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e-book 051 Katzenmärchen

Erscheinungsdatum: 01.08.2018

© Saphir im Stahl

Verlag Erik Schreiber

An der Laut 14

64404 Bickenbach

www.saphir-im-stahl.de

Titelbild: Maike Wesa

Vertrieb: bookwire

eISBN: 978-3-96286-011-0

Herausgeber Erik Schreiber

Katzenmärchen

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Vorwort

Katzen

Die Katze ist schon ein besonderes Wesen.
Auf der einen Seite freundlich und gutmütig, auf der anderen Seite die Begleiterin von Hexen oder gar die Hexe als Katze in der Verwandlungsphase.

Als Mäusefängerin wird sie noch gern gesehen, doch ansonsten ist sie nur ein nützliches Tier, wenn es darum geht, Kindern als Schmusetier zu dienen. Die Symbolik der Katze leitet sich vor allem aus ihren Verhaltensweisen ab. Die Katze an sich ist sehr eigenwillig. Man versteht oft nicht, wem sie ihre Zuneigung schenkt und wem sie diese verweigert. Gerade Menschen die eine Allergie gegen Katzen haben, oder solche, die diese Haustiere nicht leiden können, werden von ihnen angenommen. Sie steht daher in Märchen und Sagen für Eigenwilligkeit und Freiheitsdrang. Sie ist aber auch oft Unberechenbar. Die in Märchen und Sagen vorkommenden Katzen lassen sich hauptsächlich in zwei Gruppen einteilen. Die dunkle Seite der Katze, die sich lautlos nähert, in der Nacht die Gegend durchstreift, gilt als das Dämonische. Sie sind die Begleiter von Hexen und anderen Zauberkundigen. Gleichzeitig zeigt sie mit ihrer wohlwollenden Seite, wie sie Heldinnen und Helden hilft, ihre Aufgaben zu erledigen, hier wird aus dem kuscheligen Stubentiger plötzlich ein krallenbewehrtes Raubtier. Und letztlich gibt es noch die Seite, wo sie quasi als Retterin und Schutzengel auftritt.

Bickenbach 31.07.2018

Inhaltsverzeichnis

Der gestiefelte Kater

Die bösen Katzen

Das Kätzchen und die Stricknadeln

Kater Martinchen

Die Katze und die Maus

Das Märchen vom Schlangenkönig

Der alte Löwe und die Katze

Der Königssohn

Katze und Maus in Gesellschaft

Der Fuchs und die Katze

Die Katzenversammlung

Die Katzen und der Hausherr

Katzerl und Mauserl (2 Versionen)

Der Zug der Katzen und Hunde

Die Hausfrau und die Katze

Goso

Noe

Der Ölhändler und die Katze

Die Hexe als Katze

Die gefleckte Katze

Warum Hund und Katze einander Feind sind

Die Fälinger und der Maushund

Unsichtbarmachen

Der Katzensteg

Die überführte Hexe von Waldgrehweiler

Die Katze

Gott schafft die Katze, der Teufel die Maus

Der Katzenkönig

Katzenmusik

Der Hund und die Katze

Fuchs und Kater

Der Häuslersohn und seine Katze

Die Katze und die Mäuse

Wie die Katze ein Kindlein rettete

Wie die Katze ein Kindlein rettete

Kätzchens Entführung

Schlauheit schützt vor Täuschung nicht

Die erste Katze in Schleswig-Holstein

Die versteinerte Katze

Das Kätzchen

Das Mäuschen, das Hähnchen und die Katze

Der Adler, die Katze und das Wildschwein

Der kluge Kater und die dummen Affen

Das wütende Heer bei Pirmasenz

Die beiden Katzen

Die Katzenversammlung

Die Katze im Kuhstall

Die Katze am Fenster

Die Katze im Oberdorf

Die Katze in der Mühle

Die verfluchte Katze

Die verzauberte Weinkanne oder weswegen Hunde und Katzen Feinde sind

Alp

Die Geschichte von Mabsut

Die Katze und die Frau

Die Hausfrau und die Katze

Die Katze und die Maus

Der Federkönig

Der arme Müllerbursch und das Kätzchen

Wie der König eine Katze kaufte

Was die Katze alles konnte

Der König der Katzen

Das Paradies

Der Trick der Wildkatze

Der Streit

Die Hexe als Hase

Don Juan und die alte Zauberhexe

Der Ratsherr und der Kater

Katzenprinz

Drei weiße Bällchen

Die Söhne des Müllers

Der traurige Prinz

Die Reise nach Kaschmir

Der Wink mit der Pfote

Der Kater und der Hund

Gevatterin Katze

Die gefährliche Katze

Die Katze

Quellenangabe am Ende des Buches.

