Edgar Dahl

 

 

 

Das erste Opfer des Krieges ist die Wahrheit

 

 

 

Wie die USA den Zweiten Weltkrieg planten

 

 

Impressum

 

© Alitheia Verlag © Edgar Dahl

 

Alle Rechte vorbehalten, insbesondere das des öffentlichen Vortrags sowie der Übertragung durch Rundfunk und Fernsehen, auch einzelner Teile. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotografie, Mikrofilm oder andere Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlags und des Autors reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.

 

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

 

Für den Inhalt des Buches ist allein der Autor verantwortlich und er muss nicht der Meinung des Verlags entsprechen.

 

Created by Alitheia Verlag

 

Alitheia Verlag

Broicher Straße 130

52146 Würselen

Telefon: +49 (0) 2405 4064447

www.nibe-media.de

E-Mail:info@nibe-media.de

 

 

 

 

Thomas Dunskus in Dankbarkeit

 

 

 

 

Man traue keinem erhabenen Motiv für eine Handlung, wenn sich auch ein niedriges finden lässt.

 

Edward Gibbon

 

 

Inhaltsverzeichnis:

 

Vorwort

Roosevelt bereitet den Zweiten Weltkrieg vor

Beck verweigert jede Verhandlung über Danzig

Mussolini versucht, den Frieden zu retten

Hitler bietet seinen Rücktritt an

Der Herzog von Windsor versucht zu vermitteln

Churchill will den Sieg um jeden Preis

Kent will seinen Präsidenten stürzen

Kennedy wird zum Schweigen gebracht

Roosevelt bittet zur Kasse

Nachwort

Literatur

Anmerkungen

 

 

Vorwort

 

So ungeheuerlich es auch klingen mag: Der Zweite Weltkrieg ist nicht von Adolf Hitler, sondern von Franklin D. Roosevelt geplant worden. Wie historische Dokumente zeigen, hatte das Weiße Haus seit Herbst 1938 politischen Druck auf Polen, Frankreich und England ausgeübt und sie zu einem Krieg gegen Deutschland genötigt. Hiermit, so die Hauptaussage dieses Buches, haben sich die USA einer indirekten Kriegsentfesselung schuldig gemacht.

Das Motiv, das Roosevelt dabei verfolgte, bestand keineswegs darin, die Welt von der „Pest des Nationalsozialismus“ zu befreien. Es bestand auch nicht darin, Hitlers vermeintliche Pläne einer „Eroberung der Welt“ oder einer „Auslöschung der Juden“ zu vereiteln. Das Motiv war, wie bei nahezu allen Kriegen, rein ökonomischer Natur. Roosevelt war mit seiner neuen Wirtschaftspolitik, dem „New Deal“, gescheitert. Wie Hitler, so hatte auch Roosevelt bei seiner Wahl versprochen, sein Volk wieder in Lohn und Brot zu bringen. Anders als Hitler konnte Roosevelt sein Versprechen aber nicht einlösen. Von den 14 Millionen Menschen, die 1933 arbeitslos waren, waren 1938 immer noch 10 Millionen arbeitslos. Wie schon der Erste Weltkrieg, so sollte nun auch der Zweite Weltkrieg die Wirtschaft ankurbeln, die Arbeitslosigkeit beseitigen und der Rüstungs- und der Finanzindustrie riesige Gewinne ermöglichen. Tatsächlich sorgte der Kriegseintritt der USA schon 1943 für Vollbeschäftigung. Zudem übernahm Amerika geopolitisch wichtige Stützpunkte des britischen Imperiums. Und schließlich sorgte der Krieg sogar dafür, dass die Vereinigten Staaten von Amerika zu der größten Weltmacht auf Erden wurden.

Diese Sicht auf den Zweiten Weltkrieg mag verstörend wirken. Doch sie ist keineswegs neu. Tatsächlich war sie bereits unmittelbar nach dem Ende des Krieges von vielen amerikanischen Politikern und Historikern vertreten worden.1 Dieses Buch erhebt daher auch keinerlei Anspruch auf Originalität.

