilometer entfernt Frau und Kinder hatte und ein heimliches, nahezu perfekt organisiertes Doppelleben führte. Vollidiot.

Nein, das letzte Jahr war für Lexi kein Spaziergang. Nun wurde sie vierzig. Eine Tatsache, die sie eigentlich gebührend feiern wollte, mit einem großen Fest und all den Menschen, die ihr etwas bedeuteten. Das Schicksal und der Wettergott hatten entschieden, daraus nichts werden zu lassen. Doch Anne war fest entschlossen, Lexi wieder aufzumuntern.

»Ja, es könnte durchaus schlimmer sein«, wiederholte sie energisch und zog Lexi am Arm nach drinnen. »Immerhin sind Sammy und die anderen hier. Stell dir mal vor, sie wären ein paar Stunden später losgefahren und mitten in der Botanik stecken geblieben. Dann säßen wir zwei Hübschen jetzt hier alleine fest und wären ganz hibbelig vor Sorge. So können wir wenigstens einen lustigen Abend haben. Wir haben zwar keine Band, aber ein gemütliches Dach über dem Kopf und genug zu Essen. Es wäre doch eine Schande, das umkommen zu lassen!«

»Ja, Essen für fünfzig Leute«, sagte Lexi traurig. »Der reinste Hohn. Wir sind zu fünft!«

Sie fühlte sich schäbig und undankbar, weil sie Annes Bemühungen, den Abend zu retten, so brüsk abwehrte. Doch sie konnte nicht aus ihrer Haut. Alles an diesem Tag lief schief. Und seit klar war, dass der Schnee nicht nur die Band, sondern auch die meisten Gäste davon abhielt hierherzukommen, rutschte sie unaufhaltsam in ein Stimmungstief, das sie so fest umklammert hielt wie ein enger Brunnenschacht, aus dem sie nur ein Feuerwehrmann ohne Schulterknochen würde befreien können. Ein extrem gutaussehender Feuerwehrmann.

Lustlos ging sie hinter Anne zurück durch die Lobby. Im Gesicht nadelte es schmerzhaft, als die eisige Haut mit der wohligen Wärme des Hauses zusammentraf. Dann griff das Nadeln auf Arme und Beine über. Stärker, als Lexi es kannte.

»Mir ist komisch«, sagte sie, »ich brauch einen Moment.«

»Ist dir schlecht?«

»Nein, nur schwindlig. Ich fühl mich wie ein eingeschlafener Fuß.«

Der Boden neigte sich unter ihren Füßen. Sie hechtete in einen der Sessel, die gegenüber der Rezeption standen, legte den Kopf auf die Knie und wartete, bis ihr Kreislauf wieder funktionierte.

»Hey Süße, du zitterst ja«, stellte Anne besorgt fest und nahm ihre Hand. »Willst du dich lieber hinlegen? Soll ich dich raufbringen?«

»Kommt nicht in Frage«, sagte Lexi entrüstet. »Wenn ich jetzt auch noch schlappmache, fehlen doch schlagartig weitere zwanzig Prozent der Gäste!«

Anne lachte.

»Solange du Witze darüber machen kannst, ist es ja gut. Na, dann komm.«

Sie nahm Lexi am Arm und öffnete die Tür zum Kaminzimmer, das eigens für diesen Anlass zum Partyraum umgestaltet worden war. Die leere Bühne schien ihnen geradezu spöttisch entgegen zu schauen. Alles war fertig verkabelt, Licht, Anlage, es fehlten nur noch die Musiker. Auf der rechten Seite vor der Bühne war ein Buffet aufgebaut, auf dem sich köstliche Leckereien stapelten: feinstes Sushi, Häppchen, Salate, Gegrilltes, Früchte, bunte Dips und verschiedene Brotsorten. Daneben befand sich jede Menge süßes Gebäck. Sogar ein kleiner Schokoladenbrunnen stand dort, umringt von kleinen Töpfchen mit Sahne-, Vanille- und Fruchtsaucen. Ein Traum.

»Da seid ihr ja«, begrüßte Sammy die beiden Frauen und kam ihnen entgegen. »Wir dachten schon, ihr versucht zu türmen und buddelt euch zum nächsten Bahnhof durch!«

»Garantiert nicht mit leerem Magen«, konterte Anne frech.

»Und? Wie sieht’s draußen aus?«, fragte Boyd.

»Finster und saukalt«, antwortete Lexi, schlüpfte aus ihrer dicken Jacke und rieb sich die Hände. »Wie am Nordpol. Heute kommt hier definitiv niemand mehr durch.«

»Dann lasst uns doch einfach mal anstoßen«, entschied Sammy und ging zur Bar, wo der gekühlte Champagner auf durstige Partygäste wartete.

Lexi gab sich einen Ruck. Auch wenn ihr elend zumute war, wollte sie zumindest versuchen, den anderen den Abend nicht zu verderben. Immerhin waren sie ihretwegen angereist und saßen nun mit fest.

»Also gut, dann erkläre ich die Party offiziell für abges…«

»Für eröffnet«, schnitt Anne ihr das Wort ab. »Das wolltest du sagen, oder?«

Lexi musste lachen. Anne war großartig.