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Der gestiefelte Kater

Es war einmal ein Müller, der hinterließ bei seinem Tode seinen drei Kindern nur eine Mühle, einen Esel und einen Kater. Das Erbe war schnell geteilt. Kein Notar und kein Rechtsanwalt wurde gerufen. Die Kosten hätten auch die ganze Erbschaft aufgezehrt.

Der Älteste bekam die Mühle und der Zweite den Esel. Der Jüngste bekam den Kater, und er war untröstlich über das armselige Los, das er gezogen hatte.

„Meine Brüder,“ sagte er, „können sich jetzt anständig ernähren, wenn sie sich zusammen tun. Aber ich kann des Hungers sterben, wenn ich meinen Kater aufgegessen und aus seinem Fell mir eine Weste gemacht habe.“

Der Kater hatte diese Worte gehört, aber er ließ sich nichts merken und sagte mit wichtiger und ernster Miene zu seinem Herrn:

„Seid nicht traurig, lieber Herr, gebt mir einen Sack und lasst mir ein Paar Stiefeln machen, damit ich in den Wald gehen kann, und dann sollt Ihr sehen, dass Euer Erbteil doch nicht so schlecht ist, wie Ihr glaubt.“

Sein Herr gab nicht viel auf diese Rede, aber er hatte oft den Kater bei seiner Jagd auf Ratten und Mäuse beobachtet und er hatte gesehen, wie er sich an den Beinen aufhing, oder wie er sich im Mehl versteckte und sich tot stellte. So hatte er Zutrauen und glaubte in ihm eine Hilfe in seinem Unglück zu haben.

Als der Kater das bekommen, worum er gebeten hatte, zog er sich sofort die Stiefeln an, hing sich den Sack um den Hals, nahm den Riemen in die Pfote und ging in ein Dickicht, wo es viele Hasen gab. In den Sack steckte er Klee und Disteln, stellte sich tot und wartete, ob nicht irgendein junger, mit den Ränken dieser Welt noch wenig vertrauter Hase sich in den Sack schliche, um an dem Leckerbissen zu naschen. Kaum hatte er sich hingelegt, kam ein junges und unerfahrenes Häschen und kroch in den Sack. Da zog Meister Kater die Schnüre zu, packte das Häschen und machte ihm ohne Erbarmen den Garaus. Stolz ging er mit seiner Beute zum König und verlangte ihn zu sprechen.

Man führte ihn in das Gemach Seiner Majestät, wo er mit einer tiefen Verbeugung eintrat und so zum Könige sprach:

„Hier bringe ich Euch einen Hasen, Herr König, den Euch der Marquis von Carabas (so war der Name, den er für seinen Herrn ausgesucht hatte) als Geschenk übersendet.“

„Sage deinem Herrn,“ antwortete der König, „dass ich ihm danke, und sage ihm, er habe mir eine große Freude bereitet.“

Ein zweites Mal verbarg er sich in einem Kornfeld und legte den offenen Sack wieder hin. Und als zwei Rebhühner hineingeschlüpft waren, zog er ihn zu und fing alle beide.

Dann ging er zum König und brachte ihm, wie früher den Hasen, die beiden Rebhühner zum Geschenk. Der König nahm auch dieses Wildbret mit Freude entgegen und ließ dem Kater einen Trunk reichen.

So brachte er zwei bis drei Monate lang dem König von Zeit zu Zeit irgendein Stück aus der angeblichen Jagdbeute seines Herrn. Als er aber eines Tages erfuhr, dass der König mit seiner Tochter, der schönsten Prinzessin der Welt, am Ufer des Flusses spazieren fahren wollte, da sagte er zu seinem Herrn:

„Jetzt folgt meinem Rat, und Euer Glück ist gemacht. Ich zeige Euch eine Stelle am Fluss, da könnt Ihr baden. Das übrige lasst mich machen!“

Herr von Carabas tat, wie ihm der Kater riet, ohne zu wissen, wozu es gut sein sollte. Wie er nun badete, kam der König vorüber, und der Kater fing an, aus Leibeskräften zu schreien:

„Zu Hilfe. Zu Hilfe! Der Marquis von Carabas ertrinkt!“

Als der König diese Hilfeschreie hörte, steckte er den Kopf zum Wagenfenster heraus. Sofort erkannte er den Kater, der ihm des öfteren Wildbret gebracht hatte, und befahl seiner Leibwache, dem Marquis von Carabas schleunigst zu Hilfe zu eilen.

Während man den armen Marquis aus dem Fluss zog, trat der Kater an den Wagen heran und berichtete dem König, dass Diebe gekommen seien und die Kleider seines badenden Herrn gestohlen hätten, trotzdem er ihnen, so laut er konnte, zugerufen hätte. In Wahrheit hatte der Schlauberger die Kleider unter einem großen Steine versteckt.