 

Edgar Dahl

Gießen, im Sommer 2019

 

 

Roosevelt bereitet den Zweiten Weltkrieg vor

 

Unmittelbar nach Beginn des Polenfeldzugs beauftragte Reichsaußenminister Joachim von Ribbentrop seinen Legationssekretär Eberhard Freiherr von Künsberg mit der Aufgabe, den gesamten diplomatischen Schriftverkehr des polnischen Außenministeriums in Warschau sicher zu stellen. Tatsächlich gelang es dem sogenannten „Sonderkommando Künsberg“, zahllose diplomatische Depeschen vor ihrer Vernichtung zu bewahren. Der deutsche Botschafter in Polen, Hans-Adolf von Moltke, stellte daraufhin eine Sammlung mit Dokumenten der polnischen Botschafter in London, Paris und Washington zusammen.2 Insbesondere die Depeschen des polnischen Botschafters in Washington, Graf Jerzy Potocki, an den polnischen Außenminister Józef Beck zeigten eindeutig, dass es das Weiße Haus war, das auf Krieg drängte und entsprechenden Druck auf die Regierungen von England, Frankreich und Polen ausübte.

Als das Auswärtige Amt die in Warschau erbeuteten Dokumente veröffentlichte, gab es aus Washington sogleich ein Dementi. So wurde etwa der polnische Botschafter Jerzy Potocki in der „New York Times“ mit der Behauptung zitiert, dass sämtliche Papiere gefälscht seien.3 Als ihn der frühere US-Präsident Herbert Hoover nach dem Krieg befragte, gab Potocki allerdings unumwunden zu, dass ihn das US State Department gezwungen hatte, die Authentizität seiner Korrespondenz zu bestreiten.4 In seinem 1962 erschienenen Tagebuch bestätigte auch der damalige polnische Botschafter in London, Graf Edward Raczynski, die Echtheit der Papiere. Im Eintrag vom 20. Juni 1940 heißt es: „Die Deutschen veröffentlichten im April ein Weißbuch mit Dokumenten aus dem Archiv unseres Außenministeriums, das Berichte von Potocki in Washington, Lukasiewicz in Paris und mir enthält. Ich weiß nicht, wie sie diese Papiere gefunden haben, zumal uns gesagt wurde, das Archiv sei vernichtet worden. Die Dokumente sind zweifellos echt, und wie man aus den handschriftlichen Notizen ersehen kann, sind sie nicht nur in den Besitz von Kopien, sondern sogar der Originale gekommen.“5

In einer Depesche vom 9. Februar 1938 berichtete Botschafter Jerzy Potocki an Außenminister Józef Beck von der Propaganda, die Präsident Roosevelt seit 1937 gegen Deutschland entfacht hatte: „Die Deutschen werden dargestellt als Volk, das unter dem Hochmut Hitlers lebt, der die ganze Welt erobern und die ganze Menschheit in einem Meer von Blut ertränken will.“6

Bereits vor dem „Anschluss Österreichs“ und dem „Münchner Abkommen“ hatte Roosevelt also eine vollkommen ungerechtfertigte Kriegsstimmung gegen Deutschland angeheizt. „In Unterhaltungen“, schrieb Potocki weiter, „stieß ich wiederholt auf den unerbittlich und mit Entschlossenheit vertretenen Standpunkt, daß der Krieg unvermeidlich ist.“7

Am 21. November 1938, also zwei Monate nach dem Münchner Abkommen und der Rückkehr des Sudetenlandes zu Deutschland, berichtete Potocki von einer Unterredung mit dem amerikanischen Botschafter in Paris, William C. Bullitt: „Er sprach davon, daß nur Gewalt, schließlich ein Krieg der wahnsinnigen Expansion Deutschlands in Zukunft ein Ende machen kann. […] Auf meine Frage, ob die Vereinigten Staaten an einem solchen Kriege teilnehmen würden, antwortete er: ‚Zweifellos ja, aber erst dann, wenn England und Frankreich zuerst losschlagen!’ Die Stimmung in den Vereinigten Staaten ist, wie er sagte, gegenüber dem Nazismus und Hitlerismus so angespannt, daß schon heute unter den Amerikanern eine ähnliche Psychose herrscht wie vor der Kriegserklärung Amerikas an Deutschland im Jahre 1917.“8

In einer Nachricht vom 12. Januar 1939 beleuchtete Potocki auch die genauen Motive, die Roosevelt zur Entfachung der „Kriegspsychose“ trieben: „Der Präsident Roosevelt war der erste, der den Hass auf den Faschismus zum Ausdruck brachte. Er verfolgte damit einen doppelten Zweck: 1. Er wollte die Aufmerksamkeit des amerikanischen Volkes von den innerpolitischen Problemen ablenken, vor allem vom Problem des Kampfes zwischen Kapital und Arbeit. 2. Durch die Schaffung einer Kriegsstimmung und die Gerüchte einer Europa drohenden Gefahr wollte er das amerikanische Volk dazu veranlassen, das enorme Aufrüstungsprogramm Amerikas anzunehmen, denn es geht über die Verteidigungsbedürfnisse der Vereinigten Staaten hinaus.