»Ja, wollte ich.«

Sammy öffnete geschickt die erste Flasche Champagner und goss fünf Gläser voll. Lexi ging mit Anne zur Bar. Auch Boyd und Mark erhoben sich von dem gemütlichen roten Sofa und kamen zu ihnen.

»Willkommen im Vierziger-Club, Süße«, sagte Anne, küsste Lexi auf die Wange, nahm ein Glas und reichte es ihr. »Du wirst sehen, sobald eine Vier vor dem Alter steht, wird es richtig spannend.«

»Stimmt, du warst ja als Einzige bis heute in den Dreißigern«, stellte Sammy fest und erhob ebenfalls sein Glas. »Na dann Prost, auf unser Küken, auf das Glück und auf die Liebe!«

Klirrend berührten sich die fünf Gläser. Lexi trank ihres in einem Zug leer. Der Champagner schmeckte erstklassig, wärmte von innen und stieg ihr sofort in den Kopf.

»Mehr«, sagte Anne stellvertretend für sie, und Sammy schenkte noch einmal nach. Auf die Liebe, hatte er gesagt. Dabei könnte er sich diesen Trinkspruch selber einmal zu Herzen nehmen, dachte Lexi.

Sammy und Boyd gehörten genau wie Anne seit fast zwanzig Jahren zu ihrem engsten Freundeskreis. An diesem Wochenende waren sie beide ohne Freundinnen unterwegs. Zum Glück, dachte Lexi. So sehr sie die beiden Männer und ihre geistreichen Gespräche schätzte, so befremdend fand sie deren Frauengeschmack. Zuviel Hühnchenfaktor, zu wenig Hirn. So lautete in den meisten Fällen Annes und Lexis einhelliges Fazit, wenn einer oder beide wieder mit einer Neueroberung anrückten. Ob es wohl daran lag, dass sich beide von Montag bis Freitag mit brottrockener Wissenschaft beschäftigten? Sie hatten ebenso wie Anne und Lexi Physik studiert, waren aber nicht in die Industrie, sondern in die Forschung gegangen und arbeiteten in Frankfurt, in einem Institut für Materialkunde. Die Bruchfestigkeit von Plexiglasscheiben zu errechnen und durch Zugabe von Verbundstoffen zu optimieren, mochte zwar ein lohnendes Aufgabengebiet sein, stellte sich aber als sterbenslangweilig dar und bestand im Wesentlichen aus Zahlenkolonnen und Analysen.

Heute Abend waren die beiden jedenfalls als Singles unterwegs und hatten statt weiblicher Begleitung ihren Kollegen Mark mitgebracht. Einen Mann, den Lexi bisher nur vom Sehen kannte, aber auf Anhieb sympathisch fand.

»Ich glaube, ich brauche erstmal eine Grundlage, bevor ich noch mehr von diesem prächtigen Stoff hier trinke«, stellte Boyd fest und hielt sein Glas in die Höhe. »Sollen wir mal schauen, was der Koch uns Feines zusammengestellt hat?«

»Auf jeden Fall, ja, ich bin am Verhungern«, sagte Lexi.

»Na, dann werden wir dich mal füttern.«

Sammy verbeugte sich übertrieben vor Lexi, machte dann eine ausladende Handbewegung zum Buffet und fragte:

»Was darf’s sein? Süß oder deftig?«

»Deftig für den Anfang, bitte.«

»Kommt sofort.« Er nahm einen Teller und arrangierte ein paar bunte Häppchen darauf.

»Danke, ihr seid echt lieb.« Sie wollte den Teller nehmen, doch Sammy zog ihn wieder zurück und stellte ihn auf das Buffet.

»Nicht so schnell«, sagte er und grinste spitzbübisch. »Ich finde, du solltest das richtig zelebrieren. Soweit ich sehen kann, steht hier das Leckerste, was ich in diesem Jahr zu Gesicht bekommen habe. Wie wäre es, wenn du deinen Geschmacksnerven ein bisschen was zu tun gibst? Das hebt deine Laune garantiert sofort!«

»Kannst du mir verraten, wovon du redest?«, fragte Anne.

»Gibst du mir bitte mal dein Tuch?«, fragte er, statt zu antworten. Anne reichte ihm ihren langen schwarzen Seidenschal, den sie locker um den Hals geschlungen trug.

»Was willst du denn damit?«

»Sagte ich doch: Geschmacksnerven kitzeln. Stillhalten, Geburtstagskind!«

Er legte Lexi das Tuch um den Kopf und zog es über die Augen. Das Schwarz der kühlen Seide war vollkommen blickdicht. Lexi spürte, wie ihr schon wieder ein wenig schwindlig wurde. Der Champagner wirkte intensiver, als sie erwartet hatte.

»Spielen wir jetzt blinde Kuh?«, fragte sie.

»Viel besser«, erklärte Sammy. »So, Mund auf.«

»Wer, ich?«

»Wer denn sonst?«

Lexi hörte, wie er näher kam. Dann stieg ihr der Duft des Essens in die Nase. Es war ein eigenartiges Gefühl, nichts sehen zu können und nicht zu wissen, was die anderen taten. Blinde Kuh, das passt ja schon irgendwie, dachte sie sarkastisch. Ich habe keinen Schimmer, wie es in meinem Leben weitergehen soll. Blinder geht’s kaum mit intaktem Sehsinn.