Sogleich gab der König seinem Kammerdiener den Auftrag, einen seiner schönsten Röcke für den Marquis von Carabas zu holen.

Tausend Aufmerksamkeiten erwies der König dem Marquis, und da das schöne Gewand, das er ihm schenkte, seine Gestalt gut zur Geltung brachte, gefiel er der Tochter des Königs sehr, und kaum hatte der Marquis von Carabas zwei bis drei bei aller Ehrfurcht doch ein wenig zärtliche Blicke mit ihr getauscht, da war sie bis über die Ohren in ihn verliebt.

Der König lud ihn ein, in den Wagen zu steigen und die Spazierfahrt mitzumachen.

Froh über das gute Gelingen seines Planes, ist der Kater vor dem Wagen her. Als er zu Bauern kam, die eine Wiese mähten, rief er ihnen zu:

„Ihr guten Leute, wenn Ihr nicht sagt, dass diese Wiese, die Ihr mäht, dem Herrn Marquis von Carabas gehört, so werdet Ihr alle miteinander zu Pastetenfleisch zerhackt!“

Richtig fragte sie der König, wem diese Wiese gehöre, die sie mähten.

„Dem Herrn Marquis von Carabas“, riefen sie wie mit einer Stimme, denn die Drohung des Katers hatte ihnen Angst gemacht.

„Da habt Ihr ein schönes Erbe“, wandte sich der König an den Marquis von Carabas.

„Ja, Sire“, antwortete der, „die Wiese hier bringt alle Jahre schöne Erträge.“

Meister Kater, der immer vorneweg lief, kam zu Schnittern und rief ihnen zu:

„Ihr guten Leute, die Ihr da mäht, wenn Ihr nicht sagt, dass diese Kornfelder dem Herrn Marquis von Carabas gehören, so werdet Ihr alle klein gehackt wie Pastetenfleisch!“

Als der König einen Augenblick später vorüberfuhr, wollte er wissen, wem die Felder gehörten, die er da sah.

„Dem Herrn Marquis von Carabas“, antworteten die Schnitter, und der König und der Marquis hatten ihre Freude an der Antwort.

Allen Leuten, die er traf, schärfte der Kater, der immer vor dem Wagen her lief, denselben Spruch ein, und der König wunderte sich sehr über den großen Reichtum des Herrn Marquis von Carabas. Am Ende kam Meister Kater an ein prächtiges Schloss. Das gehörte einem Riesen, dem Reichsten, der weit und breit zu finden war, und alle Felder, bei denen der König vorübergekommen war, gehörten zu dieser Schlossherrschaft.

Vorsichtig erkundigte sich der Kater, wer der Riese sei und was er treibe. Dann bat er um eine Audienz mit der Begründung, dass er bei seinem Schlosse nicht vorübergehen wolle, ohne sich die Ehre zu geben, seine Aufwartung zu machen.

Der Riese empfing ihn so höflich, wie es bei einem Riesen möglich ist, und bat ihn, Platz zu nehmen.

„Man hat mir versichert“, sagte der Kater, „dass es in Eurer Macht stände, die Gestalt eines jeden Tieres anzunehmen, dass Ihr beispielsweise ein Löwe sein könnt oder ein Elefant.“

„Ganz recht“, brummte der Riese, „damit Ihr’s glaubt, will ich jetzt ein Löwe werden.“

Der Kater erschrak, als er wirklich einen Löwen vor sich sah, und kletterte schleunigst auf die Dachrinne, nicht ohne Mühe und Gefahr, denn die Stiefel hinderten ihn beim Laufen. Als der Kater sah, dass der Riese wieder seine alte Gestalt angenommen hatte, kletterte er herab und gestand, dass er große Angst gehabt habe.

Dann sagte er: „Man hat mir außerdem versichert, was ich aber kaum glauben kann, Ihr könntet Euch auch in die kleinsten Geschöpfe verwandeln, beispielsweise in eine Ratte oder in eine Maus. Ich muss gestehen, ich halte das für ganz ausgeschlossen.“

„Ausgeschlossen“, höhnte der Riese, „sieh einmal an“, und in demselben Augenblick verwandelte er sich in eine Maus, die auf dem Fußboden hin und her huschte. Kaum hatte der Kater das bemerkt, da packte er die Maus und fraß sie auf.