Zu dem ersten Punkt muss man sagen, daß die innere Lage auf dem Arbeitsmarkt sich dauernd verschlechtert, die Zahl der Arbeitslosen beträgt heute schon 12 Millionen. Die Ausgaben der Staatsverwaltung nehmen täglich größere Ausmaße an. Nur die großen Milliardensummen, die der Staatsschatz für die Notstandsarbeiten ausgibt, sichern noch eine gewisse Ruhe im Land. Bisher kam es zu den üblichen Streiks und lokalen Unruhen. Wie lange aber diese Art staatlicher Beihilfe durchgehalten werden kann, kann man heute nicht sagen. Die Aufregung und Empörung der öffentlichen Meinung und die schweren Konflikte zwischen den Privatunternehmen einerseits und der Arbeiterschaft andererseits haben Roosevelt viele Feinde geschaffen und bringen ihm viele schlaflose Nächte.

Zum zweiten Punkt kann ich nur sagen, daß der Präsident Roosevelt als geschickter politischer Spieler und als Kenner der amerikanischen Psychologie die Aufmerksamkeit des amerikanischen Publikums sehr bald von der innerpolitischen Lage abgelenkt hat, um es für die Außenpolitik zu interessieren. Der Weg war ganz einfach, man musste nur von der einen Seite die Kriegsgefahr richtig inszenieren, die wegen des Kanzlers Hitler über der Welt hängt, andererseits musste man ein Gespenst schaffen, das von einem Angriff der totalitären Staaten auf die Vereinigten Staaten faselt. Der Münchner Pakt ist dem Präsidenten Roosevelt sehr gelegen gekommen. Er stellte ihn als eine Kapitulation Frankreichs und Englands vor dem kampflustigen deutschen Militarismus hin. Wie man hier zu sagen pflegt, hat Hitler Chamberlain die Pistole auf die Brust gesetzt. Frankreich und England hatten also gar keine Wahl und mussten einen schändlichen Frieden schließen.“ 9

Nur vier Tage später, am 16. Januar 1939, berichtete Potocki von einem weiteren Gespräch mit Bullitt, das das weitere Vorgehen Roosevelts verdeutlichen sollte: „Vorgestern hatte ich eine längere Unterhaltung mit dem Botschafter Bullitt in der Botschaft, wo er mich besuchte. Bullitt reist am 21. des Monats nach Paris, nachdem er fast drei Monate abwesend war. Er fährt mit einem ganzen ‚Koffer’ voll Instruktionen, Unterredungen und Direktiven vom Präsidenten Roosevelt, vom [Außenministerium] und von den Senatoren, die zu der Kommission für Auswärtige Angelegenheiten gehören.

Aus der Unterhaltung mit Bullitt hatte ich den Eindruck, daß er vom Präsidenten Roosevelt eine ganz genaue Definition des Standpunktes erhalten hat, den die Vereinigten Staaten bei der heutigen europäischen Krise einnehmen. Er soll dieses Material am Quai d’Orsay vortragen und soll auch in seinen Unterredungen mit europäischen Staatsmännern davon Gebrauch machen. Der Inhalt dieser Direktiven, die mir Bullitt im Laufe seiner halbstündigen Unterhaltung anführte, ist wie folgt:

1. Eine Belebung der Außenpolitik unter Führung des Präsidenten Roosevelt, der scharf und unzweideutig die totalitären Staaten verurteilt.

2. Die Kriegsvorbereitungen der Vereinigten Staaten zur See, zu Lande und in der Luft, die in beschleunigtem Tempo durchgeführt werden muss und die kolossale Summe von Dollar 1.250.000.000 verschlingen.

3. Die entschiedene Ansicht des Präsidenten, daß Frankreich und England jeder Kompromisspolitik mit den totalitären Staaten ein Ende machen müssen. Sie sollen auf keine Diskussion, die irgendwelche Gebietsveränderungen bezwecken, mit ihnen eingehen.