Inzwischen war der König beim Schlosse des Riesen angekommen und zeigte Lust, hineinzugehen. Als der Kater den Wagen über die Schlossbrücke holpern hörte, lief er hin und sagte zum König:

„Eure Majestät heiße ich herzlich willkommen im Schlosse des Herrn Marquis von Carabas!“

„Wie, Herr Marquis“, rief der König aus, „dieses Schloss gehört Ihnen? Es gibt nicht leicht etwas Schöneres mit all diesen Gebäuden ringsum. Wenn Sie erlauben, gehen wir hinein.“

Der Marquis reichte der Prinzessin die Hand, und sie gingen hinter dem König her, der voranschritt. Sie kamen in einen großen Saal, wo ein herrliches Mahl bereitet war, welches der Riese für seine Freunde bestimmt hatte, die ihn am selben Tage besuchen wollten, die aber nicht gewagt hatten, zu kommen, als sie erfuhren, dass der König da sei.

Der König war entzückt von dem vortrefflichen Herrn Marquis von Carabas, und seine Tochter war in ihn verliebt, und wie der König die vielen Reichtümer sah, die dem Herrn Marquis gehörten, da sagte er zwischen dem sechsten und siebten Glase zu ihm:

„Herr Marquis, es liegt nur an Ihnen, wenn Sie mein Schwiegersohn werden wollen.“

Der Marquis von Carabas verbeugte sich und nahm das ehrenvolle Angebot des Königs an und heiratete die Prinzessin noch an demselben Tage. Der Kater aber wurde ein großer Herr und ging nur noch auf die Mäusejagd, wenn er sich die Zeit vertreiben wollte.

Moral:

Es ist fürwahr sehr angenehm,

Vom Vater Geld und Gut zu erben.

Der Arme hat’s nicht so bequem;

Er braucht jedoch nicht arm zu sterben:

Mit Fleiß und mit Geschicklichkeit

Kommt er bisweilen auch so weit.

Die bösen Katzen

Bei dem sächsischen Städtlein Buchholz, nahe bei Annaberg, liegt eine Mühle, die Katzenmühle genannt, mit der es ihrem ersten Erbauer gar absonderlich ergangen ist, denn als sie fertig war, vermochte er nicht zu mahlen und überhaupt nicht zu wirtschaften und zu hausen, denn der Teufel oder ein ihm verwandter schadenfroher Kobold hatte sein Wesen darin. In den Ställen litt es kein Vieh, im Hofe keinen Hund und keinen Hahn, auf den Dächern keine Tauben. Wenn das Werk angelassen wurde, so polterte und krachte es, als wolle alles mitten voneinanderbersten, und der Müller war darob in großer Not und Sorge, fürchtete, von Haus und Hof ziehen oder in diesem Hause zugrunde gehen zu müssen. Da geschah es einstens, dass ein paar Bärenführer, die mit einigen großen Bären von Dorf zu Dorf zogen und ihre Tiere zur Freude der Jugend tanzen ließen; gegen Abend zu der Mühle kamen und, da sie am selben Tag nicht weiterkonnten, den Müller ansprachen, bei ihm übernachten zu dürfen. Dieser sagte den Fremden, dass sein Stall zwar leer sei, dass es aber in demselben nicht geheuer, dass kein Vieh darin bleibe, sondern schrecklich tobe, schreie und schlage. Die Bärenführer meinten, ihr Vieh sei weder furchtsamer noch empfindsamer Natur, er solle ihnen nur den nötigen Platz vergönnen. Dies geschah denn, und die Bärenführer schlugen samt den Bären ihr Nachtlager im Stalle des Müllers auf. In der Nacht entstand ein entsetzliches Gepolter und Rumoren in dem Stalle, der Müller erwachte davon, und es wurde ihm himmelangst. Er bereute seine Nachgiebigkeit gegen den Wunsch der Fremden und schrieb diesen es zu, wenn jene Schaden oder Unglück haben sollten. Doch gab sich beim ersten Hahnenschrei der Lärm, und am Morgen traten die Bärenführer unversehrt aus dem Stalle. Als der Müller sie fragte, wie sie die Nacht zugebracht, so antworteten sie: „Im ganzen gut, aber das Vieh war etwas unruhig.“ Sie dankten dem Müller für seine Gastlichkeit und zogen mit ihren Bären von dannen. Desselben Tages hatte der Müller ein Geschäft in einem nahen Orte, und als er im Talgrunde dahinwandelte, hob sich ein Kopf hinter einem Busch hervor, der ihn greulich anfunkelte, und der Wirt sah gleich, das müsse der Kopf des Teufels oder eines seiner Spießgesellen sein, und da hörte er sich fragend anrufen: „Müller, hast du die großen, bösen, wilden Katzen noch in deinem Stalle?“

„Jawohl!“ antwortete der Müller. „Sie sind darin und bleiben darin!“

„Ei, so bin ich ausgebissen!“ rief die Kobolderscheinung und verschwand. Von da an kam die Mühle in guten; ungehemmten Gang, das Vieh blieb ruhig im Stalle, Hund und Hahn auf dem Hofe, und der Müller kam in guten Wohlstand.