4. Eine moralische Versicherung, daß die Vereinigten Staaten die Isolierungspolitik verlassen und bereit sind, im Falle eines Krieges aktiv auf Seiten Englands und Frankreichs einzugreifen. Amerika ist bereit, sein ganzes Material an Finanzen und Rohstoffen zu ihrer Verfügung zu stellen.“10

Bereits Mitte Januar 1939 stand also die Strategie, mit der Roosevelt einen Krieg mit Hitler vom Zaun brechen wollte, fest. Er wollte die damals geführten Verhandlungen zwischen Deutschland und Polen zu einem kriegerischen Konflikt eskalieren lassen. Polen, England und Frankreich sollten sich im Vertrauen auf eine amerikanische Unterstützung unnachgiebig zeigen und hartnäckig jeden Vorschlag zu einer Rückkehr Danzigs ablehnen.

Nicht nur dem polnischen Botschafter in Washington, Jerzy Potocki, sondern auch dem polnischen Botschafter in Paris, Juliusz Lukasiewicz, ist Roosevelts Plan von William C. Bullitt vorgelegt worden. Im Februar 1939 berichtete Lukasiewicz nach Warschau, dass „die Teilnahme der Vereinigten Staaten am Kriege“ gewiss sei, „natürlich erst eine gewisse Zeit nach Ausbruch des Konfliktes. Botschafter Bullitt drückte das wie folgt aus: Sollte ein Krieg ausbrechen, so werden wir sicherlich nicht zu Anfang an ihm teilnehmen, aber wir werden ihn beenden.“11

Auf Lukasiewicz’ Einwand, dass sich die Londoner Regierung möglicherweise Roosevelts Plänen verschließen könne, antwortete Bullitt: „Die Vereinigten Staaten verfügen England gegenüber über verschiedene und ungeheuer bedeutsame Zwangsmittel. Allein die Drohung ihrer Anwendung dürfte genügen, England von einer Kompromisspolitik auf Kosten Frankreichs zurückzuhalten.“12

Wie aus einer Depesche vom 29. März 1939 hervorgeht, erkannte Juliusz Lukasiewicz sogleich die Gefahr, die von Roosevelts Plänen für Polen ausgingen. Er sagte Bullitt: „Es ist kindisch naiv und gleichzeitig unfair, einem Staat, der sich in einer solchen Lage wie Polen befindet, vorzuschlagen, er solle seine Beziehungen zu einem so starken Nachbarn wie Deutschland kompromittieren und die Welt der Katastrophe eines Krieges aussetzen.“13 Er fügte hinzu, „daß Hitler sich gezwungen sehen [könnte], uns gegenüber die Anwendung von Zwang zu versuchen, worauf wir nicht anders werden antworten können als bewaffnet. Hierdurch wird ein allgemeiner europäischer Konflikt entstehen, in dessen erster Etappe wir den Druck der gesamten deutschen Macht werden aushalten müssen.“14

Weiter heißt es in der Nachricht vom 29. März: „Botschafter Bullitt nahm sich meine Ausführungen sehr zu Herzen und bat mich, sie noch einmal zu wiederholen. Ich sah, daß er jeden Absatz im Gedächtnis festzuhalten versuchte. Später fragte er mich, ob wir ein gemeinsames Bündnis annehmen würden, wenn England und Frankreich uns morgen ein solches vorschlagen sollten. […]

Am folgenden Tage, dem 25. d. M., teilte mir Botschafter Bullitt mit, er habe sich meine Anschauungen zu eigen gemacht und unter Ausnutzung der ihm zustehenden Rechte dem Botschafter der Vereinigten Staaten in London, Kennedy, den Auftrag gegeben, sich zu Ministerpräsident Chamberlain zu begeben und ihm dies alles unter kategorischer Betonung der Verantwortlichkeit der englischen Regierung zu wiederholen.“15

Diese Gespräche vom 24. und 25. März waren offenkundig die Geburtsstunde des berüchtigten „Blankoschecks“ und der dann am 31. März 1939 von Neville Chamberlain auch offiziell verkündeten britischen Garantieerklärung an Polen.