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Das Kätzchen und die Stricknadeln

Es war einmal eine arme Frau, die in den Wald ging, um Holz zu lesen. Als sie mit ihrer Bürde auf dem Rückwege war, sah sie hinter einem Zaun ein krankes Kätzchen liegen, das kläglich schrie. Die arme Frau nahm es mitleidig in ihre Schürze und trug es dem Hause zu. Auf dem Wege kamen ihre beiden Kinder ihr entgegen, und wie sie sahen, dass die Mutter etwas trug, fragten sie: „Mutter, was trägst du?“ und wollten gleich das Kätzchen haben; aber die mitleidige Frau gab den Kindern das Kätzchen nicht, aus Sorge, sie möchten es quälen, sondern legte es zu Hause auf alte weiche Kleider und gab ihm Milch zu trinken. Als das Kätzchen sich gelabt hatte und wieder gesund war, war es mit einem Male fort und verschwunden.

Nach einiger Zeit ging die arme Frau wieder in den Wald, und als sie mit ihrer Bürde Holz auf dem Rückwege wieder an die Stelle kam, wo das kranke Kätzchen gelegen hatte, da stand eine ganz vornehme Dame dort, winkte die arme Frau zu sich und warf ihr fünf Stricknadeln in die Schürze. Die Frau wusste nicht recht, was sie denken sollte und dünkte diese absonderliche Gabe ihr gar zu gering; doch nahm sie die fünf Stricknadeln des Abends auf den Tisch. Aber als sie des andern Morgens ihr Lager verließ, da lagen ein Paar neue, fertig gestrickte Strümpfe auf dem Tische. Das wunderte die arme Frau über alle Maßen; am nächsten Abend legte sie die Nadeln wieder auf den Tisch, und am Morgen darauf lagen abermals neue Strümpfe da. Jetzt merkte sie, dass zum Lohn ihres Mitleids mit dem kranken Kätzchen ihr diese fleißigen Nadeln beschert waren, und sie ließ dieselben nun jede Nacht stricken, bis sie und die Kinder genug hatten. Dann verkaufte sie auch Strümpfe und hatte zu leben bis an ihr seliges Ende.

Kater Martinchen

Auf der Halbinsel Wittow auf Rügen ist ein Dorf, das heisst Putgarten, nicht weit von dem berühmten Vorgebirge Arkona, wo der alte heidnische Götze Swantewit weiland seinen Tempel gehabt und sein wüstes Wesen getrieben hat. In diesem Dorfe Putgarten lebte eine reiche Bäuerin, die hieß Trine Pipers. Sie war jung Witwe geworden und hatte keine Kinder, wollte auch nicht wieder freien, obgleich viele Freier um sie warben, denn sie war ein sehr schönes und frisches Weib. Das konnten die Leute nicht recht begreifen, zumal da sie sonst immer lustig und munter war und bei keinem Tanze und Gelage fehlte. Denn das musste man sagen, einen aufgeräumteren Menschen gab es nicht als diese Bäuerin, und kein Haus hatte so viel Lustigkeit als das ihrige. Alle hohen Feste hatte es Tanz und Spiel bei ihr; die Fasten wurden von Anfang bis zu Ende durchgehalten und mit Schmäusen, Spielen und Tänzen gefeiert, Pfingsten und am Johannistage ward unter grünen Lauben getanzt, und am Martinstage setzte keine Bäuerin so viele gebratene Gänse auf, und wenn sie ihr Korn eingebracht, wenn sie Ochsen oder Schweine geschlachtet oder Wurst gemacht hatte, musste die ganze Nachbarschaft sich mit freuen und mit ihr schmausen. Kurz, diese Bäuerin lebte so prächtig, dass kaum eine Edelmannsfrau besser leben konnte. In ihrem Hause war alles nett und tüchtig und fast über das Vermögen einer Bäuerin zierlich. Ebenso lustig und tüchtig sah es auf ihrem Hofe und in ihren Ställen aus. Ihre Pferde glänzten immer wie die Aale, und man hätte sie Sommer und Winter als Spiegel gebrauchen können; ihre Kühe waren die schönsten und gedeihlichsten im ganzen Dorfe und hatten immer volle Euter; ihre Hühner legten zweimal des Tages, und von ihren Gänseeiern war nie eines schier, sondern jedes gab ein Junges. Weil ihr Haus lustig und sie freigebig war, so hatte sie auch immer die schönsten und flinksten Knechte und Dirnen auf ganz Wittow.