Allein die bis hierher zitierten Dokumente sollten bereits genügen, um Roosevelts Kriegspolitik hinreichend bloßzustellen. Doch es gibt noch weitere Quellen. So berichtete etwa Harry L. Hopkins, einer der engsten Berater des Präsidenten, von einem Gespräch mit dem amerikanischen Finanzberater Bernard M. Baruch, wonach auch Winston Churchill bereits im März 1939 über den kommenden Krieg informiert worden war: „Der Krieg wird bald kommen. Wir werden teilnehmen und sie [USA] werden teilnehmen. Sie werden die Show drüben leiten, während ich hier die Stellung halte.“16

Der britische Militärhistoriker John F. C. Fuller verwies auf eine ähnliche Aussage des deutsch-amerikanischen Journalisten Karl von Wiegand: „Am 25. April 1939 wurde ich von Bullitt in die amerikanische Botschaft gebeten. Er erklärte mir: ‚Der Krieg in Europa ist eine beschlossene Sache. Polen hat die Versicherung, von England und Frankreich unterstützt zu werden, und wird sich keinen deutschen Forderungen beugen. Amerika wird kurz nach England und Frankreich in den Krieg eintreten’.“17

Während es gegenüber London und Paris offenbar direkter Drohungen bedurfte, um sie auf Washingtons Kriegskurs zu bringen, hatte man mit Warschau scheinbar leichtes Spiel. So schrieb der frühere Hohe Kommissar des Völkerbundes für die Freie Stadt Danzig, Carl J. Burckhardt, in seinen Memoiren: „Am 2. Dezember 1938 hatte mich der amerikanische Botschafter in Warschau, Tony Biddle, besucht. Er erklärte mir mit merkwürdiger Genugtuung, die Polen seien bereit, wegen Danzig Krieg zu führen. […] ‚Im April’, so erklärte er, ‚wird die neue Krise ausbrechen; niemals seit der Torpedierung der Lusitania bestand in Amerika ein solch religiöser Haß gegen Deutschland wie heute! Chamberlain und Daladier werden durch die öffentliche Meinung hinweggeblasen werden. Es handelt sich um einen heiligen Krieg!’“18

Der polnische Botschafter in Washington, Jerzy Potocki, zeigte sich über die Naivität seiner Regierung entsetzt. Am 6. Juli 1939 erklärte er dem Unterstaatssekretär im Außenministerium, Jan Szembek: „Im Westen gibt es allerlei Elemente, die offen zum Krieg treiben: die Juden, die Großkapitalisten und die Rüstungsfabrikanten. Alle stehen heute vor einer glänzenden Konjunktur, denn sie haben einen Ort gefunden, den man in Brand setzen kann: Danzig; und eine Nation, die bereit ist, zu kämpfen: Polen. Auf unserem Rücken wollen sie Geschäfte machen. Die Zerstörung unseres Landes würde sie gleichgültig lassen.“19 Anders als Außenminister Józef Beck sah Botschafter Jerzy Potocki offenbar sofort, dass sich Roosevelt Polens nur bediente.

Wie eingangs erwähnt, hatte das amerikanische Außenministerium die in Warschau erbeuteten Depeschen der polnischen Botschafter in Washington, London und Paris bereits unmittelbar nach ihrer Veröffentlichung in Deutschland sogleich zu „Fälschungen“ erklärt. Der polnische Botschafter Graf Jerzy Potocki wurde vom amerikanischen Außenminister Cordell Hull sogar zu einem öffentlichen Dementi in der New York Times genötigt.20

Damals konnten sich nur wenige amerikanische Politiker ein vollständiges Bild vom Inhalt der Depeschen machen. Doch nachdem die „Polnischen Dokumente zur Vorgeschichte des Krieges“ im Juni 1940 in einer englischen Übersetzung erschienen und der Geschäftsmann Ralph B. Strassburger 17.000 Exemplare der Übersetzung kaufte, um sie an Journalisten, Senatoren und Gouverneure in ganz Amerika zu verschicken, entstand Anfang Juli 1940 eine breite Diskussion in den Medien. Der Pulitzer-Preisträger Felix M. Morley von der Washington Post war der erste amerikanische Journalist, der es wagte, die vom deutschen Auswärtigen Amt herausgegebenen Papiere als authentisch zu bezeichnen. Die meisten anderen Zeitungen versuchten die Bedeutung der Dokumente herunterzuspielen.21