So lebte Trine manches Jahr, und kein Mensch konnte begreifen, wie sie als Bäuerin das Leben so halten und durchsetzen konnte, und viele hatten schon gesagt: „Nun, die wird auch bald vor den Türen herumschleichen und schnurren gehen.“ Aber sie focht und schnurrte nicht herum, sondern blieb die reiche und lustige Trine Pipers nach wie vor. Andere, die dies lustige Leben so mit ansahen, meinten, es gehe nicht mit natürlichen Dingen zu; sie habe Umgang und Gemeinschaft mit bösen Geistern, und die bringen es ihr alles ins Haus und geben ihrem Vieh und ihren Früchten so wunderbaren Segen und Gedeihen, als wenn Gott nicht der beste und einzige Segenbringer und Segensprecher wäre. Viele wollten bei nächtlicher Weile einen Drachen gesehen haben, der wie ein langer feuriger Schwanz auf ihr Haus herabgeschossen sei; das sei ihr heimlicher Buhler, der hänge ihr den Wiem voll Schinken und Mettwürste, fülle ihr die Kisten und Kasten mit Silber und Gold und stehe mit am Butterfasse und helfe buttern und gehe mit in den Stall und helfe melken. Andere, noch boshafter, sagten, sie selbst sei eine Hexe und könne sich unsichtbar machen: so schleiche sie den Nachbarn in die Häuser, stehle aus Keller und Speisekammer, nehme den Hühnern die Eier aus den Nestern, melke die Kühe und rupfe den Schafen die Wolle und den Gänsen die Dunen aus. Darum sei sie so glatt und glau und könne soviele Wohlleben ausrichten und ein Leben führen, als wenn es alle Tage Sonntag wäre. Das bemerkten einige Nachbarsleute noch und schüttelten die Köpfe dabei, dass Trine eine leidige Freundlichkeit habe, womit sie wohl hexen könne, und dass sie Kindern nie in die Augen sehe, wie viel sie auch sonst mit ihnen schmeichle und kose; denn sie habe als Hexe kein Kind in ihren Augen, und es tue ihr sehr wehe, wenn sie den unschuldigen Kindern, die noch nichts verbrochen haben, in ihre reinen Augen schauen müsse.

So lief allerlei Geschwätz unter den Leuten rund, und sie flüsterten und munkelten viel über Trine Pipers; aber sie konnten ihr doch nichts anhaben und beweisen. Sie tat all ihr Werk tüchtig vor den Leuten, war redlich in Handel und Wandel, ging fleißig zur Kirche und gab Priester und Küster willig und freundlich das Ihrige und hatte immer eine offene Tasche und einen offenen Brotkorb für die Armen, wenn sie an ihre Türe kamen. Auch gingen die, welche ihr die Ehre so hinter ihrem Rücken zerwuschen, recht gern zu ihren Festen und Tänzen und schmeichelten und heuchelten ihr.

Trine Pipers hatte auf diese Weise wohl zwanzig Jahre ihre Wirtschaft geführt, und alles war ihr immer nach Wunsch geraten. Da bekam sie einen bunten Kater ins Haus, und bald ging im Dorfe und in der Nachbarschaft das Gerede: der sei es, das sei der Gewaltige, nun sei es endlich zum Vorschein gekommen, und auch ein Kind könne es sehen, der trage ihr all das Glück zu. Denn leider sind die meisten Menschen so, dass sie meinen, es müsse mit einem Menschen was Heimliches oder Ungeheures sein, wenn er die Narrenkappe des Lebens nicht gerade so trägt wie sie, und wenn er die Schellen daran nicht ebenso klingen lässt.

Ein bunter Kater ward in Trines Hause gesehen, und kein Mensch wusste, wo der Kater hergekommen war. Trine lächelte und machte einen Scherz, wenn man sie fragte, und sagte es nicht. Einigen hatte sie wohl gesagt, sie habe einen Bruder, der sei Schiffer in Stockholm, der habe ihr den schönen Kater einmal aus Lissabon mitgebracht; aber das glaubten sie nicht. Der Kater war groß, bunt und schön, grau mit gelben Streifen über dem Rücken und hatte einen weißen Fleck am linken Vorderfuß. Da schrien die alten Weiber: „Da sehen wir's ja, da haben wir's! Einen dreifarbigen Kater? Wer hat in seinem Leben gesehen oder gehört, dass es Kater mit drei Farben gibt?“ Trine liebte den Kater sehr und saß manche Stunde mit ihm allein und spielte mit ihm, der mit wohlgefälligem Brummen seinen Kopf an ihr streichelte und gegen alles, war ihr zu nah kam, ausprustete und aufpfuchste: die arme Trine ward älter, die arme Trine hatte keine Kinder, sie musste was zu spielen haben. So saß sie nun manche Stunde, wo sie sich sonst draußen in ihrer Wirtschaft tummelte, still in der Stube und spielte mit ihrem Martinichen; denn so rief sie den Kater. Martinichen und Mieskater Martinichen klang es in der Stube, Martinichen klang es auf der Flur, Martinichen auf der Treppe und auf dem Boden. Keinen Tritt und Schritt tat sie, Martinichen war immer dabei, und von dem Vorratsboden und aus der Speisekammer brachte er immer seine Bescherung mit im Munde. Kurz, der bunte Kater Martinichen aus Lissabon war ihre Puppe und ihr Spielzeug; er stand mit ihr auf und ging mit ihr zu Bette, ja sie ging nicht in die Nachbarschaft, dass sie ihr Martinichen nicht unterm Arm trug; Martinichen leckte von ihrem Teller und lappte aus ihrem Napf, er war der Liebling, er durfte alles, keiner durfte ihm was tun: Hunde wurden herausgejagt, die ihn beißen wollten, ein Knecht ward verabschiedet, weil er ihn Murrkater und Brummkater, Speckfresser und Mausedieb genannt hatte.