Am 11. Juli 1940 nutzte Ernest Lundeen eine Senats-Sitzung, um das Thema in Gegenwart von Roosevelt anzusprechen. In einer denkwürdigen Rede sagte er: „’Dies ist mein Krieg!’ hatte der russische Botschafter Iswolski 1914 in Paris ausgerufen. ‚Dies ist mein Krieg!’ könnte auch unser Präsident ausrufen, wenn er die Katastrophe betrachtet, die Europas Kultur heute zu verschlingen droht. Europäer haben jetzt ausgesprochen, was Amerikaner schon lange argwöhnten: England, Frankreich und Polen würden ihren Streit mit Hitler am Konferenztisch beigelegt haben, wenn sich unser Präsident nicht eingemischt hätte. Die polnische Regierung würde die vernünftigen Vorschläge des deutschen Führers niemals zurückgewiesen haben, wenn Botschafter Bullitt ihr nicht die militärische Unterstützung Englands, Frankreichs und Amerikas zugesichert hätte.

Als die Deutschen Warschau eroberten, entdeckten sie in den Archiven eine Vielzahl von Dokumenten. Die prominentesten unter ihnen stammten von William C. Bullitt, unserem Botschafter in Paris, und Joseph P. Kennedy, unserem Botschafter in London.22 Vor mir liegen Fotokopien der Dokumente, von denen die Deutschen behaupten, sie in Warschau gefunden zu haben. Ich weiß nicht, ob diese Dokumente echt sind oder nicht. Ich hoffe, es handelt sich um Fälschungen, aber ich fürchte, sie sind es nicht. Ich fürchte vielmehr, sie sind echt, und sie nähren den begründeten Verdacht, daß unsere Regierung geheime Verpflichtungen gegenüber den Alliierten eingegangen ist.

Aus diesen Dokumenten ersehen wir, daß Mr. Bullitt der polnischen Regierung versicherte, Amerika sei der erklärte Feind Deutschlands. Er stachelte darüber hinaus auch Großbritannien an, Polen im Widerstand gegen Deutschland den Rücken zu stärken. Das ist von großer Bedeutung, weil gerade diese englische Handlungsweise der Hauptgrund für den Ausbruch des Krieges war. In einem Brief vom 29. März 1939 schrieb Botschafter Lukasiewicz an seinen Außenminister in Warschau, daß Mr. Bullitt unseren Botschafter Kennedy in London dringend ersucht hatte, Verbindung mit dem britischen Premierminister Chamberlain aufzunehmen und ihn zu bitten, Polen eine britische Garantie zu geben. Dies half entscheidend zum Kriegsausbruch. Polen war widerspenstig und nicht willens, die vernünftigen deutschen Forderungen anzunehmen. Dadurch wurde jede friedliche Lösung des Danzig- und Korridor-Problems unmöglich gemacht. Und England und Frankreich zogen zuversichtlich in den Krieg, weil sie die Versicherung schneller amerikanischer Hilfe zu haben glaubten.“23

Am Ende seiner Rede verlangte Lundeen eine Untersuchung durch einen Senatsausschuss. Viele prominente Anti-Interventionisten – darunter der Pilot Charles Lindbergh, der Historiker Harry Elmer Barnes und der Senator Gerald P. Nye – schlossen sich ihm an.24 Doch statt einer Untersuchung zur Tätigkeit von Bullitt gab es nur eine Ermittlung zur Veröffentlichung der polnischen Dokumente. Das „House Committee on Un-American Activities“, also das „Komitee für unamerikanische Umtriebe“, wandte sich noch im selben Monat an den New Yorker Verlag „Howell & Soskin“ und erfuhr dort, dass ihm die Dokumente von dem deutschen Journalisten Dr. Manfred Zapp angeboten und von dem deutsch-amerikanischen Schriftsteller George Sylvester Viereck übersetzt worden seien.25 Sowohl Zapp als auch Viereck wurden im Frühjahr 1941 wegen Verbreitung nationalsozialistischer Propaganda verhaftet.