Dies gab Geschichten und Lügen und Märchen im ganzen Dorfe, bald im ganzen Kirchspiele, dann im ganzen Ländchen: Trine hieß eine Hexe, die einen wundersamen Kater habe, mit dem es nicht richtig sei, und vor dem man sich hüten müsse. Das sei ein Kater, einen solchen zweiten werde man in der ganzen Welt umsonst suchen; den ganzen Tag tue er nichts als fressen und sich hinstrecken und sonnen oder auf Trines Knien herumwälzen, des Nachts liege er auf ihrem Bette bis an den lichten Morgen, und doch finde der Knecht, wenn er morgens frühe zur ersten Fütterung in den Pferdestall gehe, immer zwei große Haufen toter Ratten und Mäuse vor der Haustüre aufgetürmt. Was möge das wohl für ein Kater sein, der für diesen feisten und glatten Faulenzer die Arbeit tue?

Dies Gerede und Gemunkel hatte sich freilich erst draußen herumgetrieben; dann kam es auch in Trinens Haus und zu Trinens Leuten, und ihnen fing an, bei ihr ungeheuer zu werden. Wenn sie mit schmeichelnder Stimme Mieskaterchen! Mies — Mieskaterchen! Martinichen! Misichen — Martinichen! rief und den knurrenden und spinnenden Kater auf den Schoß nahm und ihm den Rücken streichelte, und er sich dann vor Vergnügen krümmte und an ihr strich und brummte, und ihm die grünen, umnebelten Augen im Kopfe funkelten, dann guckten die Leute die beiden Spieler mit großen Augen an und wären um alles in der Welt mit ihnen nicht lange in der Stube geblieben. Trine hatte sonst immer die tüchtigsten und schönsten Leute gehabt, aber die konnten es jetzt in ihrem Hause nicht aushalten; sie zogen weg, und sie konnte zuletzt nichts als Hack und Mack in ihren Dienst bekommen, und auch die blieben nicht lange, und fast jeden Monat hatte sie frische Leute. Alle Welt glaubte nun einmal, Trine sei eine Hexe, und keiner wollte mit ihr zu tun haben. Auch war es mit der alten Gastlichkeit und Fröhlichkeit des Hauses vorbei und mit den Schmäusen und Tänzen, denn keiner wollte kommen; und Trine musste mit ihrem Mieskater Martinichen einsam sitzen und ihre Bratgänse und Würste allein verzehren.

Aber ach, du arme Trine Pipers, die du sonst so froh und fröhlich gewesen warst und alle gern erfreut hattest, wie ging es dir auf deinen alten Tagen? Nicht allein keine Gesellen und Gesellinnen und Nachbarn und Nachbarinnen kamen mehr, sich des Segens zu freuen, den Gott dir gegeben hatte, und sich mit dir zu erlustigen, sondern in wenigen Jahren verging auch das, wovon du dich hättest erlustigen können. Die Leute kopfschüttelten und flüsterten zwar, der Kater sei es, der sei bisher der unsichtbare Bringer und Zuträger gewesen und habe Scheunen, Kornböden, Keller, Speisekammern, Milcheimer und Butterfässer und Geldkatzen und Sparbüchsen gefüllt; aber nun war ja dieser Wundertäter und Hexenmeister da, warum ging es denn nicht noch gedeihlicher als vorher? Warum ging vielmehr Trinens Wirtschaft von Tage zu Tage mehr zurück? Die arme Trine hatte Knechte und Mägde, wie sie kaum ein Bettlerkrug willig beherbergt hätte, recht was man Krücken und Ofenstecken nennt; ihre sonst so glatten Pferde magerten ab und verreckten an Rotz und Wurm; ihre Schweine und Kühe hatten Läuse und gaben keine Milch mehr; ihre Schafe und Gänse wurden Drehköpfe, als hätten sie geheime Wissenschaft studiert; ihre Hühner und Enten legten keine Eier und brüteten nicht mehr; ihr Feld trug Disteln und Dornen für Korn und Weizen. Kurz, Trine geriet in zwei Jahren in die bitterste Armut: Pferde waren weg, Kühe waren weg, Schweine ausgestorben, Schafe geschlachtet, Tauben und Hühner vom Marder aufgefressen, der Hund an der Kette verhungert, kein Hahn krähte mehr auf ihrer Haustüre, kein Bettler seufzte mehr sein Gebet davor. Und Trine saß allein und verlassen mit gelben, gefurchten und gerunzelten Wangen und von Tränen und Jammer triefenden Augen und schneeweißen Haaren in der frierenden Ecke ihres leeren Zimmers und hielt ihren magern und in der Asche verbrannten Kater auf dem Schoße und weinte jämmerlich über den kargen Brocken, die man ihr von fern zuwarf; denn keiner mochte ihr gern nah kommen.