Um Roosevelt und sich selbst gegen den Vorwurf zu verteidigen, den Alliierten bereits 1939 eine Teilnahme am Krieg zugesichert zu haben, überredete Bullitt den früheren französischen Ministerpräsidenten Daladier dazu, ein Entlastungsschreiben aufzusetzen, in dem es hieß, dass es keinerlei amerikanische Zusagen gegeben hätte.26

Zumindest seit den 60er Jahren wissen wir, wie gesagt, dass die polnischen Dokumente authentisch sind. Angesichts ihrer ungeheuren Erklärungskraft kann man sich nur wundern, weshalb sie nach wie vor von nahezu allen Historikern stillschweigend übergangen oder gar bewusst unterschlagen werden. Ja, man muss sich fragen, wie man überhaupt nur ein Buch zur Kriegsursachenforschung schreiben kann, dass die diplomatischen Depeschen der polnischen Botschafter in Washington, London und Paris kurzerhand ausblendet.27

Die Dokumente sprechen eine unmissverständliche Sprache: Roosevelt arbeitete seit 1937 gezielt auf einen Weltkrieg hin. Nach dem Anschluss Österreichs und dem Münchner Abkommen nutzte er den sich Ende Oktober 1938 abzeichnenden Konflikt um die Freie Stadt Danzig, um Polen, England und Frankreich gegen Deutschland in Stellung zu bringen. Obgleich die Abtrennung des Freistaates Danzigs und die Schaffung des Polnischen Korridors schon immer als die größten geopolitischen Makel des Versailler Friedensvertrags betrachtet wurden, sollten sich Warschau, London und Paris kompromisslos zeigen. Um eine politische Rechtfertigung für eine Intervention Englands und Frankreichs zu schaffen, drängte er die Regierungen von London und Paris zu einer Garantieerklärung an Polen. Warschaus Säbelrasseln sollte Hitler sodann provozieren und ihn in die von Roosevelt ausgelegte Falle tappen lassen – in einen möglichst langen Krieg gegen England und Frankreich.

Die geheimen Verhandlungen, die William C. Bullitt, Joseph P. Kennedy und Anthony J. Biddle im Auftrage Roosevelts führten, nötigen zu einer ganz anderen Sicht auf den Zweiten Weltkrieg, und es ist durchaus lohnenswert, die wichtigsten politischen Entscheidungen zwischen 1938 und 1940 einmal aus dieser Perspektive zu betrachten.

 

 

Beck verweigert jede Verhandlung über Danzig

 

Am 24. Oktober 1938 trafen sich Joachim von Ribbentrop und Józef Lipski zu einem Abendessen im Grand-Hotel in Berchtesgaden. Im Auftrage Hitlers sollte der deutsche Außenminister dem polnischen Botschafter einen Plan zu einer „Gesamtlösung“ aller zwischen Deutschland und Polen bestehenden Probleme vorlegen.28 Der Plan bestand im Wesentlichen aus 6 Punkten:

1. Der Freistaat Danzig kehrt zum Deutschen Reich zurück.

2. Durch den Korridor29 wird eine Autobahn und eine mehrgleisige Eisenbahn gelegt.

3. Polen erhält ebenfalls eine Autobahn, eine Eisenbahn sowie einen Freihafen.

4. Polen erhält eine Absatzgarantie für seine Waren im Danziger Gebiet.

5. Die beiden Nationen erkennen ihre gegenwärtigen Grenzen an.

6. Der seit 1934 bestehende deutsch-polnische Nichtangriffspakt wird um 10 bis 25 Jahre verlängert.30

Dies war ein durchaus großzügiges Angebot. Um zu sehen, wie großzügig es war, muss man sich zweierlei in Erinnerung rufen. Erstens: Danzig gehörte nicht zu Polen. Danzig war ein Freistaat mit einer deutschen Bevölkerung und einer deutschen Verwaltung unter einem vom Völkerbund ernannten Hohen Kommissar. Zweitens, keine der 16 Regierungen der Weimarer Republik wäre je bereit gewesen, einen so hohen Preis für Danzig zu bezahlen. Denn Hitlers Angebot besagte im Kern: Wenn sich die polnische Regierung mit der Rückkehr Danzigs in das Deutsche Reich einverstanden erkläre, dürfe es im Tausch die Deutschland in Versailles entrissenen deutschen Provinzen Posen, Westpreußen und Ostoberschlesien behalten.

Wie aus Lipskis Notizen ersichtlich wird, ging Hitlers Angebot sogar noch weiter. Er bot Polen an, dem aus Deutschland, Japan und Italien bestehenden „Antikominternpakt“ beizutreten, der, wie der Name schon andeutet, gegen die damalige Kommunistische Internationale gerichtet gewesen war.31 Diese Einladung hatte den britischen Historiker Alan J. P. Taylor zu der gern verlachten, aber durchaus gerechtfertigten Aussage gebracht: „Hitlers Ziel war ein Bündnis mit Polen, nicht seine Zerstörung.“32

33343536