So hat man sie eines Morgens gefunden tot auf dem Boden ihres Stübchens hingestreckt und ihren treuen Mieskater Martinichen tot auf ihr liegend. Die Leute haben mit Grauen davon erzählt. Und die sonst so reiche Trine, die der Kirche und Geistlichkeit immer so gern gab, als sie noch was zu geben hatte, ist begraben, wie man Bettler begräbt, ohne Sang und Klang, ohne Glocken und Gefolge; kein Nachbar hat sie zum Kirchhof begleiten wollen, kein Verwandter ist ihrer Leiche gefolgt, sie hatte ihnen ja nichts nachgelassen. O kalte Welt, wie kalt wirst du denen im Alter, die dann nichts haben, womit sie sich die Füße zudecken können, und ach, auch die irdischen Mängel, die man mit schärferen Augen an den Alten betrachtet!

Als Trine nun tot war, erzählen die Leute, ist sie immer als Hexe umgegangen und geht bis diesen Tag als Hexe um in der Gestalt einer alten, grauen Katze, die man daran kennt, dass sie Augen hat, die wie brennende Kohlen leuchten, und dass sie ganz entsetzlich laut sprühet und prustet, wenn man sie jagt. Sie wird noch alle Mitternächte auf der Stelle gesehen, wo ehedem Trinens Haus war, und heult dort erbärmlich; im Winter aber, wann in den Scheunen und auf den Dächern die wütigen Katzenhochzeiten sind, ist sie immer voran auf der höllischen Jagd und führt das ganze Getümmel und miauet und winselt auf das allerscheußlichste. Diese Stimme verstehen die Leute in Putgarten so wohl, dass alt und jung gleich rufet: „Hört! Da ist wieder die alte Trine!“

So ist es Trine Pipers gegangen, und so geht es vielen Menschen bis diesen Tag. Sie ist eine arme, elendige Bettlerfrau geworden und hat ihren christlichen, guten Namen verloren, weil sie den bunten Kater Martinichen lieber gehabt hat als Menschen. Denn wenn sie auch keine Hexe gewesen ist, so haben die Nachbarn und Nachbarinnen es doch geglaubt, weil sie sich in ihrer unnatürlichen und hässlichen Liebe zu der unverständigen Kreatur so in des Katers Gemüt und Gebärden hineingestohlen und hineinvertieft hatte, dass sie Menschen nicht mehr so suchte und liebte wie sonst. Sie mag zuletzt auch mit Katzenfreundlichkeit geblinzelt und mit Katzenaugen geschielt und mit allerlei Katzenmännchen sich gekrümmt und gewunden haben, so dass kein Mensch und kein Vieh und also auch kein Glück es länger bei ihr hat aushalten können und sie zuletzt mit ihrem Mieskater Martinichen ganz allein geblieben und so im größten Elende umgekommen ist.

Die Katze und die Maus

Eine Katze fand eine Maus, die eben aus dem Wasser gekrochen war. Sobald sie dieselbe sah, wollte sie sie fassen und auffressen. Die Maus hatte jedoch einen schlauen Einfall und sagte: „Warte noch, jetzt habe ich noch zu viel Wasser auf meinem Körper, warte, bis ich trocken bin.“ Sie gingen und ließen sich auf einem trockenen, sandigen Boden nieder.

Da wollte sich die Katze schon wieder der Maus nähern, aber diese sprach: „Noch nicht, ich bin noch nass.“ Sie scharrte unterdessen ganz vorsichtig hier und da ein wenig; plötzlich verschwand sie und rief der Katze noch zu: „Komm, fasse mich jetzt.“ So entkam sie.

Das Märchen vom Schlangenkönig